Joe Biden wollte die TV-Debatte mit Donald Trump nutzen, um endlich in die Offensive zu kommen
Joe Biden wollte die TV-Debatte mit Donald Trump nutzen, um endlich in die Offensive zu kommen.
AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS

Sorgen gab es schon vor der Debatte, und es dauerte nicht lang, bis sie sich bestätigten: Schon nach wenigen Sätzen stand US-Präsident Joe Biden in der ersten TV-Diskussion mit Donald Trump schweigend da. Der 81-Jährige war im Satz steckengeblieben und wusste offenbar nicht weiter. Als es dann doch weiterging, endete der Satz, in dem er eigentlich auf seine Errungenschaften bei der medizinischen Versorgung älterer Menschen hinweisen wollte, im Nichts. Sein Konkurrent musste Biden nur noch grinsend beipflichten, der Schaden war angerichtet. Biden, der laut Aussagen seines Wahlkampfteams bei der Diskussion an einer Erkältung litt, hatte die Debatte schon nach wenigen Minuten verloren: Er hatte alle Vorurteile über sein Alter und seinen Zustand bestätigt.

Dass sich seine Performance im Lauf der Debatte noch zum Besseren wenden sollte und er Trump teils inhaltlich glaubhaft entgegentreten konnte – das wird in der Nachbetrachtung wohl eine Randnotiz bleiben. Zu sehr überschatten Bidens langsame Bewegungen, seine heisere und teils verwaschene Sprache und seine mehrfachen kurzen Aussetzer mitten im Satz die Performance. Im Schatten bleibt daher auch die Tatsache, dass sein republikanischer Widersacher ein wahres Lügenfeuerwerk zündete. Bereits kurz nach Ende der Diskussion kannten die US-Medien eigentlich nur noch ein Thema: Was können die Demokraten nun tun, um das Rennen um die Präsidentschaft doch noch zu gewinnen? Und wie könnte Biden zum Rückzug bewegt werden?

Donald Trump und Joe Biden bei der Debatte
Donald Trump und Joe Biden bei der Debatte.
GETTY IMAGES NORTH AMERICA/MARIO

Dass die Debatte so lief, wie sie lief, liegt wohl auch an dem ungewöhnlichen Diskussionsformat, das der veranstaltende Sender CNN gewählt hatte: Die Kandidaten hatten jeweils mehrere Minuten Zeit, um auf Fragen zu antworten, wurden dabei aber nicht von den Moderatoren unterbrochen. Beide nutzten diese Konfiguration, um den Fragen mehr auszuweichen, als sie zu beantworten, wobei Trump von dieser Möglichkeit noch deutlich mehr Gebrauch machte als sein Gegner. Faktenchecks lieferten die beiden Moderatoren Dana Bash und Jake Tapper nicht. Viele Falschbehauptungen Trumps blieben daher unwidersprochen stehen.

Video: TV-Duell: Biden entsetzt selbst Demokraten, Trump lügt
AFP

"Uns trennt ein Ozean"

Beim Thema Abtreibung, einem der vermeintlich stärksten Themen Bidens, verloren sich beide in Details. Trump betonte, er würde seine umstrittenen Höchstrichterbestellungen, die letztlich das Ende des Abtreibungsrechts möglich machten, wieder so fällen, wie er sie einst getroffen hatte. Seinem Gegner warf er vor, dieser unterstütze "Abtreibungen nach der Geburt", was selbstverständlich auch in den USA Mord wäre und stets verboten war. Biden wies dies zurück und betonte das Recht von Frauen, über ihren Körper zu entscheiden. Die Politik habe in diesen Fragen nichts zu suchen.

Beim Thema Migration, das eigentlich Trump nützen sollte, verfingen sich beide vor allem in einem Streit darüber, wer mehr für Veteranen getan habe. Und bei der Außenpolitik mäanderten beide zwischen dem desaströsen Afghanistan-Abzug und den bekannten Positionen zur Ukraine hin und her, die Biden weiter unterstützen will, während sich Trump ambivalent gab. Immerhin trenne die USA von Europa ein Ozean, man müsse daher mehr von den europäischen Staaten verlangen, wie er sagte.

