Haben Sie sich jemals gefragt, wie aus einem winzigen Ei ein großer, glänzender Käfer entstehen kann? Tatsächlich durchlaufen diese zarten Kreaturen eine Metamorphose, die selbst den besten Verwandlungskünstler vor Neid erblassen lässt. Dabei begeben sie sich auf eine Reise mit drei großen Stationen, die den Großteil ihres Lebens andauern werden: Larve – Puppe – Imago.

Käfer sind in den Entwicklungsstadien Larve, Puppe und Imago zu sehen
Entwicklungszyklus der Käfer.
Marilena Wilding

Aufbruch – Larve

Alles beginnt mit dem Moment, in dem das Weibchen mehrere kleine, weiß-gelbliche Eier an einen geschützten Ort, wie beispielsweise in Totholz, ablegt. Damit wird die Reise des Käfers geplant, zu der er aufbrechen wird und an deren Ende er sich mehrmals vollständig verändert haben wird.
Bereits nach einigen Wochen kommt es zu den ersten vorsichtigen Schritten – die Larve schlüpft. Sie verbringt ihre Tage nun damit, möglichst viel zu fressen und zu wachsen. Ähnlich wie ein Wanderer, der sich langsam seinen Weg durch unbekanntes Gelände bahnt, durchläuft die Larve nun im Laufe eines Jahres drei abgrenzbare Stadien des Wachstums und der Veränderung. Dabei wächst sie immer wieder über sich hinaus und muss in regelmäßigen Abständen ihre alten Hüllen abstreifen.

Nach einiger Zeit beginnt die Larve sich merklich zu verändern. Sie bekommt ein etwas faltiges, einem Michelin-Männchen ähnliches, Aussehen und verfärbt sich von ihrer ursprünglich blau-weißen Färbung gelblich; sie hat begonnen notwendige Fettreserven anzulegen, da sie bis zur vollendeten Entwicklung nun keine Nahrung mehr zu sich nehmen wird. In dieser Phase widmet sie sich außerdem dem Bau einer Zelle, die ihr als Unterkunft und Schutz während der wohl verletzlichsten Zeit ihres Lebens dient – der Puppenphase. Danach verändert sich ihr Verhalten deutlich; sie wird passiv und bewegt sich kaum noch, sofern dies nicht notwendig ist. Die Larve steht nun kurz vor ihrer großen Verwandlung.

In den folgenden Tagen und Wochen wird sie, nun immer häufiger auf dem Rücken liegend, immer wieder kurze Bewegungen zeigen, die sich nur auf den Hinterleib beschränken, oder auch den ganzen Körper in einem wellenartigen Impuls erfassen können. Es scheint, als würde sie für den großen Auftritt proben, bei dem alles reibungslos funktionieren muss. Wenige Stunden vor der Verpuppung befindet sie sich dann in einem Zustand absoluter Ruhe, in dem sie häufig selbst auf Berührungen nicht mehr reagiert.

Die unglaubliche Verwandlung – Verpuppung

Die Haut der Larve ist nun merklich trockener und spannt plötzlich am Körper. Rhythmische Bewegungen, vom Hinterleib bis zum Kopf, durchlaufen den Körper, dem anzusehen ist, dass er den Kräften, die von innen freigesetzt werden, nicht mehr lange standhalten kann. Von einem Moment auf den nächsten – ein unachtsamer Moment und man hat es verpasst – verwandelt sich ihr Körper in eine bloße Hülle, die das eigentliche Lebewesen nur noch schwach umschließt. Mit einem kraftvollen Impuls durchbricht das Innere, die fertig entwickelte Puppe, den alten Kopf und bahnt sich ihren Weg ins Freie. Dabei fällt das Gesicht wie eine Maske nach vorne ab und wird unter rhythmischen Bewegungen mit dem Rest der Haut zum Hinterleib transportiert und schließlich abgestreift. Was unter der Haut zum Vorschein kommt, ist gleichsam unfassbar wie beeindruckend: ein Lebewesen, das optisch nichts mehr mit der eben verschwundenen Larve gemein hat.

Es ist ein fast weißes, leicht transparentes Lebewesen entstanden, dem man die Verletzlichkeit seiner filigranen, neu erschienenen Gliedmaßen deutlich ansieht. Diese Verletzlichkeit verleiht ihr zugleich eine unfassbare Schönheit. Es handelt sich um eine sogenannte frei stehende Puppe, wie sie die meisten Käferarten ausbilden; die Extremitäten, Mundwerkzeuge (Mandibeln) und Flügel sind also frei sichtbar. Die Proportionen einzelner Gliedmaßen werden sich in den nächsten Stunden noch verändern, sobald sich das Blut der Käfer (Hämolymphe) ausreichend im Körper der Puppe verteilt hat. Besonders gut lässt sich das an den Mandibeln erkennen, die nach einigen Stunden bereits deutlich größer sind als kurz nach der Verpuppung.

