Deutschland steht im Viertelfinale.
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Dortmund – Deutschland ist nur mehr drei Spiele vom Europameistertitel entfernt. Die Achtelfinalhürde Dänemark erwies sich als unerwartet hoch, der deutsche 2:0-Sieg war auch von mehreren knappen Videoschiedsrichter-Entscheidungen begünstigt. Die Tore schossen Kai Havertz (53./Elfmeter) und Jamal Musiala (68.). Im Viertelfinale trifft die DFB-Auswahl auf Spanien oder Georgien. Zuvor war die Schweiz mit einem souveränen 2:0-Sieg gegen schwache Italiener ins Viertelfinale eingezogen.

Deutschlands Bundestrainer Julian Nagelsmann veränderte seine Startelf auf drei Positionen: Den gelbgesperrten Jonathan Tah ersetzte Nico Schlotterbeck, statt Maximilian Mittelstädt gab David Raum den Linksverteidiger, vorne durfte statt Florian Wirtz Leroy Sane den Flügel bewirtschaften. Bei Dänemark ersetzte der wiedergenesene Thomas Delaney den gelbgesperrten Morten Hjulmand, der per Weitschuss Dänemarks 1:1 gegen England besorgt hatte. Den mit Jonas Wind bisher lauen Sturm sollte Andreas Skov Olsen auffrischen.

Rasanter Beginn

In den weißen Heimtrikots legte der Gastgeber rasant los und zwang die Dänen in den Rückwärtsgang. 4. Minute: Eckball von links, Schlotterbeck köpfelt locker ein, doch während dem Stadion der Deckel wegfliegt, legt Schiedsrichter Michael Oliver sein Veto ein. Joshua Kimmich hatte Schlotterbecks Bewacher für den englischen Geschmack zu offensichtlich weggeblockt, der VAR bestätigte die Entscheidung.

Das 1:0, das keines war.
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Minute 7: Wieder köpfelt Schlotterbeck nach einem Eckball, diesmal pratzelt Schmeichel den Ball aus dem Kreuzeck. Auch der folgende Corner brachte Gefahr, da zeichnete sich ein Muster ab. Man hätte gar an ein vor der EM publiziertes STANDARD-Interview mit Experte Ted Knutson denken können, der prophezeite, dass der Gastgeber die besten Eckballvarianten haben werde. 11.: Schmeichel pariert einen Havertz-Volley. Immer noch 11.: Kroos zaubert einen Eckball auf Robert Andrichs frisch blondierten Schopf, wieder heißt der Sieger Schmeichel. Deutschlands Außenverteidiger waren im Feindesland hauptgemeldet, dementsprechend wenig von der gegnerischen Hälfte sahen ihre dänischen Pendants. 13.: Musiala macht Meter, schießt links vorbei.

Gewitter

Damit war der Rausch erstmal vorbei. Nun stellten sich die Dänen vor: Eriksens Schuss nach herrlicher Ballmitnahme wurde geblockt (21.), Joakim Maehle lief sich nahe des Fünferecks frei, jagte den Ball aber am kurzen Eck vorbei (24.) und Eriksen setzte einen Freistoß aus 17 Metern in die Mauer (31.). Zu den näher kommenden Blitzen kam nun immer stärker werdender Regen. Nach 35 Minuten schickte der Schiedsrichter die Teams in die Kabinen, der folgende Wolkenbruch bestätigte die Entscheidung. Wasserfälle fielen vom Stadiondach, zwei dänische Fans nutzten das für eine spontane Dusche. Deutschlands Fans hielten sich mit "Oh, wie ist das schön"-Sprechchören warm.

Wenn schon Zeit ist, kann man ja gleich duschen.
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Nach 20 Minuten war der Spuk vorbei, die Teams kamen für ein kurzes Aufwärmen zurück und kickten weiter. Und wie: Kroos überraschte Dänemark mit einem flachen Freistoß auf Raum, der rauschte den linken Flügel herunter und flankte perfekt zu Havertz. Dessen Kopfball traf Schmeichel am Brustbein. Auf der anderen Seite luchste Rasmus Höjlund im Strafraum Schlotterbeck den Ball ab, setzte den dann aber ins Außennetz (42.).

