Im Hintergrund gibt's Rehkrickerl, auf dem Tisch Heidelbeeren, Joghurt, Nüsse: Während Herbert Kickl und seine rechten Freunde Orbán und Babiš bei einer Pressekonferenz in Wien verkünden, eine neue rechte EU-Fraktion gründen zu wollen, sendet Ö3 Claudia Stöckls Frühstück bei mir-Sendung mit dem FPÖ-Chef. Diese neue EU-Fraktion ist dort freilich noch kein Thema, die Aufzeichnung fand bereits am Freitag statt. Getroffen haben sich Stöckl und Kickl in Puchberg am Schneeberg. Was sind seine Träume? Ist er nicht selber Teil des Systems, das er kritisiert? Antworten auf Fragen wie diese kündigt Stöckl an. Der Musikblock beginnt – Ironie? – mit dem Anti-Hero von Taylor Swift.

Warum will er sich in Puchberg am Schneeberg treffen? Hier sei er gern unterwegs mit seinen Bergfreunden, so Kickl. Hier herrsche Ruhe und eine gewisse Gelassenheit. Das Gespräch wird dann insgesamt recht harmlos, auch wenn Stöckl immer wieder versucht, auch kritischere Fragen unterzubringen. Sein erster Musikwunsch ist Don't stop Believin' von Journey. Kickl: "Die Botschaft ist wunderschön: nie aufhören zu glauben." Das sei "seine persönliche Hymne aus der Corona-Zeit", auch bei den "friedlichen Massendemonstrationen" habe er sich immer dieses Lied gewünscht. Später outet er sich als Fan von AC/DC (Thunderstruck sei "einprägsam, da kann sogar ich mitsingen") oder auch Guns N' Roses ("Sweet Child of O' Mine ist für mich Motivationsmusik und Energiebooster").

FPÖ-Chef Herbert Kickl frühstückt mit Claudia Stöckl.
Foto: Ö3

Selbstzweifel, Kränkung und Martin Luther

Stöckl will hinter "Entscheidungen blicken", die uns alle betreffen, und beginnt den Gefühls-Word-Rap mit dem Thema Kränkung. Kickl darauf recht abgebrüht: "Kränkung ist etwas, das mir in der Politik nicht passiert. Das könnte nur Menschen gelingen, die mir wirklich wichtig sind." Wann habe er an sich gezweifelt? Bei der Frage, ob er sich als Nationalratsabgeordneter eigne, sei er nicht sicher gewesen, ob er dieser Aufgabe gewachsen sei, gibt er bei Stöckl zu Protokoll. Auch bei der Aufgabe als Innenminister habe er sich hinterfragt. "Ich gehe mit Respekt und Demut an solche Aufgaben heran." Dinge, die er nie verzeihen könne, gebe es nicht. Kickl: "Es gibt Dinge, die mich massiv enttäuscht haben. Aber ich lebe nach vorn und nicht nach hinten", sagt er. Sein größtes Learning sei, "dass es immer irgendwie weitergeht, es gibt immer eine Alternative und immer einen Plan B".

Ob er nicht seit Jahrzehnten in dem System lebe, das er kritisiert, will Stöckl wissen und bekommt dafür von Kickl ein bisschen Schimpfe und Nachhilfe. "Das ist eine oberflächliche Sicht der Dinge. Man kann im System auch gegen das System sein." Er verlangt hier von Stöckl, an Martin Luther zu denken. "Er war Mönch, ist aufgestanden gegen die Obrigkeit" und habe aus dem System heraus diesen Widerstandsgeist entwickelt. Gleich darauf erinnert Stöckl an Kickl-Sager wie "Mumie in der Hofburg" über Van der Bellen oder "Kühlschrank-Karoline" über Edtstadler. Muss man so formulieren, damit die Inhalte gehört werden? Er sei "ein Freund der bildhaften Sprache, sie setzt sich leichter in den Köpfen fest". Luther als "Meister der sprachlichen Bilder" muss wieder als Vorbild herhalten. Sein eigenes Gewissen sei sein Korrektiv, sagt er an dieser Stelle auch.

