Paar stößt in einem Restaurant mit Rotweingläsern an
Rotwein ist gut für die Herzgesundheit, glauben viele. Aber das stimmt so nicht.
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Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit. Ein Gläschen Rotwein tut dem Herz gut. Kaffee wiederum ist eher schlecht für uns. Wer kennt sie nicht, diese ungeschriebenen Gesetze der "gesunden" Ernährung? Oft stellt man sie gar nicht infrage, sondern geht einfach davon aus, dass sie stimmen. Doch ist das wirklich so? Und warum sind diese Mythen überhaupt entstanden?

Genau das wollte auch Eric Topol wissen. Er ist ein renommierter Kardiologe in den USA, der vor allem in der Zeit der Pandemie mit seiner Wissensvermittlung zu Covid auch international Bekanntheit erlangt hat. Er betreibt die Plattform Ground Truth, für die er auch Podcasts produziert.

In der aktuellen Folge spricht er mit dem kanadischen Kardiologen und Epidemiologen Christopher Labos, der sich auf die Vermittlung von medizinischem Wissen an die breite Öffentlichkeit spezialisiert hat. Sein Anliegen ist, medizinische Mythen und Fehlinformationen zu entlarven und wissenschaftliche Evidenz verständlich und zugänglich darzustellen.

Topol und Labos diskutieren in dem Podcast acht Ernährungsmythen und ihren Einfluss auf die (Herz-)Gesundheit – von Kardiologe zu Kardiologe. Labos zeigt dabei auf, wie wissenschaftliche Forschung populäre Annahmen und Mythen über Ernährung und Gesundheit infrage stellen kann.

Mythos 1: Rotwein ist gut fürs Herz

Die Menschen in Frankreich wissen, wie man das Leben genießt – vor allem, wenn's ums Kulinarische geht. Da tischt man gerne einmal ein bisserl was Deftigeres auf, dazu gibt's noch das ein oder andere Glaserl Rotwein. Und trotzdem hätten die Franzosen und Französinnen eine verhältnismäßig niedrige Rate an Herzerkrankungen, heißt es. Dieses französische Paradoxon hat den tiefen Glauben befeuert, dass Rotwein gut für die Herzgesundheit ist. Ob das tatsächlich so stimmt, wurde auch in mehreren Studien untersucht – doch tatsächlich hat man in keiner einzigen Studie einen kausalen Zusammenhang zwischen Rotwein und besserer Herzgesundheit gefunden, das schreibt auch die American Heart Association.

"Das französische Paradoxon kann man in erster Linie auf unvollständige Daten und unbelegte Annahmen zurückführen", betont Labos. "Die beobachteten gesundheitlichen Vorteile kann man genauso gut auf andere Faktoren wie zum Beispiel mediterrane Ernährungsgewohnheiten, die die Franzosen ja vielfach haben, zurückführen." Ja, Rotwein habe einen hohen Anteil an Polyphenolen, die mit besserer Gesundheit assoziiert sind. Doch die finde man auch in Trauben oder Beeren. Ein hoher Weinkonsum wiederum könne andere gesundheitliche Probleme befeuern, etwa Lebererkrankungen oder bestimmte Krebsarten. Man sollte Rotwein deshalb keinesfalls als Wundermittel für die Gesundheit betrachten.

Mythos 2: Milch ist schlecht fürs Herz

Bei Milch sind sich viele nicht ganz sicher, wie sie sie einschätzen sollen. Einerseits gilt sie als wichtiger Kalziumlieferant und das gesunde Lebensmittel schlechthin, andererseits wird sie auch mit Unverträglichkeiten, Allergien und mehr in Verbindung gebracht. Und sie soll auch der Herzgesundheit schaden. Grund dafür soll der hohe Anteil an gesättigten Fettsäuren sein, die in Milchprodukten enthalten sind.

Doch es gibt keine einzige Studie, die diese Hypothese eindeutig bestätigt. "Im Gegenteil, der Verzehr von Milchprodukten kann sogar mit niedrigerem Blutdruck und geringerem Risiko für Schlaganfall in Verbindung gebracht werden", sagt Labos. Vor allem Fermentiertes wie Joghurt und Käse kann durch seinen hohen Gehalt an Probiotika auch die Darmgesundheit fördern, sie sind außerdem wichtige Quelle für Kalzium und Vitamin D.

