Justizministerin Alma Zadić (Grüne) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bei einer Pressekoferenz.
Streiten um Justizreformen: Justizministerin Alma Zadić (Grüne, links) und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP).
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Österreich wird seit vielen Jahren von internationalen Instanzen für sein mangelndes Engagement bei der Korruptionsbekämpfung kritisiert; die politische Abhängigkeit der Strafverfolgungsbehörden und ein ungenügend umgesetztes Korruptionsstrafrecht sind die Hauptpunkte der Kritik. Man sollte meinen, dass die politischen Machthabenden in Österreich alles daransetzen, diese Kritik zu entkräften. Ein Staat, der als korruptionsanfällig gilt, ist auch als Wirtschaftsstandort nicht sehr angesehen.

Die Ibiza-Posse hätte eigentlich einen zusätzlichen Anreiz gegeben, das österreichische Korruptionsstrafrecht sowie das Parteispendenwesen grundlegend zu überarbeiten. Am Ende gab es aber nur einen kleinen Schritt in die richtige Richtung. Nicht genug damit: In dieser Legislaturperiode gab es mindestens drei bemerkenswerte Versuche, die Korruptionsbekämpfung in Österreich erheblich zu erschweren.

Beispiel 1: Am Palmsonntag 2021 veröffentlichte das Innenministerium einen Gesetzesentwurf, in dem gut versteckt eine neue Bestimmung für die Strafprozessordnung vorgesehen war. Nach dieser Bestimmung sollten Sicherstellungen der Staatsanwaltschaft in öffentlichen Ämtern und Behörden nur dann gestattet sein, wenn sich der Verdacht einer strafbaren Handlung gegen die Behördenleitung richtet. In allen anderen Fällen sollte die Staatsanwaltschaft um Amtshilfe ersuchen. Wer jemals in der öffentlichen Verwaltung tätig war, weiß, was das bedeutet: nichts anderes als das Ende der Korruptionsbekämpfung im öffentlichen Raum.

Nach heftiger Kritik zog die Justizministerin die Reißleine. Letztlich unterblieb die Beschlussfassung dieses Gesetzes. Eine wache Zivilgesellschaft sowie Vertreterinnen und Vertreter der Staatsanwaltschaften und der Richterschaft und einiger anderer Stellen hatten heftige Kritik geäußert und auch auf die verheerenden Folgen, die dieses Gesetz auslösen würde, hingewiesen.

Antrag auf Exekution

Beispiel 2: Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss verlangte vom Finanzministerium die Vorlage bestimmter Akten. Das Ministerium verweigerte die Aktenvorlage, der Untersuchungsausschuss rief den Verfassungsgerichtshof an, der den Finanzminister verpflichtete, die Akten unverzüglich vorzulegen. Der Finanzminister kam dieser Aufforderung monatelang nicht nach. Daraufhin musste der Verfassungsgerichtshof beim Bundespräsidenten den Antrag auf Exekution seines Beschlusses stellen. Der Bundespräsident leistete diesem Antrag Folge und beauftragte ein Gericht mit der Exekution. Eine veritable Staatskrise stand ante portas – erstmalig in dieser Form in der Zweiten Republik.

Beispiel 3: Nach einem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes von Ende 2023 wurde eine Neuregelung in der Strafprozessordnung erforderlich. Dabei geht es im Wesentlichen um die Sicherstellung von Mobilfunkgeräten sowie deren Auswertung. Im Juni 2024 – also mehr als ein halbes Jahr danach – beschloss die Regierung eine Regierungsvorlage. Der umstrittene Punkt des vorgelegten Entwurfs ist eine unscheinbare Bestimmung, nach der sichergestellte Mobilfunkgeräte zunächst von der Kriminalpolizei zu bearbeiten sind. Diese – und nicht die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte – sollen eine Sicherungskopie herstellen, die Daten aufbereiten und diese sodann der Staatsanwaltschaft zu Verfügung stellen.

"Man hat offenbar versucht, alle zu überrumpeln."

Diese Bestimmung ist verfassungswidrig, weil nach Artikel 90a der Bundesverfassung strafrechtliche Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft zu führen sind, von der Kriminalpolizei aber nur im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Die Verfassung bestimmt also die Staatsanwaltschaft als "Herrin" der gesamten Ermittlungen. Nach der geplanten Regelung hätten die Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aber erst nach einer Bearbeitung Zugriff auf die Daten, die ihnen die Kriminalpolizei zur Verfügung stellt. Die Kriminalpolizei untersteht dem Innenministerium und ist an dessen Weisungen gebunden. Der Einfluss des Innenministers stieß auf harsche Kritik der Staatsanwaltschaft, der Richterinnen und Richter wie der Zivilgesellschaft.

Die Bundesregierung setzte eine zweiwöchige Begutachtungsfrist, was für dieses Gesetzesvorhaben geradezu als Zumutung gesehen werden muss. Dass die Regierung aber auf Vorschläge begutachtender Stellen auch keinen Wert gelegt hat, zeigt sich daran, dass sie dieses Gesetzespaket bereits während der Begutachtungsfrist im Justizausschuss des Nationalrats beschloss. Auch die Beschlussfassung im Plenum wurde für wenige Tage nach Ende der Begutachtungsfrist angesetzt: Man hat also offenbar versucht, alle zu überrumpeln.

Mit allen Mitteln

Nach derzeitigem Stand ist dies misslungen. Dies aber nur deshalb, weil sich die Staatsanwaltschaften, Richterinnen und Richter und vor allem eine sehr wache Zivilgesellschaft massiv zu Wort gemeldet und auf die Ungeheuerlichkeit dieser Vorgangsweise hingewiesen haben. Abermals zog die Justizministerin im letzten Augenblick die Reißleine. Sie verlängerte die Begutachtungsfrist auf sechs Wochen und erklärte, eine Beschlussfassung im Plenum werde nicht am 3. Juli, sondern erst im September erfolgen. Anders die Verfassungsministerin: Sie drängte bis zuletzt auf einen Beschluss am 3. Juli, konnte sich aber nicht durchsetzen.

Die Versuche, die Korruptionsbekämpfung massiv zu erschweren, die in dieser Legislaturperiode gestartet wurden, sind an Dreistigkeit kaum mehr zu überbieten. Es wurde buchstäblich mit allen Mitteln versucht, die Strafverfolgungsbehörden, insbesondere die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), in Ketten zu legen. Zahlreiche Versuche, diese wichtige Behörde in aller Öffentlichkeit zu diskreditieren, waren für die Betreiber dieser Kampagnen nicht genug. Man wollte auf Nummer sicher gehen und die WKStA auch legistisch fesseln. Anfang September wird man das Schicksal der Strafprozessordnungsreform kennen.

Für die Zivilgesellschaft sollen diese Vorgänge ein Aufruf sein: Seid wachsam! "Das Böse" ist bekanntlich "immer und überall". Schaut den Machthabenden auf die Finger, hört auf die Expertinnen und Experten. Und vor allem: Habt den Mut zum Widerspruch! (Heinz Mayer, 30.6.2024)