Lando Norris fuhr im Mai seinen heiß ersehnten Sieg bei einem Grand Prix ein. Zuletzt setzte er Max Verstappen regelmäßig zu. Am Wochenende duellieren sie sich in Spielberg.
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McLaren ist das Team der Stunde in der Formel 1. Lando Norris fuhr zuletzt in Montreal und Barcelona je auf Platz zwei. Und viele hatten das Gefühl, dass noch mehr drinnen war – inklusive Max Verstappen (Red Bull), der beide Rennen gewann. "Ich glaube, wir sind nicht mehr die Nummer eins", sagte er.

Und McLaren schielt definitiv nach oben. Norris sprach von Kleinigkeiten, die fehlen würden. Auch Geschäftsführer Zak Brown ist angetrieben: "Wenn man sieht, wo wir herkommen und wo wir jetzt stehen, wollen wir jedes Wochenende zeigen, dass wir wirklich stark sind."

McLaren gehört zu den traditionsreichsten Rennställen der Königsklasse, ist seit 1966 dabei. Die Briten feierten zwölf Weltmeisterschaftstitel, unter anderem mit Niki Lauda 1984, Alain Prost (1985, 1986 und 1989) und Ayrton Senna (1988, 1990 und 1991). Nach dem bisher letzten Coup mit Lewis Hamilton (2008) ging es aber in den 2010er- Jahren allmählich bergab.

2015 und 2017 schaute nur Platz neun in der Konstrukteurswertung heraus. Die Zusammenarbeit mit Honda, die ermöglichen sollte, an die Triumphe der Senna-Ära anzuschließen, fruchtete nicht, was vor allem den damaligen Fahrer Fernando Alonso frustrierte.

Schokofrösche

Also trennte sich der Rennstall vom Motorenpartner. Um mit Renault 2018 auch nur auf Teamrang sechs zu landen – und das nur, weil Force India nach der Insolvenz von der WM ausgeschlossen wurde. Es wurde deutlich, dass es nicht nur am Motor liegen konnte, sondern auch das eigene Chassis in aerodynamischer Hinsicht hinterherhinkte. Im Team rumorte es: Nachdem Techniker für ein Upgrade Überstunden verrichteten, erhielten sie einen Bonus: Schokofrösche. Die Angestellten fühlten sich gefrotzelt.

In diesen Krisenjahren stieß Brown Ende 2016 zum Team, nachdem der legendäre Ron Dennis infolge eines Machtkampfes von den Aktionären zum Rücktritt gezwungen worden war. Die Leute seien nicht ehrlich gegenüber sich selbst gewesen, erklärte Brown im Nachhinein. Niemand wollte die Probleme anpacken, sagte er. Die Teamstruktur sei falsch, es gebe zu viele Köche. "Diese Situation ist nicht über Nacht entstanden, und sie wird nicht über Nacht gelöst werden." Wie lange es dauert? "Zwei Jahre, zehn Jahre, eher irgendetwas dazwischen."

Lando Norris am Weg durch die Steiermark.
EPA/MARTIN DIVISEK

2019 wurden Supertalent Norris und der etabliertere Carlos Sainz zum neuen Fahrerduo ernannt. "Die beiden brachten Enthusiasmus und Energie mit", schrieb der Guardian. Ein Beispiel: Norris schenkte jedem der 800 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Woking eine mit deren Namen verzierte Wasserflasche. „Es gehört zum Job eines Piloten, alle zu motivieren“, erklärte der Youngster.

Die Zuständigkeiten wurden klarer verteilt. Andreas Seidl wurde 2019 neuer Teamchef, James Key der Technische Direktor und Andrea Stella Rennleiter. Der Bau eines neuen Windkanals wurde beschlossen. McLaren etablierte sich als bestes Team hinter Mercedes, Ferrari und Red Bull. "Wir sind noch auf Fehler der Topteams angewiesen, um besser als auf Rang sieben zu landen", sagte Sainz. Ab 2021 fuhr man mit Mercedes-Motoren. Im September fuhr Daniel Ricciardo zum sensationellen Sieg in Monza, zum ersten für McLaren seit 2012.

Rochaden

Aber auf dem Weg nach oben gehören Rückschläge dazu. 2022 stagnierte der Rennstall. Seidl wechselte zu Sauber. Stella wurde zum neuen Teamchef erkoren, Key musste gehen und Peter Prodromou – ein früherer Mitarbeiter von Genie Adrian Newey – zum Technischen Direktor Aerodynamik. Anfang 2023 fuhr McLaren im Niemandsland. "Unsere Aerodynamik war unterentwickelt", sagt Stella. Brown sagt über die schwere Zeit: "Es ist wichtig, dass in dieser Phase alle zusammengehalten haben." Er lobte Stella. "Niemand arbeitet härter als er."

Der Italiener arbeitete einst als Ingenieur mit Ferrari-Legende Michael Schumacher zusammen und wechselte 2015 mit Alonso zu McLaren. "Der Prozess ist das wichtigste", sagt er. Die Resultate kämen dann von alleine. "Du musst lernen, dich wohlzufühlen, wenn es ungemütlich ist. Denn der Weg ist manchmal ungemütlich." Weil die Upgrades zündeten, fuhr McLaren in den letzten acht Rennen der Vorsaison noch sieben Podiumsplätze ein. Den Schwung nahmen die Briten in die neue Saison mit. Höhepunkt: Norris‘ erster Sieg in Miami. Es soll nicht der letzte bleiben.

Und die Chancen stehen gut, dass McLaren oben dran bleibt. Norris (24) und Oscar Piastri (23) gehören zu den talentiertesten Fahrerduos der gesamten Formel 1. Beide sind langfristig, bis Ende 2026, vertraglich gebunden, Brown überhaupt bis 2030. (Andreas Gstaltmeyr, 29.6.2024)