Alice Weidel und Tino Chrupalla sitzen an einem Tisch.
Die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla stehen parteiintern in der Kritik.
EPA/FILIP SINGER

Schon der Anfang wird nicht einfach. Wenn sich die Delegierten der AfD am Samstag in Essen (Nordrhein-Westfalen) in die Grugahalle auf dem Messegelände begeben, dann wird ihnen vielfacher Protest entgegenschallen. 80.000 Menschen wollen gegen die AfD protestieren. Darunter, so schätzen die Sicherheitskräfte, werden auch 1000 gewaltbereite Störer sein.

"Wir wollen den Samstag bereits frühmorgens mit ein wenig Feuer einleiten, die wir so platzieren, dass der AfD die Anreise zur Grugahalle bereits deutlich erschwert wird", heißt es auf der Internetplattform Indymedia. Und so kam es dann auch: Eine größere Personengruppe habe gegen 5.45 Uhr versucht, eine Sperrstelle zu überwinden, berichtete eine Polizeisprecherin. Dies sei unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken verhindert worden. Es habe bereits mehrere Festnahmen gegeben. Die Polizei appellierte an Demonstranten, "sich von Gewaltaktionen und Störern fernzuhalten". In Essen steht somit der größte Polizeieinsatz der Geschichte der Stadt bevor.

Eigentlich hätte die Stadt die AfD gar nicht beherbergen wollen. Sie kündigte ihr einige Wochen vor dem Delegiertentreffen den Mietvertrag für die Halle. Doch die AfD wehrte sich juristisch und bekam Recht. Sie darf also in Essen tagen.

Auch in der Halle könnte es turbulent werden. Eigentlich lief es für die AfD bei der EU-Wahl am 9. Juni nicht schlecht. Sie konnte, im Vergleich zur Wahl 2019, von elf auf 15,9 Prozent zulegen, im Osten Deutschlands wurde sie sogar stärkste Kraft.

Viele in der Partei sehen das allerdings unter einem anderen Blickwinkel und meinen, dass viel mehr drin gewesen wäre – hätte Spitzenkandidat Maximilian Krah die Partei nicht in Turbulenzen gestürzt. Der sächsische Jurist geriet wegen seiner Nähe zu China und Russland ins Visier der deutschen Justiz, sein Mitarbeiter im EU-Parlament wurde wegen des Verdachts, Spionage für China betrieben zu haben, festgenommen.

"Kein Ruhmesblatt"

Die Unzufriedenen machen die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla für die Aufstellung der Liste verantwortlich und sind sauer. Von Delegierten aus Hessen und Nordrhein-Westfalen kommt ein Antrag mit der Forderung, die Erstellung der EU-Wahlliste künftig in die Hände der Landesverbände zu legen. Denn diese würden die Kandidaten besser kennen.

"Der Europawahlkampf 2024 war hinsichtlich der Kandidatenauswahl kein Ruhmesblatt", heißt es in dem Antrag. Und dass man eine Regelung brauche, die "krisenfest ist und dem Bundesvorstand beim kurzfristigen Ausfall eines Spitzenkandidaten politische Handlungsspielräume lässt".

Nicht zufrieden ist man jedoch auch im Lager der Krah-Anhängerinnen und -Anhänger. Vor allem in Bayern findet man, dass Weidel und Chrupalla Krah nicht ausreichend unterstützt haben. Der Landesverband fordert die Delegierten auf, folgende "Ehrenrettung" für Krah zu beschließen: "Die Alternative für Deutschland versteht, dass auf Lügen und Verdächtigungen basierende Schmutzkampagnen gegen ihre von der Parteibasis gewählten Spitzenkandidaten – aufgrund fehlender Gegenargumente – die einzig verbliebene, demokratiefeindliche Waffe sind, um dem Ruf der gesamten Partei zu schaden und uns innerparteilich zu spalten."

Ringen um Posten

Der Frust könnte sich negativ auf das Wahlergebnis für Weidel und Chrupalla auswirken. Denn auf der Tagesordnung steht die Neuwahl des Vorstands. Parteiintern wird auch ein Szenario durchgespielt, das für Chrupalla noch größeres Ungemach bedeuten würde. Seit einer Satzungsänderung auf dem Parteitag 2022 könnte die AfD theoretisch auch nur von einer Person geführt werden. Bisher waren es immer zwei. Und das aktuelle Duo – Weidel und Chrupalla – will auch gemeinsam weitermachen. Allerdings liegt nun ein Antrag vor, mit dem die Wahl eines Generalsekretärs gefordert wird. Ein solches Amt gibt es bisher in der AfD nicht.

In diesem Antrag steht auch: "Sofern es zwei Bundessprecher gibt, ist die Wahl eines Generalsekretärs nicht möglich." Das bedeutet: Wenn ein Generalsekretär gewählt wird, muss Weidel oder Chrupalla weichen. Es würde dann wohl Chrupalla treffen. Der Sachse hat in den westdeutschen Verbänden weniger Rückhalt als Weidel, die aus Baden-Württemberg stammt. Andererseits: Auf Chrupalla will man vor den drei wichtigen Wahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September auch nicht verzichten. (Birgit Baumann aus Berlin, 29.6.2024)