La Paz – Nach dem gescheiterten Staatsstreich in Bolivien ist Präsident Luis Arce dem Vorwurf entgegengetreten, mit den Verschwörern unter einer Decke zu stecken. Die Putschisten hätten auf eigene Faust gehandelt, sagte der Präsident am Donnerstagabend (Ortszeit) bei seiner ersten Pressekonferenz nach dem Umsturzversuch. "Ich bin kein Politiker, der seine Popularität durch das Blut des Volkes gewinnen will." Am Freitag wurde Anklage gegen die gesamte Führungsriege der Armee erhoben.

Die Generalstaatsanwaltschaft von La Paz legt den ehemaligen Befehlshabern von Armee, Marine und Luftwaffe Terrorismus sowie bewaffneten Aufstand gegen die Sicherheit und Souveränität des Staates zur Last, wie die Zeitung El Deber am Freitag unter Berufung auf die Generalstaatsanwaltschaft berichtete. Ihnen drohten Haftstrafen von bis zu 30 Jahren.

Die Generalstaatsanwaltschaft stellte demnach fest, dass bei den drei Angeklagten Juan José Zúñiga Macías (Armee), Juan Arnez Salvador (Marine) und Marcelo Javier Zegarra (Luftwaffe) Fluchtgefahr bestehe. Außerdem sehe sie das Risiko, dass die Angeklagten Beweise zerstören, verändern, unterdrücken, verheimlichen oder fälschen könnten.

La Paz, Pro-Arce Protestierender vor fliehenden Truppen aus Präsidentschaftspalast.
Nach dem Putschversuch in La Paz wurden insgesamt 21 Militärs festgenommen.
AP/Juan Karita

Zúñiga: Putsch mit Präsident Arce abgestimmt

Am Mittwoch hatten abtrünnige Militärs mit gepanzerten Fahrzeugen den zentralen Platz von La Paz besetzt und waren in den Regierungspalast vorgedrungen. Präsident Arce bot den Putschisten die Stirn und tauschte sofort die gesamte Führungsriege der Streitkräfte aus. Die neuen Chefs der Teilstreitkräfte ordneten daraufhin den Rückzug der Truppen an.

Insgesamt wurden nach dem Putschversuch 21 Militärs festgenommen. "Wir werden dieses antidemokratische Netzwerk stoppen, wir werden nicht ruhen, bis alle Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden. Es ist an der Zeit, die Putschisten von der Straße zu holen und sie hinter Gitter zu bringen", sagte Innenminister Carlos Eduardo del Castillo auf einer Pressekonferenz.

Zúñiga hatte vor seiner Festnahme behauptet, der Putsch sei mit Präsident Arce abgestimmt gewesen. "Der Präsident hat mir gesagt, dass die Situation sehr schlecht ist. Es sei notwendig, etwas vorzubereiten, um seine Popularität zu steigern", sagte General Zúñiga im Fernsehen. "Ich habe ihn gefragt: 'Holen wir die Panzer raus?', und er hat geantwortet: 'Holt sie raus.'" Die Regierung wies die Darstellung zurück. "Das Ziel von Zúñiga war es, die Macht im Land zu übernehmen, gegen den Willen des Volkes", sagte Innenminister del Castillo. "Wie soll man einen Putsch gegen sich selbst befehlen oder ausführen?", fragte der Präsident.

"Wie soll man einen Putsch gegen sich selbst befehlen oder ausführen?", fragte der Präsident Boliviens, Luis Arce, rhetorisch bei seiner ersten Pressekonferenz nach dem Umsturzversuch am Mittwoch.
EPA/Luis Gandarillas

Morales' erneute Kandidatur als Streitpunkt

Das Motiv für den Putschversuch war zunächst unklar. Möglicherweise richtete er sich gegen eine erneute Präsidentschaftskandidatur des früheren Staatschefs Evo Morales (2006 bis 2019). Berichten zufolge hatte Zúñiga gesagt, Morales dürfe nicht als Präsident zurückkehren, und gedroht, sich ihm in diesem Fall in den Weg zu stellen. Wegen dieser Äußerungen sei Zúñiga bereits am Dienstagabend darüber informiert worden, dass er seinen Posten räumen müsse, sagte Verteidigungsminister Edmundo Novillo.

Der linke ehemalige Staatschef Morales – der erste indigene Präsident Boliviens – war 2019 unter dem Druck des Militärs zurückgetreten, nachdem ihm von der Opposition und internationalen Wahlbeobachtern Betrug bei der Präsidentenwahl vorgeworfen worden war. Obwohl ihm das in mehreren Gerichtsentscheidungen eigentlich untersagt wurde, will Morales 2025 erneut bei der Präsidentenwahl kandidieren. Derzeit ringen Morales und sein ehemaliger Verbündeter Arce um die Macht in der Regierungspartei MAS.

Bolivien: General nach gescheitertem Putsch festgenommen.
AFP

"Letztendlich sind wir Genossen"

Nach den ersten Berichten über den Putschversuch habe er seinen Rivalen Morales sogar angerufen und gewarnt, sagte Arce nun bei seiner Pressekonferenz. "Wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten, aber das bedeutet nicht, dass ich ihn im Falle eines Staatsstreichs nicht warne", sagte Arce. "Es war klar, dass sie erst mich holen würden und dann ihn. Letztendlich sind wir Genossen, deshalb habe ich ihn angerufen, damit er Vorsichtsmaßnahmen treffen kann."

Nach dem gescheiterten Putschversuch gingen zahlreiche Demonstranten zur Unterstützung der Regierung auf die Straße. Sie errichteten zwischen dem Regierungssitz La Paz und der höher gelegenen Schwesterstadt El Alto Straßenblockaden, wie die Zeitung La Razón berichtete. (APA, red, 28.6.2024)