Tankschiff auf der Donau.
Ein Tanker auf dem Weg zum ukrainischen Donauhafen Ismail, fotografiert im Juli 2023. Durch den Krieg in der Ukraine und die teilweise Blockade des Schiffsverkehrs im Schwarzen Meer wurde diese Route immens wichtig für ukrainische Getreideexporte.
AFP/STRINGER

Fast wirkt es, als bliebe sie unberührt von den politischen Entwicklungen ringsum: Vor 35 Jahren noch kreuzte die Donau nur wenige Kilometer östlich von Wien den Eisernen Vorhang, der damals Europa teilte. Von dort aus durchquerte sie Staaten, die – wie die ehemalige Tschechoslowakei oder Jugoslawien – heute zum Teil gar nicht mehr existieren, um schließlich im Grenzgebiet von Rumänien und der damaligen Sowjetunion ins Schwarze Meer zu fließen.

Freilich aber ist die Donau keine unbeirrbare Konstante inmitten der Wirren eines Kontinents. Tiefgreifende Umwälzungen haben Auswirkungen auf ihr Ökosystem und auf ihre Nutzung als Wirtschaftsfaktor, insbesondere als Transportweg und Tourismusmagnet. Grenz- und Zollangelegenheiten gehören da ebenso dazu wie Umweltpolitik und Abwassermanagement oder Hafenlogistik.

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat einmal mehr ein neues geopolitisches Umfeld geschaffen. Die Frage, ob und wie die Donau dadurch anfälliger wurde für den Missbrauch durch organisierte Kriminalität, steht im Zentrum einer neuen Studie der Global Initiative Against Transnational Organized Crime (GI-TOC). Die zivilgesellschaftliche Organisation hat ihren Hauptsitz in Genf, ist aber auch in Wien mit einem Büro präsent.

Blockade im Schwarzen Meer

In erster Linie geht es in der Studie um den Transport von Schmuggelware – vor allem Drogen, Waffen, Zigaretten oder Treibstoff. Dass die Donau hier vulnerabler geworden sein dürfte, hat auch mit dem Rückgang des Frachtschiffverkehrs im Schwarzen Meer bald nach Kriegsbeginn im Februar 2022 zu tun, sagt Walter Kemp, Kommunikationsdirektor der GI-TOC, im Gespräch mit dem STANDARD.

Nach den Einschränkungen für die Schifffahrt im Schwarzen Meer und der Blockade des Hafens im ukrainischen Odessa, der auch Ziel russischer Angriffe wurde, gewannen die Donauhäfen rasch an Bedeutung. "Sie sind jetzt wesentlich aktiver geworden, haben eine bessere Infrastruktur", erklärt Kemp. Es wurden neue Terminals gebaut, neue Lagerhäuser, die Fahrrinnen wurden tiefer. Die Zahl der abgefertigten Schiffe sei innerhalb von zwei Jahren auf das Sechsfache gestiegen.

"Das ist gut für die Ukraine, es hilft ihr, ihre Waren zu exportieren", so Kemp. "Aber wenn man irgendwo das Ansteigen legaler Aktivität beobachtet, dann geht das meist auch mit einem steigenden Risiko illegaler Aktivität einher." Mittlerweile habe das Transportvolumen über die Donau zwar wieder abgenommen, weil die Ukraine das Schwarze Meer entlang der Küste wieder besser nutzen kann. Aber die Renovierung mancher Donauhäfen lässt es dem GI-TOC-Bericht zufolge ratsam erscheinen, in Zukunft mit deren größerer Verwundbarkeit zu rechnen.

Ein zerstörtes Getreidelager.
Ein zerstörtes Getreidelager in einem Hafengelände bei Odessa.
EPA/Odesa Regional Administratio

Insbesondere betrifft das laut der Studie Donauhäfen in Rumänien, der Republik Moldau und der Ukraine, weil ihre Bedeutung durch den Krieg rasant gestiegen sei. Freilich konnte aber auch schon früher Schmuggelware beschlagnahmt werden – wenngleich oft nur durch Zufall. So entdeckten etwa die rumänischen Behörden 2019 eine Tonne Kokain auf einem Schiff, das im Donaudelta gekentert war. 2021 wurden im ungarischen Paks drei Millionen Packungen unversteuerter Zigaretten gefunden, nachdem beim Entladen des Schiffes ein Seil gerissen war. In Serbien wiederum wurde, ebenfalls vor 2022, mehrmals Treibstoffschmuggel in großem Stil aufgedeckt.

Um die aktuelle Lage beurteilen zu können, haben die Fachleute von GI-TOC etliche Donauhäfen besucht und dort nicht nur mit Betreibern und Behörden gesprochen, sondern auch mit Lkw-Fahrern oder Leuten von lokalen Medien. "Wenn man mit Offiziellen spricht, bekommt man offizielle Antworten", sagt Kemp. "Wenn man wissen will, was vor sich geht, spricht man aber am besten auch mit anderen Leuten, die verstehen, wie diese Häfen genau funktionieren."

GI-TOC war auch bei Inspektionen auf Schiffen dabei, hat mit der Wasserpolizei in Wien geredet und stand in Kontakt mit Repräsentanten der EU-Strategie für den Donauraum (EUSDR), die einen politischen Blick auf das Thema hat. Fazit: Nur wenig Schmuggelware wird tatsächlich gefunden, was aber nicht heiße, dass es sie nicht gibt. Eine zentrale Erkenntnis sei vielmehr ein gravierender Mangel an Kooperation zwischen den Sicherheitsbehörden der Donau-Anrainerstaaten, heißt es in dem Bericht.

Nicht nur "Law and Order"

Häfen würden sich nämlich oft als attraktives Eingangstor für Schmuggel und Korruption erweisen, ergänzt Kemp: "Unsere Sorge betrifft etwa Schmuggel synthetischer Drogen aus der Ukraine." Deren Konsum und Herstellung seien während des Krieges rasant gestiegen. Auch möglichen Waffenschmuggel nach dem Krieg müsse man im Auge behalten – auch wenn dessen Ende derzeit nicht in Sicht ist. Jedenfalls sei es ziemlich leicht, auf einem Schleppkahn, etwa unter Tonnen von Getreide, auch größere Dinge gut zu verstecken.

Der GI-TOC-Bericht hält auch Empfehlungen für die Anrainerstaaten bereit. Dazu zählt das verstärkte Teilen von Behördeninformationen: "Die meisten Länder entlang der Donau sind heute EU-Mitglieder und Teile von Europol und sollten Informationen etwas proaktiver austauschen", mahnt Kemp. Auch den Aufbau eines Netzwerks zur Bekämpfung von organisierter Kriminalität schlägt er vor: "Ein Fluss respektiert keine Grenzen, aber die Polizei steckt oft noch in einem Westfälischen Paradigma fest. Nach dem Motto: Du musst nur deine Grenzen kontrollieren, und das ist alles."

In Wahrheit aber müsse man in erster Linie die grenzüberschreitende Zusammenarbeit verbessern, glaubt Kemp: "Man braucht dafür nicht viel Geld. Und man muss die Donau auch nicht militarisieren. Einfach nur Law and Order – das funktioniert nicht an einem Fluss." (Gerald Schubert, 30.6.2024)