Russell profitierte von einer Kollision von Verstappen und Norris an der Spitze und gewann.
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Wenn zwei sich streiten, freut sich am Ende George Russell. Der Mercedes-Pilot gewann am Sonntag den Grand Prix von Österreich als lachender Dritter, weil die lange vor ihm führenden Max Verstappen im Red Bull und Lando Norris im McLaren kurz vor Schluss im Kampf um Rang eins kollidiert waren. "Yabba Dabba Doo" rief der Brite nach seinem zweiten Erfolg in den Boxenfunk. "Das Rennen ist erst vorbei, wenn es vorbei ist."

Verstappen zog davon

Abzusehen war der Mercedes-Erfolg in Spielberg keinesfalls. Anfangs lief alles nach Protokoll. Pole-Mann Verstappen startete souverän ins Rennen und lag bereits nach drei Runden mehr als eine Sekunde vorn und damit außerhalb des DRS-Fensters, womit Verfolger Norris die Überholhilfe zunächst nicht verwenden durfte. Verstappen zog davon.

Weiter hinten kam Ferraris Charles Leclerc in den Sandwich zwischen McLaren-Mann Oscar Piastri und RB-Pilot Sergio Perez. Leclerc musste früh an die Box, um sich einen neuen Frontflügel abzuholen. Der Auftakt für ein völlig verpatztes Rennen des Monegassen, der in der ersten Rennhälfte gefühlt öfter an der Box als auf der Strecke zu sehen war. Am Ende wurde er Elfter.

Zahlreiche Autos hintereinander, Verstappen vorne.
Max Verstappen führte das Feld in die erste Kurve.
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Mercedes-Star Lewis Hamilton war dafür in Überhollaune. Er zog früh an Carlos Sainz im Ferrari und seinem Teamkollegen George Russell vorbei. Letzterer holte sich die Position aber rasch zurück. Und auch Sainz zog kurz darauf wieder vorbei: Hamilton hatte sein Anfangsmanöver neben der Strecke durchgezogen. Ein regelwidriger Vorteil. Um einer Strafe zu entgehen, gab er die Position freiwillig zurück.

Nach der ersten Boxenstoppserie zwischen den Runden 20 bis 25 führte Verstappen das Feld vor Norris, Russell, Sainz und Hamilton an. Die Reihenfolge entsprach dem Qualifying. Strafen brachten etwas Würze in den Grand Prix. Fernando Alonso (Aston Martin) räumte Zhou Guanyu (Sauber) ab: Zehn Sekunden Strafe. Hamilton und Alex Albon (Williams) überfuhren die weiße Linie vor der Boxeneinfahrt. Je fünf Sekunden plus. Perez war in der Boxengasse zu schnell unterwegs. Fünf Sekunden.

Reifenprobleme

Esteban Ocon lieferte sich mit Pierre Gasly einen Schlagabtausch, drängte seinen Teamkollegen dabei von der Strecke. Letzterer: "Was war das?" Alpine hatte Redebedarf.

Und Verstappen drehte kurz darauf auf. Er meldete immer wieder Reifenprobleme. In Runde 52 holte er sich neue Gummis ab, der Boxenstopp dauerte aber lange. Norris, der ebenfalls zur Box kam, war plötzlich nur noch rund zwei statt sieben Sekunden hinten. Dann verbremste sich Verstappen auch noch. Norris war in der Schlussphase dran.

Reifenschaden bei Lando Norris.
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Der Brite probierte es mehrmals, beschwerte sich, dass Verstappen zu sehr die Spur wechselte, um ihn abzuwehren. Es entwickelte sich ein erbitterter Kampf. Verstappen bemängelte fehlenden Grip. Norris fuhr am Limit – und drüber hinaus: Er erhielt später eine Fünf-Sekunden-Strafe, weil er zu oft die Streckenbegrenzung überfahren hatte. In Runde 64 krachte es schließlich: Norris holte in Kurve drei zum Angriff aus, Verstappen deckte ab. Es kam zu mehreren Berührungen.

Beide mussten mit je einem zerfetzten Reifen an die Box. Russell übernahm die Führung und ließ sich diese nicht mehr nehmen. Er siegte vor Piastri, der Sainz kurz vor Schluss noch überholte. Verstappen kassierte für die Kollision mit Norris noch eine Zehn-Sekunden-Strafe und rettete sich als Fünfter ins Ziel. Norris schied aus und liegt in der WM-Wertung nun schon 81 Punkte hinter dem Titelverteidiger.

Zimmer spielt Gitarre, dahinter viele Sängerinnen und Instrumentspieler.
Der deutsche Filmkomponist Hans Zimmer interpretierte die österreichische Hymne neu. Das Foto stammt von der Generalprobe vom Tag davor.
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"Ich bin enttäuscht von ihm", sagte ein genickter Norris nach dem Rennen über Verstappen. Dieser habe sich "ein bisschen dumm" und "etwas sorglos" verhalten. Verstappen sagte: "Ich hatte nicht das Gefühl, dass das Manöver super aggressiv war." Und: "Wir haben viele Fehler gemacht. Die Boxenstopps waren eine Katastrophe." RB-Motorsportberater Helmut Marko sagte: "Es war ein toller Kampf, bis es darum ging, wer wen abdrängen konnte."

