Bei insgesamt 13 Hausdurchsuchungen in Ober- und Niederösterreich wurden im Juni 2023 Schusswaffen und Munition im Wert von rund 1,5 Millionen Euro sichergestellt.
Bei insgesamt 13 Hausdurchsuchungen in Ober- und Niederösterreich wurden im Juni 2023 Schusswaffen und Munition im Wert von rund 1,5 Millionen Euro sichergestellt. Die beschuldigten Rechtsrocker aus dem Umfeld des Motorradklubs Bandidos horteten auch Nazi-Devotionalien.
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Wenn es um Extremismus und terroristische Bedrohung geht, ist der Fokus der öffentlichen Wahrnehmung auf radikalislamistischen Terror fixiert. Verständlich, denn der heimische Staatsschutz stuft die latente Gefahr, die von jihadistischen Gruppierungen und Einzeltätern ausgeht, am höchsten ein. Als Folge des eskalierten Nahostkonflikts gilt seit vergangenem Oktober in Österreich die zweithöchste Warnstufe. Doch die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) warnt auch ausdrücklich vor zunehmenden rechtsextremen Tendenzen. Die Zahl der Anzeigen wegen rechtsextrem motivierter Straftaten hat zuletzt massiv zugenommen: von 928 im Jahr 2022 auf 1208 im Vorjahr.

Während der Corona-Pandemie waren Aktivitäten von rechtsextremen Gruppierungen zwar massiv eingeschränkt, manche alteingesessene Veranstaltungen sind bis heute von der Bildfläche verschwunden. Doch in der Zeit der Lockdowns haben sich online auch neue Netzwerke gebildet, die nun verstärkt aktiv werden. Der 2023 in Ungarn abgehaltene Honsik-Kongress, ein nach dem 2018 verstorbenen Neonazi Gerd Honsik benanntes, internationales Szenetreffen, sowie einschlägige Gruppen im Messengerdienst Telegram, die mit inhaftierten NS-Personen sympathisieren, belegen laut DSN diesen Trend.

Keine einheitliche Szene

Es gibt aber keine einheitliche rechtsextreme Szene. Im Gegenteil, manche Gruppierungen sind zerstritten – etwa in der Frage, auf welcher Seite man im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine steht. Die einen jubeln Wladimir Putin zu, andere wollen als Söldner für die Ukraine in den Krieg ziehen.

Bei der Erklärung von Rechtsextremismus orientiert sich der Staatsschutz an international üblichen Definitionen: Zu den politischen Überzeugungen und Bestrebungen zählen beispielsweise die Gutheißung der Diktatur, völkischer Nationalismus, Islam- und Fremdenfeindlichkeit, Antisemitismus, Chauvinismus, Sozialdarwinismus, Rassismus und/oder eine Verharmlosung beziehungsweise Relativierung des Nationalsozialismus. Demokratische und pluralistische Gesellschaftsmodelle werden abgelehnt, demzufolge auch das in Österreich herrschende politische System. Ziel ist, anders denkende Personen sowie staatliche Institutionen "auszuschalten", wie es im aktuellen Verfassungsschutzbericht heißt.

41 Waffenlager seit 2019 ausgehoben

Diese Haltung gepaart mit einer großen Affinität zu Schusswaffen vieler rechtsextremer Gruppierungen macht diese ebenfalls zu einer zumindest latenten Terrorgefahr. Seit dem Jahr 2019 wurden in Österreich bei Razzien gegen rechtsextreme Verdächtige 41 Waffenfunde dokumentiert. Auf der Website des Vereins Stoppt die Rechten gibt es dazu eine Landkarte Österreichs, aus der hervorgeht, dass die meisten Waffenlager in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg ausgehoben wurden. In manchen Fällen wurde Arsenale mit Sturmgewehren und Maschinenpistolen ausgehoben, auch Sprengstoff wurde offensichtlich jahrelang gehortet. In den allermeisten Fällen fanden die Ermittler auch Nazi-Devotionalien.

Erst am Dienstag gab das Innenministerium bekannt, dass bei einer österreichweiten Polizeiaktion Ende Juni "zahlreiche Nazi-Devotionalien wie Kleidung mit rechtsextremen Symbolen sowie eine erhebliche Menge an Datenträgern" sichergestellt wurden. Im Rahmen des vom DSN koordinierten "Joint Action Day" seien Hausdurchsuchungen in allen Bundesländern außer Salzburg durchgeführt worden. Im Fokus seien "extremistisch motivierte und gewaltbereite Einzelpersonen sowie Personen, die rechtsextremistische Hasspropaganda verbreiten", gestanden. Es kam zu einer Festnahme sowie Sicherstellungen von umfangreichem Beweismaterial – insgesamt wird gegen 15 Personen ermittelt.

Die zentrale Gruppierung der sogenannten Neuen Rechten, die versucht, den Diskurs über Themen wie Migration und Asyl zu bestimmen, ist nach wie vor die Identitäre Bewegung Österreichs (IBÖ), deren Protagonisten und Sympathisanten auch als Die Österreicher (DO5) auftreten. Sie stellen grundlegende Menschenrechte infrage und streuen unter Verwendung von Verschwörungstheorien und Fake News nationalsozialistisch konnotierte Narrative wie "Bevölkerungsaustausch" oder "Remigration". Im aktuellen Verfassungsschutzbericht werden sie "geistige Brandstifter" genannt. Fakt sei, dass die Neue Rechte immer stärker eine Vermengung mit der Parteipolitik anstrebe und sich dadurch ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für den demokratischen Rechtsstaat ergebe, heißt es im Bericht der DSN. Am berüchtigten Geheimtreffen von rechtsextremen Kreisen nahe Potsdam, bei dem im November 2023 unter anderem ein "Masterplan für Remigration" vorgestellt wurde, nahmen auch Österreicher teil.

Präventionsprojekt an Schulen

In ihrem Ausblick auf die Zukunft verweisen die Staatsschützer auf mehrere rechtsextreme Trends: Man rechne mit einer rasanten Ausbreitung von sogenannten Active Clubs. Vor allem der Ausbau von Kampfsportnetzwerken mit einem freundlicheren und weniger militanten Erscheinungsbild soll europaweit das Interesse von jungen Leuten ansprechen. Zu befürchten sei, dass es durch diese Rekrutierung zu mehr Gewalt komme, etwa gegen Jüdinnen und Juden, gegen Menschen mit anderem ethnischem Hintergrund, gegen Musliminnen und Muslime sowie gegen die LGBTIQ-Community.

Als Gegengewicht zur Etablierung von extremistischem Gedankengut bei jungen Menschen ist das Projekt "Extremismusprävention macht Schule" gedacht. 54 Organisationen bieten kostenlose Workshops an, die von Lehrerinnen und Lehrern für alle Schulstufen gebucht werden können. Das Projekt wurde vom Bildungsministerium mit rund 2,3 Millionen Euro finanziert. Die Nachfrage war bisher groß, das Projekt soll, wie aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung von Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) hervorgeht, auch im kommenden Schuljahr fortgeführt werden. (Michael Simoner, 3.7.2024)