Aufmarsch der historischen Legenden zu den Festivitäten.
Porsche

Der Turbolader ist ja heutzutage in fast allen Preissegmenten dank der besseren Leistung und Effizienz sehr beliebt, und in Luft- und Seefahrt wird er auch schon seit fast 100 Jahren verwendet. Bei Pkws hat er allerdings einige Zeit gebraucht, um sich zu etablieren, und Porsche, spezifisch, war einer der Vorreiter auf diesem Gebiet. Seitdem wurde fast jede Baureihe mit einem "Turbo" versehen, manche im Antriebsstrang und manche nur im Namen. Zum Geburtstag präsentiert Porsche ein paar seiner geboosteten Kreationen mit einer kleinen Spritztour durch die baden-württembergische Landschaft.

Für eine solche Verkostung müssen natürlich vergangene Exemplare aus dem Archiv geholt werden, und daher lädt Porsche zu sich nach Hause in Stuttgart ein, wo sich praktischerweise auch das firmeneigene Museum befindet. Das kriegen wir leider nicht zu sehen, sondern werden direkt zum Lager geshuttelt, in dem hunderte historisch relevante Porsches Stoßstange an Stoßstange deponiert sind. Ein Boxster 986, der sagittal halbiert wurde, verschiedene Rennautos aus allen möglichen Klassen, das eine und Gott sei Dank einzige Cayenne Cabrio, das jemals gebaut wurde.

Unter solchen Kuriositäten bekommen wir auch Porsches allerersten Turbo zu sehen, ein Unikat, das Ferry Porsche, Sohn von Ferdinand Senior, seiner Schwester Louise Piëch zum 70. Geburtstag anfertigen ließ. Im Jahr darauf kam auch schon der erste Serienturbo auf den Markt: der 930. Damals war der Turbolader noch derart speziell, dass man ihm eine eigene Modellnummer gab, anstatt ihn nur mittels Suffix zu kennzeichnen.

Weltpremiere Porsche 911 Turbo am 13. September 1973 auf der IAA in Frankfurt, gleich ist der Stand umlagert.
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Auf diesen Events werden meist zwei Journalisten in ein Auto gesetzt und auf vordefinierten Etappen auf die verschiedenen Gefährte verteilt, zu meiner Rechten Didi Hubmann von der Kleinen Zeitung. Mathematisch gesehen kann leider nur maximal ein Duo die gesamte Historie in der richtigen Reihenfolge durchlaufen, in diesem Text werde ich so tun, als wäre uns diese Ehre widerfahren, und in diesem Sinne starten wir gleich im 930 aus 1975.

So ein Zurück zum Ursprung verdeutlicht jedes Mal, wie viel sich so tut, hinter den Kulissen, in der Forschung und Entwicklung. Mit 260 PS hat sich der 911 Turbo als König des öffentlichen Straßennetzes bewiesen, mit einer Leistung, die heutzutage kaum der Rede wert wäre.

Der Turbo und sein Loch

Das Fahrerlebnis ist trotzdem etwas Besonderes. Der damalige Verdichter ist ein rohes Wesen, und wer stupide das Gaspedal quetscht, bekommt ein bis zwei Werktage später einen Schlag in die Wirbelsäule und kann sich glücklich schätzen, nicht quer in den Gegenverkehr zu rutschen. In der Turbotechnologie wird sich noch einiges verbessern, wie der Rest des Tages beweist. Wer eine Chance kriegt, so etwas einmal zu fahren, dem kann ich es nur herzlich empfehlen.

Auf einem Supermarktparkplatz fährt unsere Kolonne vor, gesandwicht zwischen zwei Cayennes des Veranstalters, und alle hüpfen ein Auto weiter. Chronologisch schreiten wir zwar vor ins Jahr 1989, verabschieden uns aber fürs Erste von der 911er-Baureihe und sitzen jetzt in einem Reihenvierzylinder, dem 944.

