Ein Polizist tragt ein Handy in einem Sack weg.
Nach einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs braucht es höhere Hürden für die Abnahme von Handys. Über die Reform ist nun eine intensive Debatte ausgebrochen.
Imago/Christoph Reichwein

Die geplante Reform zu Handysicherstellungen ruft nun auch Österreichs oberste Instanz im Strafrecht auf den Plan. In einer aktuellen Stellungnahme kritisiert der Oberste Gerichtshof (OGH), dass der Gesetzesentwurf die Staatsanwaltschaft von der Aufbereitung der sichergestellten Daten ausschließe. Damit würde ihr "insoweit jede Zugriffs-, Einfluss- und Kontrollmöglichkeit entzogen" werden.

Laut der OGH-Stellungnahme widerspricht der Reformpunkt der gesetzlich vorgesehenen "Leitungsfunktion der Staatsanwaltschaften" im Ermittlungsverfahren und stehe im "Spannungsverhältnis" mit ihrem Recht, sich an Ermittlungen der Kriminalpolizei zu beteiligen und selbst Ermittlungen durchzuführen. Die Beschränkung gehe "über die vom Verfassungsgerichtshof an die verfassungskonforme Regelung der Materie gestellten Anforderungen weit hinaus".

Höhere Hürden

Zum Hintergrund: Bis dato können Handys und andere Datenträger unter ähnlichen niedrigen Voraussetzungen beschlagnahmt werden wie etwa Messer oder Kalender. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat Ende vergangenen Jahres entschieden, dass der Gesetzgeber höhere Hürden einziehen muss. Das Argument: Menschen speichern heutzutage eine Vielzahl an Informationen auf ihren Smartphones. Die Abnahme eines Handys sei ein starker Grundrechtseingriff und müsse strenger geregelt werden.

Ein Reformvorschlag, den die Regierung Mitte Juni präsentiert hat, sieht vor, dass Staatsanwaltschaften künftig ganz konkret benennen müssen, welche Datenkategorien aus welchen Zeiträumen sie aus einem Handy auslesen wollen. Für Kritik sorgt allerdings, wie künftig zwischen der technischen Aufbereitung und der inhaltlichen Auswertung der Daten unterschieden werden soll. Für die Aufbereitung soll ausschließlich eine spezielle Abteilung bei der Kriminalpolizei zuständig sein, nicht aber die Staatsanwaltschaft. Bei der Auswertung sei die Einbindung der Staatsanwaltschaft zudem unklar geregelt, so die Kritik.

Breite Kritik

Die aktuelle Stellungnahme des OGH stützt die Vereinigung österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, die die neue organisatorische Trennung ebenfalls kritisiert. Ähnlich äußert sich das Oberlandesgericht Graz: Dass die "Sicherung und Aufbereitung der Daten ausschließlich durch eine dafür zuständige Organisationseinheit der Kriminalpolizei erfolgen soll", stelle einen "bedenklichen Eingriff in die verfassungs- und einfachgesetzlich abgesicherte Leitungsfunktion der Staatsanwaltschaft" dar. Der Reformpunkt sei "in dieser Form abzulehnen". Derartiges werde "auch vom VfGH nicht gefordert". Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt ortet in seiner Stellungnahme dagegen keine verfassungsrechtlichen Probleme.

Zur Erklärung: Der VfGH gibt in seinen Entscheidungen nur den Rahmen vor, in dem sich das neue Gesetz bewegen soll, macht aber keine konkreten Vorschläge. Im Justizministerium gab es bei Ausarbeitung des Entwurfs offenbar die Auffassung, dass der VfGH die unterschiedlichen Zuständigkeiten bei Aufbereitung und Auswertung sehr wohl verlangt. Andernfalls hätten die Ermittler erst recht wieder unbeschränkten Zugriff auf alle Daten eines Handys, wie Günther Lattacher, stellvertretender Kabinettschef von Justizministerin Alma Zadić (Grüne), kürzlich auf X schrieb. "Wenn ich zur Aufbereitung der bewilligten Daten erst wieder den gesamten Datenträger durchsuchen darf, widerspricht das dem VfGH-E." Lattacher betont zudem, dass die Staatsanwaltschaften in bestimmten Fällen auch eine gerichtliche Aufbereitung beantragen können. Man stehe dazu mit der Vereinigung der Staatsanwälte, den anderen Justizstakeholdern und der Lehre "im ständigen Austausch".

ÖVP erbost

In einer Stellungnahme reagierte Justizministerin Zadić am Dienstag auf die Kritik und kündigte eine Änderung des Gesetzesentwurfs an. Die Begutachtungsfrist soll zudem von zwei auf sechs Wochen verlängert werden. Das Gesetz könnte demnach erst Mitte September, also kurz vor der Nationalratswahl, in geänderter Form beschlossen werden. Die ÖVP hat dafür wenig Verständnis. Schließlich sei der Entwurf im Justizministerium ausgearbeitet und erst vor wenigen Tage mit den Stimmen der Grünen im Justizausschuss beschlossen worden. Es sei unverständlich, warum man sich im Justizministerium nicht längst mit den Stakeholdern im eigenen Ressort abgestimmt habe.

Inwieweit die Justizstakeholder im Vorfeld eingebunden waren, darüber gab es zuletzt übrigens unterschiedliche Auffassungen. Elena Haslinger, Präsidentin der Staatsanwältevereinigung, hatte beklagt, dass die Vereinigung nicht "in die Konzeption des Entwurfs eingebunden" gewesen sei. Im Justizministerium sah man das anders. Zadić betonte, dass in der öffentlichen Begutachtung Einwände vorgebracht worden seien, "die im Vorfeld von Stakeholdern so nicht geäußert worden seien". Auf Nachfrage des STANDARD stellt Haslinger klar, dass ihr im März zwar der Entwurf einer Fachgruppe übermittelt worden sei, die Staatsanwältevereinigung aber eben in die "Konzeption" des Entwurfs nicht eingebunden gewesen sei. (Jakob Pflügl, 28.6.2024)