Kein Treffen mit Kurz

Kickl war eineinhalb Jahre Innenminister, dann wurde er im Mai 2019, nachdem das Ibiza-Video die Regierung gesprengt hatte, auf Vorschlag von Sebastian Kurz seines Amtes enthoben. "Ich lebe nicht rückwärts", aber ihn interessiert, "was die tatsächlichen Gründe waren. Ich hatte damit überhaupt nichts zu tun." Mit Kurz habe es kein Treffen gegeben, ein mögliches Kurz-Comeback gehe ihn nichts an, "ich wünsche mir gar nichts für die Spitze der ÖVP". Kickl über den Wahlausgang im Herbst: "Wenn wir nicht Erster werden, gibt es von der FPÖ keinen Anspruch auf den Kanzler. Weder Nehammer noch Babler bringen diesen Satz heraus. Warum können sie das nicht formulieren?", fragt er sich. Und: Diese Wahl werde auch die Frage beantworten, "wer wirklich ein Demokrat in diesem Land" sei.

Es geht um Wahlen, rechte und linke Augen, Nächstenliebe, basischen Frühstücksbrei.
Foto: Ö3

Später wird es noch ein bisschen persönlich, "meine Frau war eine leidenschaftliche Schwangere", sein Sohn studiert "eifrig" Jus, ist mittlerweile statt Autorennfahrer "leidenschaftlicher Fahrradfahrer". Seiner Frau sei er dankbar, dass sie da ist, auch wenn es nicht so gut läuft – "ein Beweis dafür, dass ich nicht ganz so böse bin". Dafür gibt es dann Flowers von Miley Cyrus. Stöckl erwähnt noch Österreichs Teamchef Ralf Rangnick und dessen Appell "auf dem rechten Auge wachsam zu sein". "Man soll auch am linken Augen nicht blind sein", fällt Kickl dazu ein und erwähnt Schulklassen, "wo eine babylonische Sprachverwirrung herrscht". Er wolle sich den Begriff der "europäischen Festung" nicht schlechtreden lassen, "wir sind nicht zuständig für die Afghanen, für die Syrer und für Menschen, die aus dem Herzen Afrikas kommen".

Kanzler sein als "Bürde"

Mit welcher Partei er zuerst reden würde, sollte die FPÖ die Wahl im Herbst gewinnen? "Wenn uns das gelingt, wäre es ein guter demokratischer Usus, dass man mit dem Zweitplatzierten spricht" so Kickl, eine "Zweierkoalition wäre wichtig für die Stabilität in diesem Land". Die mögliche Forderung der ÖVP oder der SPÖ, dass er zur Seite treten soll, sei "für einen möglichen Wahlverlierer lächerlich und grotesk". Wenn er Platz zwei erreiche, dann hätte "die ÖVP kein Problem. Die FPÖ als Zweiter geht ja für die ÖVP. Aber sie glauben, sie hätten den Kanzlerposten gepachtet, und den wollen sie nicht mehr hergeben." Kanzler sein sei "alles andere als einfach, sondern eher eine Bürde. Aber ich spüre eine Verantwortung."

Was erfahren wir noch in dieser Frühstück bei mir-Ausgabe? Babler bezeichnet er als "Bussi-Bär der österreichischen Innenpolitik", Meinl-Reisinger sei "eh eine Liebe, neigt aber zum Schulmeistern und Gouvernantenhaften". Sein SUV sei "weniger klimaschädlich als so manches Elektroauto", und die Partys im Gasthaus der Familie Glawischnig (wir erinnern uns an die Kuss-Debatte) seien schon recht exzessiv gewesen. In einen syrischen Asylwerber könne er sich nicht hineinversetzen, "das ist mir völlig fremd". Wenn er ein Syrer wäre, würde er versuchen, im eigenen Land etwas zum Besseren zu bewegen, "Krieg hat auch in anderen Zeiten geherrscht, da sind auch nicht immer alle davongelaufen".

Ob er genug Nächstenliebe zeigt? Kickls Antwort darauf: "Wahrscheinlich kann man nie genug Nächstenliebe zeigen, aber wenn jemand darunter versteht, die ganze Welt zu umarmen, dann wird für den Einzelnen überhaupt nichts übrig bleiben." Am Ende verspricht er, dass er in zehn Jahren nicht mehr in der Politik sein will, "da braucht sich niemand Sorgen machen, dass er mich nicht loswird. Da wird es mich in keiner öffentlichen Funktion mehr geben."

Ah ja, Kickl mag übrigens gern einen basischen Brei zum Frühstück, er wolle gesund alt werden. "Der Brei hat eine spannende Eigenschaft, er wird immer mehr im Mund", kommentiert das Claudia Stöckl. (Astrid Ebenführer, 30.6.2024)