Trix und Flix waren hässlich, konnten aber nichts für Österreichs Abschneiden bei der EM 2008. Teamchef Josef Hickersberger war damals 60 Jahre alt.

Dem ehemaligen Teamchef Josef Hickersberger geht es den Umständen entsprechend gut, wobei die Arthrose den 76-Jährigen nervt. Speziell das Knie ist nachhaltig beleidigt. "Auch eine Folge des falschen Trainings." Als Kicker war er an Córdoba aktiv beteiligt, aber darüber und auch über Färöer spricht man nicht. Es geht um die laufende EM, die österreichische Mannschaft ringt ihm Begeisterung ab. Hickersberger freut sich über den Anruf aus Berlin.

STANDARD: Wie intensiv verfolgen Sie die Fußball-EM?

Hickersberger: Ich schaue mir praktisch alle Spiele an, man hat ja sonst nichts zu tun. Ich sitze daheim allein und hochkonzentriert vor dem Bildschirm. Assistenten brauche ich keine mehr.

STANDARD: Daraus lässt sich messerscharf schließen, dass Sie die drei Partien der Österreicher konzentriert gesehen haben. Wie lautet Ihr Fazit?

Hickersberger: Österreich hat mich sehr positiv überrascht, das gesamte Paket passt. Ich gebe für die drei Partien die Note summa cum laude. Das 3:2 gegen die Niederlande hat noch rausgestochen, aber eine bessere Note muss erst erfunden werden. Ich hoffe, es geht weiter so.

STANDARD: Was zeichnet die Mannschaft aus?

Hickersberger: Es ist eine ausgezeichnete Mannschaft im wahrsten Sinne des Wortes. Einer läuft und kämpft für den anderen. Und wir haben überragende Einzelspieler.

STANDARD: Hat Ihnen irgendein Spieler besonders imponiert?

Hickersberger: Es wäre unfair, einen hervorzuheben, egal ob Sabitzer oder irgendeinen anderen. Jetzt habe ich doch den Sabitzer hervorgehoben, mein Fehler. Alle stellen sich in den Dienst der Mannschaft, das ist wunderbar. Die Harmonie stimmt offensichtlich.

Hickersberger hält nichts von Rangnicks Heiligsprechung. Das dürfe ja nur der Papst.
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STANDARD: Ist Österreich mehr als ein Geheimfavorit?

Hickersberger: Mit dem Begriff Geheimfavorit tue ich mir schwer. Aber allein, dass er von internationalen Fachleuten verwendet wird, ist für so ein relativ kleines Land eine große Ehre. Vorschusslorbeeren bringen eigentlich nichts, aber die Mannschaft ignoriert sie ohnedies. Sie ist auf das Wesentliche fokussiert, spielt einfach guten Fußball.

STANDARD: Gegen die Türkei ist Österreich aber schon Favorit, da kann man das geheim streichen, oder?

Hickersberger: Ja, streichen Sie es meinetwegen.

STANDARD: Wie hoch ist der Anteil von Teamchef Ralf Rangnick am Erfolg? Naht die Heiligsprechung?

Hickersberger: Heiligsprechung wäre übertrieben. Das darf bekanntlich nur der Papst tun, und der hat andere Sorgen und Probleme als eine Fußball-EM und einen österreichischen Teamchef. Aber Rangnick ist hervorragend, er hat einen Plan und soziale Kompetenz, es funktioniert, er hat alles im Griff, trifft die richtigen Entscheidungen. Es läuft schon längere Zeit wie am Schnürchen. Das ist sicher sein Verdienst.

STANDARD: Bei der Heim-EM 2008, als Sie der Rangnick waren, lief wenig am Schnürchen. Warum? Lag es auch am im Vergleich zu heute doch mäßigen Spielerpersonal?

Hickersberger: Ich beginne auch 16 Jahre später mit Selbstkritik. Ich habe Fehler gemacht, war nicht gut genug. Es ist müßig, über die Qualität des damaligen Kaders zu reden. Außerdem musst du als Trainer die Spieler immer in Schutz nehmen, das tue ich hiermit.

STANDARD: Zurück zu 2024. Wie schätzen Sie generell das Niveau ein? Wer wird Europameister?

Hickersberger: Das Niveau ist eigentlich gut. Wer Europameister wird, kann ich nicht sagen, ich bin auch kein Freund von Prophezeiungen, da bin ich vorsichtig. Es gibt viele starke Mannschaften, ob wir ein Kandidat sind, weiß ich nicht. Bereits das Viertelfinale wäre ein Traum, der Traum vom Halbfinale schlummert in mir noch tief, ist kein Thema. Wird er aber doch wahr, würde ich persönlich anreisen. Und im Idealfall das Finale mitnehmen.

STANDARD: Wer oder was hat Sie bisher enttäuscht?

Hickersberger: England. Man hätte schon erwarten können, dass eine Mannschaft, die vorne einen Harry Kane hat, in der Lage ist, ihn mit Bällen zu füttern. Ist sie bisher nicht. Wir füttern uns gegenseitig. Ohne satt zu werden. (Christian Hackl, 28.6.2024)