Viele Fahrzeuge hintereinander. Die meisten in Zweierreihe, nur Verstappen ist vorne alleine.
Max Verstappen (vorn Mitte) führte das Feld beim Sprintrennen 2023 in Spielberg in die erste Kurve.
AP/Darko Vojinovic

Kurze Distanz, lange Diskussionen. Sprintrennen wie in Spielberg am Samstag um 12 Uhr (live auf Servus TV und Sky) sind in der Formel 1 nach wie vor umstritten. In dem 2021 eingeführten Format müssen die Fahrer deutlich weniger Runden als beim "normalen" Grand Prix am Folgetag absolvieren (in Österreich 24 statt 71 Runden, also rund ein Drittel der Renndistanz). Die Idee dahinter: Zusätzliche Rennaction soll zusätzliche Spannung an einem Rennwochenende bringen.

Mehr Spannung als im Training

Üblicherweise finden am Freitag zwei Trainingseinheiten statt, am Samstag eine dritte und das Qualifying und am Sonntag der Grand Prix. An Sprintwochenenden steigt am Freitag nur ein Training und danach das Sprintqualifying, am Samstag der Sprint und das Qualifying für den Großen Preis. Kurzum: Zwei Trainingseinheiten weniger, dafür mehr Action an jedem Tag. Eine Win-win-Situation für Zuschauer und aus kommerzieller Sicht.

Das formuliert auch die Formel 1 auf der eigenen Website so: "Das Sprintwochenende bietet mehr für Ihr Geld. Viele Zuschauer genießen es, den Autos beim Training zuzusehen, aber das ist nicht jedermanns Vorstellung von Spaß. Das Sprintformat garantiert jeden Tag sinnvolle Action, bei der entweder Punkte oder Startplätze auf dem Spiel stehen."

Höhere Einschaltquoten

Das bestätigen auch die Zahlen. So sagte ORF-Experte Alexander Wurz zum Fachmagazin Motorsport-Total, dass "wir im ORF an einem Sprintwochenende gesamt mehr Zuseher haben als an einem Wochenende ohne Sprint".

Die Formel 1 veröffentlichte eigene Zahlen für die sechs Sprints der Saison 2023. "Sprintsessions kommen bei den Formel-1-Fans besser an als Freie Trainings", fasst Motorsport-Total die Analyse zusammen. Das Qualifying für den Sprint habe 2023 in Brasilien ein um 161 Prozent größeres TV- und Streamingpublikum erreicht als das zweite Freie Training im Jahr 2022. In Österreich betrug der Zuwachs demnach 40 Prozent im Vorjahresvergleich. Fast alle Sprintwochenenden 2023 hätten demnach im Vergleich zu 2022 zumindest ein leicht vergrößertes Gesamtpublikum aufzuweisen. Methodische Einschränkung: Die F1-Zahlen zeigen bloß die prozentuale Entwicklung, aber keine absoluten Werte.

Der dichte Zeitplan an Sprintwochenenden erhöht mitunter auch die Spannung im Hauptrennen. Weil nur ein Training stattfindet, haben Teams weniger Zeit, ihr Auto für den Grand Prix einzustellen. Ein Unsicherheitsfaktor. Max Verstappen (Red Bull Racing) stellte sich auf ein "hektisches und stressiges Wochenende" in Spielberg ein. "Es ist wirklich wichtig, dass wir die Abstimmung des Autos sofort hinbekommen."

Zeitplan und Format mehrmals adaptiert

Das Prozedere an Sprintwochenenden wurde mehrmals adaptiert. Im ersten Jahr 2021 bestimmte das Qualifying am Freitag die Startaufstellung für das Sprintrennen am Samstag, dessen Ergebnis wiederum die Startaufstellung für den Grand Prix am Sonntag festlegte. Im Jahr 2023 wurde ein eigenes Sprintqualifying eingeführt. Zunächst fand dieses am Samstag statt, seit heuer am Freitag. Letztere Änderung erfolgte, da aufgrund der "Parc fermé-"Regel das Set-up der Boliden ab Freitagnachmittag bis zum Rennen am Sonntag nicht mehr verändert werden konnte und Fehler deshalb umso härter bestraft wurden.

Der Zeitplan sorgte immer wieder für Diskussionen. Daniel Ricciardo (Racing Bulls) sagte etwa nach dem Sprint in China: "Ich mag es, am Morgen aufzuwachen und direkt in ein Rennen zu starten." Für Carlos Sainz (Ferrari) ist der Samstag "etwas zu viel". Lando Norris gibt zu bedenken, dass das anspruchsvollere Programm die Mechaniker und Mechanikerinnen zusätzlich stresst.

Drei Männer schrauben an Fahrzeug herum.
Spielberg ist Teil eines sogenannten Triple Headers, also drei Rennen an drei aufeinanderfolgenden Wochenenden. Für Ingenieure (im Bild die Sauber-Garage) ist dies eine besondere Herausforderung.
IMAGO/Jay Hirano

Spekuliert wurde, ob der Sprint in umgekehrter Startaufstellung (Reverse Grid) gestartet werden soll. Ob dies vom Quali-Ergebnis oder vom WM-Stand abhängig sein soll, ist offen. Die Idee dahinter: Die Topfahrer müssen sich durchs Feld pflügen, das erhöhe den Spannungsfaktor.

Unterschiedliche Meinungen

Alexander Wurz sieht die Sprints "sehr kritisch". Er habe Angst, dass dadurch das Hauptrennen am Sonntag irgendwann verwässert werde. Sollte etwa der Reverse Grid im Sprint kommen, führe das vielleicht zur Frage, was man dann mit dem Sonntag mache? "Da muss ich dem Sport die Treue halten, nicht der Show", sagt der Vorsitzende der Fahrergewerkschaft GPDA.

2021 gab es drei Sprints, heuer sechs. Neben dem Red-Bull-Ring in Spielberg sind auch Austin, São Paulo, Lusail, Shanghai und Miami dabei. Servus-TV-Experte Mathias Lauda "hätte nichts dagegen, wenn es sie an jedem Rennwochenende geben würde". Der Freitag habe dadurch einen Riesenmehrwert, der Samstag auch. "Für die Zuschauer und mich als Kommentator ist das spannender", sagte er dem STANDARD. "Ich bin ein Fan des Sprintformats."

Mercedes-Pilot Lewis Hamilton, der im Brasilien-Sprint 2021 vom letzten Startplatz auf Rang fünf vorgerast war, sagte: "Ich mag es, dass wir unterschiedliche Formate haben anstatt dreimal die gleichen Trainingseinheiten."

Verstappen hat sich dagegen mehrmals kritisch zum Sprintformat geäußert. Daran ändert auch nichts, dass er mit neun Siegen bei 14 Austragungen Sprintrekordsieger ist. "Wir sollten es nicht übertreiben, denn wir haben jetzt schon 24 Rennen pro Jahr, plus die sechs Sprints", sagte der Niederländer zuletzt.

Wie sich das Format und die Anzahl der Sprints entwickeln, bleibt abzuwarten. Formel-1-Geschäftsführer Stefano Domenicali sagte zuletzt in einem Interview mit Auto, Motor und Sport, dass es das Ziel sei, in Zukunft mehr Sprintrennen zu etablieren. (Andreas Gstaltmeyr aus Spielberg, 28.6.2024)