Im Anton-Proksch-Institut geht die Sorge um. Eine der größten und wichtigsten Suchtkliniken Europas in Wien-Liesing mit jährlich rund 5000 Patientinnen und Patienten bekommt einen neuen Teileigentümer. Derzeit gehört das Anton-Proksch-Institut noch zu 40 Prozent einer Stiftung, die unter anderem die Stadt Wien und der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB) gegründet haben; die restlichen 60 Prozent hält die Vamed AG, der wichtigste Gesundheitskonzern Österreichs. Doch letzterer Teil wird nun abverkauft. Er geht bis Jahresende von der Vamed an einem französischen Private-Equity-Fonds namens PAI Partners, hinter dem ein weiterer US-amerikanischer Investmentfonds und reiche Privatpersonen etwa aus Deutschland und Großbritannien stecken.

reha klinik
Mehr als ein Dutzend Reha-Zentren in Österreich sollen an einen umstrittenen französischen Investor verkauft werden – in den Einrichtungen geht deshalb die Sorge um.
Foto: Heribert Corn

Der Verkauf an PAI ist höchst umstritten – DER STANDARD berichtete ausführlich. Deutschlands Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach im Zusammenhang mit Geschäften von PAI im deutschen Gesundheitssektor von "Heuschrecken". Kritik gab es auch, weil PAI in Frankreich im Jahr 2014 eine der größten Pflegeheimketten Europas namens Domus Vi erworben hatte. Nur drei Jahre später war Domus Vi mit hohem Gewinn an einen fragwürdigen britischen Investor weiterveräußert worden. Seither wird über eine massive Verschlechterung der Behandlungsqualität geklagt.

"Suchtkrankheit und Profitmaximierung"

Nun also schickt sich PAI an, das Anton-Proksch-Institut und rund ein Dutzend weiterer Reha-Zentren in Österreich zu erwerben. Muss man sich Sorgen machen? Ja, meint der Betriebsrat des Anton-Proksch-Instituts. In einem offenen Brief an die Geschäftsführung von Anfang Mai, der dem STANDARD vorliegt, warnte er eindringlich vor dem Deal. "Suchtkrankheit und Profitmaximierung passen nicht zusammen", heißt es in dem Schreiben. Bereits unter der Vamed, die im Jahr 2010 beim Anton-Proksch-Institut eingestiegen ist, habe man "eine schleichende, jedoch in ihrem Ergebnis sehr deutliche und auch in der Fachwelt wahrgenommene Verschlechterung der Behandlungsqualität" miterleben müssen. Heute, schreibt der Betriebsrat, wolle man vor dem Verkauf an PAI "deutlichst warnen".

Anderer Fonds sagte ab

Wie kam es dazu, dass ausgerechnet der sensible Reha-Bereich in Österreich an einen umstrittenen internationalen Fonds geht? Ganz genau weiß man es nicht. Fest steht, dass die Vamed AG in wirtschaftlichen Problemen steckt – und auf Geheiß ihres deutschen Mehrheitseigentümers Fresenius Geschäftsbereiche verkaufen muss. Damit die Verkäufe reibungslos über die Bühne gehen, ist zuvor der österreichische Staat aus der Vamed ausgestiegen. Er war in Form der Beteiligungsgesellschaft Öbag bis vor wenigen Wochen zu 13 Prozent an Vamed beteiligt.

Vamed
Die Vamed AG mit Sitz in Wien muss auf Geheiß ihres deutschen Mehrheitseigentümers Fresenius Geschäftsbereiche verkaufen.
Foto: Imago/CHROMORANGE

Eingeweihte erzählen, dass die Käufersuche für die Reha-Zentren seit ungefähr einem Jahr läuft. Ernsthaft interessiert gewesen sein sollen unter anderem die deutschen Median-Kliniken mit Sitz in Berlin. Auch hinter ihnen steht ein Private-Equity-Fonds, Waterland in Hamburg. Für Private-Equity-Fonds sind Gesundheitseinrichtungen geschäftlich interessant, weil Verträge mit Sozialversicherungen für einen zuverlässigen Fluss an Einnahmen sorgen. Doch die Verhandlungen mit den Median-Kliniken seien gescheitert, erzählt ein Insider. Der Grund: Median wollte nicht alle Reha-Zentren von der Vamed erwerben, sondern nur ausgewählte. Infolgedessen sei schließlich PAI zum Zug gekommen. PAI wiederum weist in einer Stellungnahme an den STANDARD entschieden zurück, dass es Anlass zur Sorge gebe: Man plane "erhebliche Investitionen in das Rehabilitationsgeschäft von Vamed", um "die Qualität der medizinischen Versorgung weiter zu verbessern", heißt es.

"Alle rechtlichen Möglichkeiten"

Trotz solcher Beteuerungen sorgt der Deal auch in der Politik für Aufsehen – vor allem bei der SPÖ, die sich im Wahlkampf das Thema Gesundheit auf die Fahnen heftet. SPÖ-Chef Andreas Babler nennt den Verkauf der Reha-Zentren auf Twitter "einen Skandal, über den die Regierung kein Wort verliert". Klubobmann Philip Kucher will die Hintergründe des Öbag-Ausstiegs aus der Vamed mittels parlamentarischer Anfrage aufklären.

Außerdem zu Wort meldet sich die burgenländische SPÖ von Hans Peter Doskozil, wo das Gesundheitszentrum in Bad Sauerbrunn zu den betroffenen Einrichtungen zählt: Die türkis-grüne Bundesregierung möge "alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um den Verkauf der Vamed-Anteil an PAI Partners zu verhindern", hieß es in einer Resolution im Landtag von Eisenstadt von dieser Woche. Überdies solle auch "der Verkauf der Öbag-Anteile (13 Prozent) an der Vamed sofort rückgängig" gemacht werden. Diese Forderung erhob Doskozil auch am Freitag in einem Brief an Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). "Mich ärgert besonders, dass der Bund scheinbar ganz bewusst ausgestiegen ist, um die Zerschlagung der Vamed mit einem anschließenden Ausverkauf an Investoren zu ermöglichen", meinte darin der burgenländische Landeshauptmann.

"Seit dem Privatisierungsauftrag der österreichischen Bundesregierung im Jahr 1996 und dem Mehrheitsverkauf der Vamed an den Fresenius Konzern verfügte die Öbag in den letzten Jahren über keinerlei Mitwirkungs- oder Vetorechte bei der Vamed und war auch nicht im Aufsichtsrat vertreten", teilte die Öbag am Samstag in einer Stellungnahme mit. Die Staatsholding sei während der Umstrukturierungsbemühungen in regelmäßigem Austausch mit Fresenius gewesen, um zu erreichen, dass für kritische Einrichtungen eine Lösung im Sinne der Patienten gefunden werde. Die Letztentscheidung sei aber beim Hauptgesellschafter gelegen, die Öbag hätte keine Möglichkeit gehabt die Entscheidung zu beeinflussen oder zu verhindern, heißt es in dem Schreiben, dass der APA vorliegt. (Joseph Gepp, red, APA, 28.6.2024)