Die zahlreichen niederländischen Fans färbten die Start-Ziel-Gerade bei der Siegerehrung trotzdem orange. Insgesamt kamen über das gesamte Wochenende 302.000 Zuschauer und Zuschauerinnen in die Steiermark.

Russell herzt Wolff.
Der Zweikampf zwischen Weltmeister Max Verstappen und Lando Norris prägte das Rennen in Spielberg lange. Dann trieben es der Weltmeister und sein Herausforderer aber zu weit.
REUTERS/Leonhard Foeger

Sie hörten Österreichs Bundeshymne vor Rennbeginn in einer von Filmkomponist Hans Zimmer vom Dreiviertel- in den Viervierteltakt umgewandelten Version. Die Neuinterpretation wurde am Sonntag mit Percussionist Martin Grubinger, anderen Profis sowie mehr als 50 Fans intoniert. Hobbymusikerinnen und -musiker aus ganz Österreich, Deutschland und der Schweiz konnten sich dafür bewerben. Auch Star Wars -Regisseur George Lucas ließ sich das Rennen nicht entgehen. Aber mit diesem Drehbuch hat wohl nicht einmal der Altmeister gerechnet.

Für Mercedes um Teamchef Toto Wolff war es der erste Sieg seit fast zwei Jahren. "Ein Stein ist vom Herzen gefallen. Jetzt haben wir endlich einen Sieg", sagte der Wiener. (Andreas Gstaltmeyr aus Spielberg, 30.6.2024)

Endstand des Formel-1-Grand-Prix von Österreich:
Rennlänge: 71 Runden zu je 4,318 km = 306,452 km

1. George Russell (GBR) Mercedes 1:24:22,798 (Schnitt: 218,894 km/h)
2. Oscar Piastri (AUS) McLaren +1,906
3. Carlos Sainz (ESP) Ferrari +4,533
4. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes +23,142
5. Max Verstappen (NED) Red Bull Racing +37,253
6. Nico Hülkenberg (GER) Haas +54,088
7. Sergio Perez (MEX) Red Bull Racing +54,672
8. Kevin Magnussen (DEN) Haas +1:00,355
9. Daniel Ricciardo Racing Bulls +1:01,169 (AUS)
10. Pierre Gasly (FRA) Alpine +1:01,766

11. Charles Leclerc (MON) Ferrari +1:07,056
12. Esteban Ocon (FRA) Alpine +1:08,325
13. Lance Stroll (CAN) Aston Martin Aramco +1 Runde
14. Yuki Tsunoda (JPN) Racing Bulls +1 Runde
15. Alexander Albon (THA) Williams +1 Runde
16. Valtteri Bottas (FIN) Kick Sauber +1 Runde
17. Zhou Guanyu (CHN) Kick Sauber +1 Runde
18. Fernando Alonso (ESP) Aston Martin Aramco +1 Runde
19. Logan Sargeant (USA) Williams +2 Runden
20. Lando Norris (GBR) McLaren +7 Runden

Schnellste Runde:

Fernando Alonso (ESP) Aston Martin Aramco in der 70. Runde in 1:07,694 (Schnitt: 229,630 km/h)

WM-Stand (nach 11 von 24 Rennen und 3 von 6 Sprints):

1. Max Verstappen (NED) Red Bull Racing 237
2. Lando Norris (GBR) McLaren 156
3. Charles Leclerc (MON) Ferrari 150
4. Carlos Sainz (ESP) Ferrari 135
5. Sergio Perez (MEX) Red Bull Racing 118
6. Oscar Piastri (AUS) McLaren 112
7. George Russell (GBR) Mercedes 111
8. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes 85
9. Fernando Alonso (ESP) Aston Martin Aramco 41
10. Yuki Tsunoda (JPN) Racing Bulls 19
11. Lance Stroll (CAN) Aston Martin Aramco 17
12. Nico Hülkenberg (GER) Haas 14
13. Daniel Ricciardo (AUS) Racing Bulls 11
14. Oliver Bearman (GBR) Ferrari 6
15. Pierre Gasly (FRA) Alpine 6
16. Kevin Magnussen (DEN) Haas 5
17. Esteban Ocon (FRA) Alpine 3
18. Alexander Albon (THA) Williams 2

Stand Konstrukteurs-WM (nach 11 von 24 Rennen und 3 von 6 Sprints):

1. Red Bull Racing 355
2. Ferrari 291
3. McLaren 268
4. Mercedes 196
5. Aston Martin Aramco 58
6. Racing Bulls 30
7. Haas 19
8. Alpine 9
9. Williams 2

Nächstes Rennen:

Grand Prix von Großbritannien am 7. Juli in Silverstone