Joe Biden und Donald Trump im TV-Duell.
US-Präsident Joe Biden machte im TV-Duell gegen Ex-Präsident Donald Trump dank Versprecher, leeren Blicken und Aussetzer eine schlechte Figur.
REUTERS/Allison Joyce

New York/Washington – Nach seinem schwachen Auftritt bei der ersten TV-Debatte vor der Präsidentschaftswahl hat die einflussreiche Zeitung New York Times US-Präsident Joe Biden in ihrem Leitartikel zum Rückzug seiner Kandidatur aufgefordert. Um dem Land zu dienen, müsse der 81-Jährige das Rennen um eine weitere Amtszeit verlassen, schrieb das sogenannte Editorial Board, eine Gruppe von Meinungsjournalisten, die von der Redaktion getrennt arbeitet, am Freitag.

Weiter heißt es, Biden sei "der Schatten eines großen Staatsdieners". Die Debatte zwischen dem Präsidenten und seinem Herausforderer Donald Trump habe gezeigt, dass Biden "seinen eigenen Test nicht bestanden hat". Im Editorial Board sind einige renommierte Meinungsjournalisten vertreten, das Gremium soll die Werte der New York Times repräsentieren. Zuvor hatte schon der New-York-Times-Kolumnist Thomas L. Friedman, selbst ein Freund Bidens, den Präsidenten aufgefordert sich zurückzuziehen. Friedman hätte das TV-Duell weinend verfolgt, schreibt der US-Journalist: "Joe Biden, ein guter Mann und ein guter Präsident, hat kein Recht sich zur Wiederwahl zu stellen."

Biden hat Trumps "Wunden" geheilt

Biden sei ein bewundernswerter Präsident gewesen, schrieben die Journalisten in dem Meinungsbeitrag. "Unter seiner Führung ist die Nation aufgeblüht und hat begonnen, sich einer Reihe von langfristigen Herausforderungen zu stellen." Auch die durch seinen republikanischen Vorgänger Trump "aufgerissenen Wunden haben begonnen, sich zu schließen". Der größte Dienst, den Biden nun leisten könne, "wäre die Ankündigung, dass er bei der Wahl nicht mehr antreten wird", hieß es weiter.

Donald Trump bei einem Wahlkampfauftritt.
Nach dem Wahlduell brachen Bidens Umfragewerte ein. Teile der Demokraten fürchten er hätte Kontrahent Donald Trump nichts entgegen zu setzen.
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Biden, der mit seinen 81 Jahren einer der ältesten Präsidenten der US-Geschichte ist, hatte bei der TV-Debatte im Sender CNN am Donnerstagabend mit heiserer Stimme gesprochen und sich wiederholt in seinen Formulierungen verheddert. Zudem ließ er Sätze unbeendet und kam ins Stottern. Der 78-jährige Trump wirkte sehr viel energischer und konzentrierter.

Biden machte in North Carolina eine bessere Figur

Eine CNN-Umfrage ergab, dass 67 Prozent der Zuschauer in Trump den Gewinner des Duells sahen. Der Ausgang der Debatte löste bei den US-Demokraten Beunruhigung aus. Biden selbst wies Zweifel an seiner Eignung für eine weitere Amtszeit zurück. "Ich gehe nicht mehr so locker wie früher, ich spreche nicht mehr so flüssig wie früher, ich debattiere nicht mehr so gut wie früher, aber ich weiß, wie man die Wahrheit sagt", sagte er bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat North Carolina.

Doch für viele Demokraten war der Auftritt Bidens in North Carolina ein Lichtblick: Es sei ein Unterschied von "Tag und Nacht" gewesen, berichten Anwesende dem britischen Guardian. Biden, der wieder energetischer wirkte, sprach unter anderem über das Thema Migration, verbrachte große Teile seiner Rede um Trump als "Lügner" zu attackieren. Auch ging der US-Präsident auf die Kritik an seiner Leistung bei dem TV-Duell gegen Trump ein: "Ich debattiere nicht mehr so gut wie früher. Aber ich weiß, wie man die Wahrheit sagt." Jedoch wolle er weitermachen, so Biden: "Wenn man hinfällt, steht man wieder auf."

Merz erwartet Trump-Sieg

Der deutsche Oppositionsführer Friedrich Merz von der konservativen Christlich Demokratische Union (CDU) erwartet einen erbitterten US-Wahlkampf mit Donald Trump als Sieger. "Es wird gnadenlos", sagte er in der Radio-Bremen-Talkshow "3nach9", die am Freitagabend ausgestrahlt wurde. "Ich habe ein bisschen befürchtet, dass es so geht", sagte er mit Blick auf den desaströsen Auftritt Bidens, den Merz aber nicht im TV verfolgte.

Er finde es bizarr, dass in diesem Land mit so vielen Talenten diese beiden Präsidentschaftsbewerber übrig geblieben seien, sagte Merz. "Biden ist ein alter Mann, man stellt sich die Frage: Ist er dem Amt noch gewachsen?" Merz, selbst 68 Jahre alt, geht davon aus, dass der 78-jähriger Republikaner Trump bei der Wahl im November gewinnt. Und der werde gut vorbereitet sein auf eine zweite Amtszeit: "Da werden eine ganze Reihe von großen Herausforderungen auf uns zukommen." (APA, rsb, 29.6.2024)