Mit der Pause kam beinahe Dänemarks Führung. Thomas Delaney eroberte einen Ball und wurde von Eriksen höchstselbst auf die Reise geschickt, vor dem herangrätschenden Rüdiger spitzelte er weiter in den Strafraum zu Höjlund. Der Ex-Grazer beherrscht solche Situationen, immerhin hatte er kürzlich Sturms Jakob Jantscher als den Teamkollegen genannt, der für seine Entwicklung am wichtigsten war. Der Haken: Manuel Neuer beherrscht solche Situationen auch. Deutschlands Rückhalt eilte mit großen Schritten aus dem Tor und parierte den Abschluss. Mit 0:0 gab es ein flottes Wiedersehen mit den Kabinen.

Deutschland im Millimeterglück

Ohne Wechsel ging es weiter. Der VAR schien zur Pause am besten aufgewärmt zu haben. 48., der erste Auftritt: Eine Flanke kommt via Höjlund zu Delaney, nach dessen Schussversuch netzt Joachim Andersen zum vermeintlichen 1:0. Dänemark wähnte sich im Glück – doch halt! Die Zehe war einen halben Pikometer im Abseits. Vor der halbautomatischen Abseitserkennung nannte man das noch gleiche Höhe, mit einem engeren Schuh hätte die Führung gehalten. Und es kam noch übler für den Doch-Nicht-Torschützen. Quasi im Gegenzug lenkte Andersen eine deutsche Hereingabe ab, wieder meldete sich der VAR: Herr Lehrer, ich weiß was! Es war Andersens Hand. Kai Havertz versenkte den Elfer zum 1:0 und jubelte im feindlichen Bierbecherhagel (53.). Jeder dänische Fan, der den Fußball nach diesen Minuten noch liebte, ist ein gnädiger Mensch.

Statt Wasser regnete es nach dem 1:0 Bier aus dänischer Hand.
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Es blieb hektisch. Havertz konterte, der mitlaufende Sané ging zu Boden, Havertz hob den Ball über Schmeichel und am Tor vorbei (59.). Nagelsmann war grantig und kassierte Gelb. 64.: Havertz legt perfekt auf für Sané, der dilettiert am Tor vorbei und wird von der Abseitsflagge entschuldigt. Nagelsmann griff zum Doppeltausch: Ilkay Gündogan und Andrich raus, Niclas Füllkrug und Emre Can rein. 66.: Eine simple Kombination hebelt die deutsche Defensive aus, Höjlunds Schuss ist zu unplatziert.

Zweinull.
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Also wieder Deutschland. Schlotterbeck schlug einen grandiosen 50-Meter-Ball in den Lauf von Musiala, der vollendete mit Tempo und Coolness zum 2:0 ins lange Eck (68.). Die Dänen wurden danach kaum mehr gefährlich, gegen Ende brachte die DFB-Elf das Match endgültig unter Kontrolle. Joker Wirtz hatte noch das 3:0 auf dem Fuß, traf aber nur Schmeichel (89.); sein vermeintliches Tor fiel einer Abseitsstellung zum Opfer (91.). Den Schlusspunkt setzte Havertz, der alleine vor Schmeichel scheiterte (95.). (Martin Schauhuber aus Dortmund, 29.6.2024)

Anm.: In diesem Artikel stand ursprünglich, der Ball habe vor dem Elfmeter Andersens Oberarm berührt. Das wurde nachträglich korrigiert, es war Andersens Hand.

Fußball-EM - Achtelfinale:

Deutschland - Dänemark 2:0 (0:0). Dortmund, Signal Iduna Park, SR Oliver/ENG

Tore: 1:0 (53.) Havertz (Elfmeter)
2:0 (68.) Musiala

Deutschland: Neuer - Kimmich, Rüdiger, Schlotterbeck, Raum (80. Henrichs) - Andrich (64. Can), Kroos - Sane (88. Anton), Gündogan (64. Füllkrug), Musiala (80. Wirtz) - Havertz

Dänemark: Schmeichel - Bah (81. Kristiansen), Andersen, Vestergaard, Christensen (81. Bruun Larsen), Maehle - Skov Olsen (69. Poulsen), Höjbjerg, Delaney (69. Nörgaard), Eriksen - Höjlund (81. Wind)

Gelbe Karten: Nagelsmann (Trainer) bzw. Hjulmand (Trainer), Bah, Maehle