1973, IAA Frankfurt: Hier noch einmal in Farbe und in voller Pracht zu sehen.
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Es ist der letzte manuell schaltbare Porsche, den wir heute genießen dürfen und eine vergleichsweise gemütliche Fahrt. Der Schalthebel rastet sehr angenehm ein, und es gibt einem ein mechanisches Gefühl, das die zwei Paddles hinterm Lenkrad und die komischen Wipptasten auf dem Lenkrad erst recht nicht replizieren können. Er ist merkbar der Langsamste in der Gruppe, und mir tut der Taycan leid, der hinter uns steckt. Der Turbo meldet sich schon ein bisschen früher, und ich persönlich bin ein großer Fan der Boost-Anzeige, die genau verrät, wie viel Überdruck gerade in die Zylinder gedrückt wird.

Wir überspringen die 90er und den Boxster, weil kein Turbo, und landen im Cayenne Turbo S, damals, sprich 2006, sehr kontrovers, weil kein Coupé oder Roadster. Die Technologie ist fortgeschritten, und der V8 verlangte einen Twinturbo, der den SUV mit 521 PS versorgt, willkommen im 21. Jahrhundert.

Trotz der erheblichen Masse von mehr als zwei 930ern zieht der Brocken schon ordentlich an. Er ist mit 5,2 Sekunden sogar schneller auf hundert als der 911er, sicher auch weil sich das Turboloch drastisch reduziert hat. Ich habe schon öfters erwähnt, dass ich Innen- und Außendesigns dieses Jahrzehnts für eine Katastrophe halte, der Cayenne ist da keine Ausnahme. Echt schircher Kübel, liegt aber überraschend gut in der Kurve.

50 Jahre Porsche 911 Turbo: Blick in den Motorraum.
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Zur Mittagspause machen wir Halt beim Flugplatz Donzdorf, wo eine Demonstration des 956 vorbereitet wurde, mit dem Jacky Ickx 1982 Le Mans und auch die Weltmeisterschaft gewann. Unter einer Tonne, 620 PS, ohrenbetäubender Sound, und ein wunderbarer Benzingeruch liegt in der Luft, den man vermutlich nur in Maßen genießen sollte. Der düst ein paar Mal die Landebahn auf und ab, die leider etwas zu bescheiden ist, um die 352 km/h Höchstgeschwindigkeit voll auszukosten.

Gut gestärkt geht es weiter im ersten Panamera. Wie schon bei seinem viertürigen Kollegen sitzt hier ein V8-Biturbo unter der Motorhaube, das fehlende S kostet aber 21 PS im Vergleich. Beim Einsteigen begrüßt einen die Fußraste mit dem Schriftzug "No Panic", was nicht unbedingt notwendig gewesen wäre. Das Auto fährt sich sehr entspannt und verfügt schon über alle möglichen Assistenzsysteme, die 2010 zu haben waren.

Prozess abgeschlossen

Wir sind in der Gegenwart angekommen – und was für ein Kontrast zum 930. Der aktuelle 911 Turbo ist ein Monster im Vergleich. 580 PS, blitzschnelle Doppelkupplung. Der Innenraum ist riesig, und der Turbo-Lag wurde fast komplett eliminiert. Nächstes Jahr wird dieser Prozess vermutlich vervollständigt sein, mit dem elektrisch angetriebenen Turbolader, der den fehlenden Überdruck bei niedrigen Drehzahlen einfach mit einem Elektromotor kompensiert. Echt beeindruckend, was in 50 Jahren alles möglich ist, und es wirft die Frage auf, was 2074 das Nonplusultra darstellen wird.

Und zum Abschluss das ganze Feld noch einmal von hinten.
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Eine Vorschau liefert heute schon der Taycan Turbo, letzter Turbo des Tages und befreit von jeglichen Kompromissen der Gasannahme. Ja, ich weiß, die Namensgebung ist unbeliebt, ein konsequentes Schema war hier wohl wichtiger als technische Richtigkeit, aber was am Ende zählt, ist die Leistung. 884 PS bei Launch-Control sind schlicht absurd. In 3,5 Sekunden ist man auf 100 km/h, und in dieser Zeit herrscht absolute Reizüberflutung. Ab dann sind es weniger als fünf Sekunden auf 200 km/h.

Der Taycan Turbo GT knackt heute schon die 1000 PS, und der Trend ist tendenziell steigend. Wenn die vergangenen 50 Jahre eine Lektion sind, werden in den 70ern Mittelklassemodelle ähnlich motorisiert sein. (Felix Pisecker, 28.6.2024)