Die französische Rechtspolitikerin Marine Le Pen hat den ersten Durchgang der französischen Parlamentswahlen für sich entschieden: Erste Prognosen räumen ihrem "Rassemblement National" (RN) 34 Prozent Stimmen ein, drei Prozentpunkte mehr, als sie bei den Europawahlen Anfang Juni erzielt hatte. Und bedeutend mehr als die linke "Volksfront" oder das Macron-Lager.

Marine Le Pen darf sich über den Sieg freuen, aber nicht zwingend auf die Regierung.
AFP/FRANCOIS LO PRESTI

Und doch ist dieses Resultat kein Triumph für die Lepenisten: Sie haben keine Garantie, dass sie in Paris die Regierung stellen werden. Aus eigener Kraft verpassen sie die absolute Mehrheit von 289 Sitzen in der Nationalversammlung knapp, sollte alles bis nächsten Sonntag so bleiben. Das ändert alles. Le Pens Vize Jordan Bardella hatte bereits klargemacht, dass er den Posten des Premiers ablehnen würde, wenn er keine absolute Mehrheit erhält.

Der angezählte Präsident

Entscheidend wird in der Stichwahl in einer Woche die Stimmübertragung durch die kleineren Parteien, konkret durch die konservativen Republikaner. Ein Teil von ihnen ist bereits zu Le Pen übergelaufen. Rechnerisch könnten die Konservativen Le Pen regierungsfähig machen. Politisch wäre dies aber so brisant wie ein Pakt zwischen CDU und AfD in Deutschland.

Wie es scheint, wird der angezählte Präsident Emmanuel Macron eine "Cohabitation" mit einer ihm feindlich gesinnten Regierung akzeptieren müssen. Von den Lepenisten bis zu den Linken wollen fast alle Parteien die wichtigsten Macron-Reformen – Pensionsalter 64 und die Arbeitslosenversicherung – schlicht rückgängig machen. Macron könnte eine solche Demütigung nicht hinnehmen.

Fazit: Frankreich bleibt unter Hochspannung, steht vor unsicheren, politisch explosiven Zeiten. Nicht gerade das, was sich Europa wünscht. (Stefan Brändle, 30.6.2024)