Ein Favorit: Denis Pfabe bei seiner Lesung bei den Tagen der deutschsprachigen Literatur am Freitag.
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Es ging am zweiten Lesetag bei Sophie Stein mit Kat und Andri, den Kat im Urlaub in Rumänien trifft, nahtlos weiter mit Traumatisierten und Gebeutelten. Ist dieser "Text einem philosophisch-literaturwissenschaftlichen Seminar entlaufen", stichelte Klaus Kastberger, fand "angeberisch" viele Adjektive und meinte, dass der Text das "Sonntagsgwandl" (Nestroy) anhabe – nämlich "ganz bewusst auf guten Ausdruck getrimmt" sei. "Können auch Texte von männlichen Autoren ein 'Sonntagsgwandel' anhaben?", wollte Mara Delius wissen. – "Natürlich." – "Dann bin ich beruhigt." Sexismusskandal abgewendet. Figuren, Spannung – letztlich hätten sich aber alle mehr erwartet.

Wieder eine Familiengeschichte, auf verschiedenen Zeitebenen erschüttert vom Nationalsozialismus (die dritte Erwähnung in diesem Bewerb), erzählte der aus einer ungarisch-jüdischen Familie stammende Autor Henrik Szántó. Einst wurden in dem Text die Sternheims aus ihrer Wohnung vertrieben, anno 2024 schlagen Burschen mit Hakenkreuzbinden Schaufenster eines jüdischen Ladens ein. Die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit bekam unisono viel Lob – bis hin zu so "fulminant", dass sogar Ingeborg Bachmann sich gefreut hätte (Kastberger).

Baumarkt und Sex

Wer hätte gedacht, dass ein Text, der in einem Baumarkt spielt, heißeste Gewinnchancen hat? Jetzt jeder! Dorthin nahm Denis Pfabe mit. Brigitte Schwens-Harrant begann mit dem Geständnis, Baumärkte "prinzipiell mal gar nicht" zu mögen. Nicht zuletzt weil Kunden meinten, dort sei ein "Ort, wo man sich Träume kaufen kann". So einer ist auch Pfabes Protagonist, der zwischen Wasserhähnen und Zimmerbrunnen herumstreift, weil nach einer Fehlgeburt sein Familienglück verloren ist. "Meisterhaft" fand die Jury das (5:2). Der "Versuch einer Figur, etwas ganz tief Emotionales mit etwas Technischem zu lösen", fand Laura de Weck, "hat viel mit unserer Zeit zu tun – aber man kann Emotionen nicht fixen".

Die Wiener Autorin Kaśka Bryla in Klagenfurt.
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Es beeindruckte aber auch Olivia Wenzel, bei der eine müde, junge Mutter im Urlaub auf einen schwarzen Ex-Fußballprofi trifft. Rassismus, Privatheit in Zeiten von Podcasts, Milchstau und Sex nach der Geburt – "alles drin", lobte Strässle. Für die Jury ging das großteils "faszinierend", "kunstvoll" und "sehr 2024" auf. Denen, die ihn nicht verstanden, erklärte Wenzel den Text: "Ein Fußballer, der an einer Brust saugt, ist ein konventionelles Bild?" – Delius: "Kommt drauf an, wie man Konvention definiert."

Die Gegenwart setzte sich bei der Wienerin Kaśka Bryla mit Genderidentität, Tiktok, Corona fort. Gulag und Paul Celan bilden im poppigen Text einen Gegenstrom – "geschmacksmäßig am Rand" fand Strässle das. Ein Text wie ein "Instafeed", lobte indes de Weck. Die Mehrheit fand am Ende eines weniger schweren, sondern originell-fantasievollen Tages den Text über "Schmerz" und "Überforderung" gut. (Michael Wurmitzer, 28.6.2024)