Anoushka Shankar und Sängerin Arooj Aftab
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Arooj Aftab – Night Reign

Arooj Aftab - Raat Ki Rani
AroojAftabVEVO

Der eher abgespielte Jazzstandard Autumn Leaves (basiert auf Les Feuilles mortes von Joseph Kosma) wirkt bei der pakistanischen Sängerin Arooj Aftab überraschend frisch. Die Jazz, Pop und Neo-Sufi verschmelzende Musikerin mit der juvenil-charaktervollen Stimme dehnt den Song poetisch und formt ihn zu einer entrückt nostalgischen Fantasie von Zweisamkeit. Die Einspielung Night Reign (Verve) zeigt Aftab insgesamt als Künstlerin, die vokaler Entschleunigung mit Intensität anreichert und mixt. Stücke wie Last Night Reprise belegen, wie farbenreiche Arrangements auch die vokale Performance veredeln können.

Matthias Bartolomey – Solo

Vom Ausdruck her betritt Cellist Matthias Bartolomey auf Solo (Preiser) drei Welten. Da finden sich Stücke, die ruppige Grooves zelebrieren (etwa Nicht mehr wie früher). Da sind Bartolomeys ruhige Miniaturen wie Still. Dazwischen aber Barockes: Bartolomey verzahnt Bachs dritte Cellosuite mit eigenen Stücken. Das Besondere: Bach erklingt auf dem Cello von David Tecchler aus 1727, das Cellist Franz Bartolomey dem Sohn vermacht hat. Das zweite Instrument ist eine detailgetreue Kopie des alten Instruments, die Philipp Bonhoeffer gebaut hat. Hohes Niveau zwischen Intimität und Expressivität.

Oded Tzur – My Prophet

Vokalisten wollen bisweilen sehr instrumental klingen, also virtuos Linien produzieren. Instrumentalkünstler wiederum streben oft danach, mit wenigen Noten ausdrucksstark zu wirken, als würden sie also gleichsam singen. Auf My Prophet (ECM) zeigt der israelische Saxofonist Oded Tzur im Quartett, dass instrumentale Flexibilität und Sanglichkeit jedoch kein Widerspruch, vielmehr gut zu verbinden sind. Folkloristisch angehauchte Skalen formt er zu hymnischen Gesängen. Mit samtigem Ton langsam aufgebaut, mutieren sie zu impulsiven, mit plötzlich rauem Ton befeuerten Exaltationen. Fulminant und emotional dicht.

Wolfgang Schalk – Dear Earth

Zu Beginn ein Zwölfton-Blues: Mit ihm bereitet uns Gitarrist Wolfgang Schalk auf Dear Earth (Frame Up Music) eine reizvolle Überraschung im Sinne Arnold Schönbergs. Dem konzeptuell originellen Ausflug folgen kompakte Stücke, in denen der in Los Angeles lebende Schalk mit sanft-eindringlichem Ton entschleunigte Improvisationskunst zelebriert – auch auf der Akustischen. Mit Carlitos Del Puerto (Bass), Oscar Seaton Jr. (Schlagzeug) und Andy Langham (Piano) entstehen so dynamische Energiefelder, die punktuell am Stückende mit linear befeuerten Verdichtungen überraschen. Da merkt man, wie viel Energie und improvisatorische Flexibilität in dieser Band steckt. (Ljubisa Tošic, 28.6.2024)