Mythos 3: Kaffee schadet der Gesundheit

Der Kaffee am Morgen ist für nicht wenige regelrecht eine Grundvoraussetzung, um in die Gänge zu kommen. Und da man untertags immer wieder seine Einbrüche hat – und Kaffee vielen auch richtig gut schmeckt –, können da schon einige Tassen zusammenkommen über den Tag. Aber ist das auch gesund? Nein, glauben viele. Mehrere Tassen Kaffee würden dem Herz schaden und womöglich sogar zu Krebs führen, heißt es oft.

Doch das stimmt so nicht. Labos betont, dass moderater Kaffeegenuss – das sind vier bis fünf Tassen pro Tag – sogar Vorteile haben kann, weil er das Risiko für Krankheiten wie Diabetes Typ 2 oder Parkinson reduzieren kann. Das liegt an den darin enthaltenen Antioxidantien, die freie Radikale binden können, die sonst die Zellen schädigen könnten. "Der schlechte Ruf von Kaffee stützt sich auf Beobachtungsstudien, in denen man Korrelation mit Kausalität verwechselt", sagt Labos. Trotzdem solle der Konsum moderat bleiben. Denn ein Zuviel könne zu Schlafproblemen und Nervosität führen.

Mythos 4: Schokolade verhilft zu Nobelpreisen

Zugegeben, ein etwas absurd klingender Mythos. Doch tatsächlich gibt es die Annahme, dass Schokolade schlau macht. Basis dafür ist eine – satirische – Studie, die den Zusammenhang zwischen dem Schokoladekonsum eines Landes und der Anzahl seiner Nobelpreisträger untersucht hat.

"Diese Studie ist natürlich ironisch gemeint und entbehrt jeglicher wissenschaftlicher Grundlage", betont Labos. Tatsächlich sagt man Schokolade aber nach, dass sie gut sei für die Gesundheit. Das gilt, wenn überhaupt, aber nur für dunkle Schokolade, die besonders viele Flavonoide enthält. Das sind sekundäre Pflanzenstoffe, die antioxidative Eigenschaften haben. "Die viel gängigeren, zuckerreichen Milchschokoladen zählen da nicht dazu." Isst man zu viel von diesen, kann das außerdem zu Übergewicht und Stoffwechselproblemen führen. Labos betont: "In Maßen genossen, schmeckt Schokolade sicher gut. Aber Wunderwirkungen auf Intelligenz oder kognitive Fähigkeiten hat sie definitiv nicht."

Mythos 5: Fischöl ist gut fürs Herz

Omega 3 wird aktuell schon fast als Wundermittel gehypt. Es soll den Blutdruck regulieren, die Herzgesundheit verbessern und stille Entzündungen im Körper reduzieren. Besonders oft nimmt man Omega-3-Fettsäuren in Form von Fischölkapseln zu sich – denn fetter Meeresfisch gilt als guter Lieferant. Doch die Vorteile für die Herzgesundheit seien keineswegs schlüssig, betont Labos. "Großangelegte Studien haben keinen signifikanten Einfluss von Fischöl in der Prävention von Herzinfarkten oder Schlaganfällen gezeigt. In einigen Fällen können hohe Dosen von Fischöl sogar das Risiko von Vorhofflimmern, einer Art von Herzrhythmusstörung, erhöhen."

Omega 3 könnte man aber ohnehin einfach über Lachs oder Makrele statt über Nahrungsergänzungsmittel aufnehmen. Die liefern auch noch andere wichtige Nährstoffe. Wer keinen Meeresfisch essen will oder sich vegetarisch ernährt, greift einfach zu Algen. Die sind nämlich der eigentliche Lieferant von Omega-3-Fettsäuren. Durch die Fische, die die Algen fressen, kommen sie nur auf unseren Teller.