Prozess der Verpuppung: von der Larve zur Puppe.
Marilena Wilding

Scheinbare Rast – Puppe

Die Puppenphase könnte nun als eine Art Rast auf der Reise angesehen werden, in der die Puppe über mehrere Wochen scheinbar ruht. Nur vereinzelt bewegt sie in dieser Zeit ihr Hinterteil, der einzige noch bewegliche Teil, etwa um ihre Position in der Zelle zu verändern. So wechselt sie häufig zwischen Bauch- zu Rückenlage, um alle Strukturen gleichmäßig aushärten und sich entwickeln zu lassen. Doch tatsächlich ist es eine Phase der Vorbereitung auf die finale Form, also eine Art Aufstieg vor der letzten Etappe, in der im Inneren Erstaunliches vor sich geht! So werden beispielsweise über den Zeitraum mehrerer Wochen die Organe der Larve abgebaut und neue Organe des finalen Käfers (Imago) aufgebaut. Bei genauer Beobachtung kann man aber auch äußere Hinweise der Entwicklung feststellen. Bereits nach einem Tag wird ihr weißer, fast transparenter Farbton zuerst einem Gelb-beige, im Laufe der folgenden Wochen immer kräftigeren hellen Brauntönen, weichen.

Langsam, aber mit der Selbstsicherheit einer durch Millionen von Jahren erprobten Vorgehensweise, wird das einst filigrane weiße Wesen immer mehr einem adulten Käfer ähneln: So werden die ursprünglich weichen Körperstrukturen bereits innerhalb eines Tages deutlich definierter und bald heben sich auch die Augen durch ein getrübtes Schwarz hervor. Nach einigen Wochen gibt die gelb-bräunliche Puppe einen ersten Vorgeschmack auf ihre finale und prächtigste Form: Ihre Körperunterseite beginnt in allen Farben des Regenbogens zu schillern. Außerdem werden zum ersten Mal einzelne Gliedmaßen, wie beispielsweise die Krallen der Imago, unter der immer noch halb-transparenten Hülle der Puppe sichtbar.

Endstation – Imago

Diese Entwicklung vollzieht sich langsam und über mehrere Wochen, sodass man den nächsten Schritt leicht verpassen könnte: von einem Tag auf den nächsten hat sich die eben noch eigenständige Puppe plötzlich in eine straffe, trockene Haut verwandelt, die einen Körper umschließt, der nun bereits die Form eines Käfers erahnen lässt. So sind die Beine bis zur Krallenspitze plötzlich in einem deutlichen Dunkelbraun erkennbar und nur noch schwach von dünner, poröser Haut umhüllt. Der Brustbereich hat sich ebenso dunkel verfärbt und das bunte Schillern ist deutlich stärker geworden. Ein leichtes, regelmäßiges Wippen des um die dünne Puppenhaut gespannten, plötzlich länglichen Hinterteils signalisiert den Eintritt in die letzte große Verwandlung. Mit der Geduld eines Lebewesens, das fast ein Jahr auf diesen Moment gewartet hat, versucht der Körper die Haut, die ihn nun nicht mehr schützt, sondern bloß einzuengen scheint, abzustreifen, wie einen zu klein gewordenen Pullover.

Unter Einsatz des gesamten Körpers werden nach und nach zuerst die beeindruckenden Mandiblen, das Halsschild (Pronotum) sowie die Flügeldecken (Elytren) sichtbar, bis die zusammengeknüllte Haut schließlich neben dem vollendeten Wesen liegt wie eine alte Hülle. Die Flügel sind vorerst noch nicht hinter den Elytren verstaut und jede Berührung könnte den delikaten Körper verformen. Diese unglaubliche Verletzlichkeit der ersten Stunden im Leben der fertigen Imago spiegelt sich auch in der Färbung der Elytren in einem zarten, leicht transparenten, schillernden Weiß wider. Nach einigen Stunden weicht das Weiß einem schillernden Beige, welches sich in den nächsten Tagen in immer dunklere, kräftigere Farben verwandelt.

Entwicklung von der Puppe zur Imago.
Marilena Wilding

Nun folgen ein paar Wochen der Rast, in denen sich einige Organe des Käfers noch vollständig ausbilden; in dieser Phase der Ruhe kann er daher noch keine Nahrung zu sich nehmen. Sobald die letzte Etappe schließlich erreicht ist, gräbt er sich vorsichtig aus seiner Zelle in Richtung der Oberfläche, den ersten Sonnenstrahlen seines Lebens entgegen. Er hat nun einen vollen Terminkalender und muss innerhalb weniger Wochen dafür sorgen, dass schon bald weitere Artgenossen ihre lange Reise antreten können. (Marilena Wilding, 5.7.2024)