"Moral einer streunenden Katze"

Einen seiner besseren Momente hatte Biden in der Debatte rund um den Sturm auf das Kapitol, als er Trump die Unterstützung rechter Putschisten nachzuweisen versuchte, während dieser sich erneut nicht zu einer Verurteilung hinreißen ließ. Und als es nach einer Frage zum Thema Kinderbetreuung vor allem darum ging, ob die USA in der Welt wirklich, wie von Trump behauptet, ausgelacht würden. "Wir sind das am meisten bewunderte Land der Welt", gab Biden zurück, und seit er wieder Präsident sei, würden die Staaten der Welt den USA auch wieder vertrauen. Trump hingegen habe "die Moral einer streunenden Katze". Wenig später war von der Souveränität wieder wenig übrig, als sich Biden mit Trump in einen Streit darüber verwickeln ließ, wer von beiden das bessere Golfhandicap gehabt habe. Wenig verständlicher verlief eine folgende Debatte über die Frage von Trumps Verurteilungen.

Etwas steif gingen beide dann das Thema Alter an, das die CNN-Moderatoren auch direkt ansprachen. Biden reagierte mit dem Hinweis, dass er die längste Zeit seiner Karriere stets der Jüngste in seinem Job gewesen sei – und mit Verweisen auf seine Errungenschaften. Trump forderte Biden hingegen auf, einen medizinischen Test zu machen, "zumindest einen ganz einfachen".

Das Urteil jedenfalls war da längst gefällt. "Biden is toast" titelte das Magazin Politico, das mit diesen Worten einen Insider der Demokratischen Partei zitierte. Schon während der Sendung hätten sich viele besorgte Stimmen aus dem Kreis der Demokraten bei den Journalisten der Publikation gemeldet und ihre Hoffnung ausgedrückt, dass sich vielleicht doch noch ein neuer Kandidat oder eine andere Kandidatin finden ließe. Auch bei CNN selbst wurde unmittelbar nach dem Ende der Diskussion schon andiskutiert, ob sich der Präsident nicht vielleicht doch lieber aus dem Rennen zurückziehen sollte. Der republikanische Meinungsforscher Frank Luntz berichtete, dass aus einem Panel unentschlossener Wählerinnen und Wähler zwar weiterhin viele Trump nicht gut fänden, sich aber kein Einziger gefunden habe, der nach diesem Auftritt nun Biden seine Stimme geben wolle. Laut einer Schnellumfrage von CNN sahen 67 Prozent Trump als Sieger der Debatte, 33 Prozent Biden.

Tausch schwierig, aber möglich

Ein Austausch des Kandidaten, zumal eines amtierenden Präsidenten, wäre so spät im Wahlkampf jedenfalls Neuland und in einigen Bundesstaaten rechtlich zumindest kompliziert. Eine solche Aktion würde die Demokraten außerdem vor einige interne Probleme stellen. Möglich wäre sie nur dann, wenn Biden, der die demokratischen Vorwahlen ja deutlich gewonnen hat, selbst verzichtet. Dann allerdings wären die Delegierten, die eigentlich beim Parteitag von 19. bis 22. August in Chicago für ihn stimmen sollten, in ihrer Entscheidung frei. Sie würden dann per Mehrheit entscheiden.

Auch kandidieren könnten dann wieder alle, die sich das Amt zutrauen und in der Partei über ausreichenden Rückhalt verfügen. Einem oder einer der beliebten Gouverneure aus der Partei könnte es dann womöglich gelingen, das Bekanntheitsdefizit in der verbleibenden Zeit auszugleichen. Ambitionen werden unter anderem dem Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, der Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, und dem Regierungschef von Pennsylvania, Josh Shapiro, nachgesagt – bisher allerdings jeweils für die Wahl im Jahr 2028.

Ein Problem bliebe für die Demokraten aber dann jedenfalls noch bestehen: Realpolitisch wäre es wohl schwierig, Vizepräsidentin Kamala Harris als erste schwarze Frau mit der konkreten Möglichkeit zur Kandidatur so einfach zu übergehen. Harris aber ist in Umfragen noch unbeliebter als Joe Biden. Zumindest war dies der Stand vor der Debatte. (Manuel Escher, 28.6.2024)