Mythos 6: Aspirin verbessert die Herzgesundheit

Aspirin kann man ruhig öfter nehmen, das schützt auch vor Herzinfarkt. Diese Annahme ist wirklich weit verbreitet. Hintergrund ist die leicht blutverdünnende Wirkung des Schmerzmittels. Doch die Praxis, als gesunder Mensch täglich ein Aspirin einzuwerfen, ist gleich auf mehreren Ebenen fragwürdig.

"Diese Praxis bietet nur für ganz bestimmte Hochrisikogruppen Vorteile", betont Labos, etwa für manche Menschen, die bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatten. "Bei gesunden Menschen hat Aspirin keinen nachgewiesenen Vorteil in Bezug auf Herzinfarktgefahr und kann ernsthafte Nebenwirkungen haben." Dazu gehören Magen-Darm-Blutungen oder hämorrhagische Schlaganfälle. Die routinemäßige Einnahme von Aspirin ist deshalb mittlerweile aus den aktuellen Richtlinien für bessere Herzgesundheit gestrichen. Labos betont außerdem, dass man die regelmäßige Einnahme von Aspirin immer mit Arzt oder Ärztin abklären soll, um eventuelle Risiken abzuwägen.

Mythos 7: Künstliche Süßstoffe helfen beim Abnehmen

Zucker, so heißt es oft, ist quasi Gift. Und neben den Zähnen zerstört er auch die Figur. Die scheinbar perfekte Lösung: künstliche Süßstoffe, die weder Karies noch Extrakilos befördern. Doch diese Annahme trügt. Natürlich ist ein hoher Zuckerkonsum nicht gut. Doch es gibt auch keine eindeutige Evidenz, dass künstliche Süßstoffe beim Abnehmen helfen. "Sie können umgekehrt sogar zu einem erhöhten Verlangen nach Süßem führen", sagt Labos.

Denn obwohl Süßstoffe keine Kalorien enthalten, können sie sehr wohl den Blutzuckerspiegel beeinflussen. Aus einigen Studienergebnissen kann man sogar eine Verbindung zwischen dem hohen Konsum von Diätgetränken und einer Gewichtszunahme herauslesen. Das liege daran, dass man durch die Einsparung dazu verleitet sei, an anderer Stelle mehr Kalorien zu konsumieren. "Künstliche Süßstoffe können eine Alternative zu Zucker sein. Aber sie helfen nicht automatisch dabei, abzunehmen, das muss einem klar sein." Für eine langfristige und gesunde Gewichtsreduktion führt also kein Weg an einer insgesamt ausgewogenen Ernährung vorbei.

Mythos 8: Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages

Frühstücken wie ein Kaiser, mittagessen wie ein Edelmann, abendessen wie ein Bettler, so lautet eine alte Weisheit. Genau das haben Marketingkampagnen für Frühstückszerealien aufgegriffen, um so ihre Produkte zu bewerben, weiß Labos. Dabei werde die Idee, dass das Frühstück entscheidend für einen gesunden Start in den Tag ist, schlicht und einfach überschätzt: "Es gibt keine eindeutigen Beweise dafür, dass es sich negativ auf die Gesundheit auswirkt, wenn man das Frühstück auslässt."

Es gibt zwar Studien, die zeigen, dass Menschen, die frühstücken, tendenziell einen niedrigeren Body-Mass-Index (BMI) haben – aber diese Studien können nicht zeigen, dass das am Frühstück selbst liegt. Es könnte einfach generell an den gesünderen Lebensgewohnheiten von frühstückenden Menschen liegen. Umgekehrt hört man oft, dass Intervallfasten mit Auslassen des Frühstücks positive Effekte hat, etwa verbesserte Insulinsensitivität und Gewichtsreduktion. "Die Entscheidung, ob man frühstückt oder nicht, sollte auf Basis individueller Vorlieben und von Wohlbefinden getroffen werden, nicht deshalb, weil es angeblich gesund ist", betont Labos. Manchen hilft ein ausgewogenes Frühstück, mit Energie in den Tag zu gehen. Andere brauchen dafür kein Frühstück. Es ist also individuell. (Pia Kruckenhauser, 1.7.2024)