Wien – Es muss enervierend sein, bei jedem Interview auf die zwei Verhaltensauffälligen innerhalb der eigenen Partei angesprochen zu werden. Und so sagte SPÖ-Chef Andreas Babler am Donnerstag im ZiB 2-Interview bei Marie-Claire Zimmermann auch, dass es ihn langweile, immer über Hans-Peter Doskoszil und Georg Dornauer sprechen zu müssen. Langeweile hin, Lust auf Aufbruchsstimmung her: Weil Doskozil eben Doskozil ist und auch Dornauer nicht aus seiner Haut kann, wird das wohl bis zur Nationalratswahl Ende September 2024 so bleiben. Diese Debatte wird er nicht los. Freundschaft sieht anders aus!

"Offener Dreikampf"

Obwohl er es nicht geschafft hat, die Partei zu vereinen, rechnet Babler mit Platz eins bei der Wahl: "Ich gehe davon aus, dass wir Erster werden können." Mut würden ihm die Umfragen machen, die er zu seinen Gunsten interpretierte. Trotz des dritten Platzes in den Prognosen, hinter der FPÖ und der ÖVP liegend, sehe er aufgrund der Schwankungsbreite einen "offenen Dreikampf". Ansonsten brachte Babler in dem Interview eine ganze Reihe an Themen aufs Tapet, mit denen die SPÖ in den Wahlkampf gehen werde – von der Pflege über die Pensionen bis zur "Erderhitzung" und den Kinderrechten.

ZIB 2: "Angetreten um diese Wahl zu gewinnen"
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In puncto Migration möchte er die Asylanträge in Österreich reduzieren und gleichzeitig für eine gerechte Verteilung innerhalb der EU kämpfen. Er stehe für Menschlichkeit, Ungarn will er an die Einhaltung des Rechts erinnern. Die Crux an manchen Sommerinterviews in der ZiB 2 ist, dass nicht viel mehr als Überschriften überbleiben, wenn die Themenpalette so breit ist. Alles ist nichts. Die Sommergespräche sind ein besserer Boden dafür.

Rangnick und die Teamleistung

Mit Querschüssen aus den eigenen Reihen ist ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick derzeit nicht konfrontiert. Ganz im Gegenteil. Wenige Minuten nach Babler demonstrierte er im Interview eindrucksvoll, was möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen und ein Rädchen ins andere greift. Von der Mannschaft über die Co- und Fitnesstrainer bis zum "besten Teamkochs" Deutschlands, Pardon, sogar Europas, hätten alle ihren Anteil am Erfolg der österreichischen Nationalmannschaft, die bei der Europameisterschaft in Deutschland im Achtelfinale steht. "Wir haben in allen Bereichen Topleute", sagte er. Was sich in den vergangenen zwei Jahre entwickelt habe, basiere auf Teamwork. Da kann Babler nur neidig werden.

Nicht jeder Trainer muss einer sein wie Ex-Freiburg-Trainer Christian Streich und über Politik und Ideologie öffentlich philosophieren, aber wenn es auch andere freiwillig tun, ist das umso schöner. Und so schloss Rangnick am Donnerstag in der ZiB 2 an jenes Interview an, das er im Vorfeld der EM dem STANDARD gab. Es resultierte in einem Plädoyer für Menschlichkeit und eine klare Kante gegen Rechtsextremismus. Er, Rangnick, sei nicht nur Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft, sondern auch Vater zweier erwachsener Söhne "und hoffentlich auch einmal Großvater". Bereits in jungen Jahren habe er sich für gesellschaftspolitische Positionen interessiert.

Auf dem "rechten Auge wachsam"

"Wir leben in so einer bewegten Zeit, dass man nicht mehr sagen kann: Das eine ist Sport, das andere Politik, und die beiden Dinge haben nichts miteinander zu tun", so Rangnick. Er halte es für wichtig, dass Personen, die in der Öffentlichkeit stehen, Position beziehen. Die Geschichte Österreichs und Deutschland der letzten 100 Jahre sollte "uns Lehre genug sein". Wer immer noch nicht verstanden habe, "was uns ins Verderben geführt hat und was zu den schlimmsten Verwerfungen geführt hat, die man sich nur vorstellen kann, dem kann man wirklich nicht helfen". Wir müssten gerade "auf dem rechten Auge sehr wachsam sein und aufpassen".

ZIB 2: ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick
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Die Entwicklungen, die in Deutschland und Österreich stattfänden, könne man nicht gutheißen, sagte Rangnick und meinte den Ausschlag nach rechts. Die Nationalmannschaften seien Musterbeispiele für gelungene Integration und Diversität. So stelle er sich das nicht nur im Fußball vor, sondern auch im normalen Leben: "Dass wir uns gegenseitig schätzen, dass wir uns wertschätzen, dass wir uns anerkennen und nicht nach irgendwelchen Kriterien Menschen bewerten, die über das Zwischenmenschliche hinausgehen."

Dass sich ein Mensch wie Ralf Rangnick, der in Österreich fast den Status eines Nationalheiligen genießt, politisch so äußert, kann man ob seiner Vorbildwirkung nicht hoch genug schätzen. Vor allem dass seine Botschaften für Toleranz und Menschlichkeit gerade auch in einem Milieu wie dem Fußball ein Echo finden, wo ansonsten nicht immer Respekt und Wertschätzung dominieren. Chapeau, Herr Teamchef! (Oliver Mark, 28.6.2024)