Der Autor Erwin Riedesser, der früher Buchhändler war, wohnt seit 40 Jahren in einer Altbauwohnung in Wien-Neubau. Der Blick auf sein Bücherregal ist für ihn Meditation.

"Ich wohne seit 40 Jahren in dieser Altbauwohnung im siebenten Bezirk. Damals war in der Gegend noch vieles anders. Es gab noch keine Bobos, und die Wohnungssuche war nicht so schwierig.

Erwin Riedesser in seiner Wohnung im siebenten Bezirk. Das Bücherregal ist gefüllt mit seinen Herzensbüchern.
Lisi Specht

Das hier war eine typische Studentenwohnung. Überzeugt hat mich, dass sie zentral gelegen ist und trotzdem wahnsinnig ruhig und grün. Wenn ich aus dem Fenster schaue, sehe ich die Bäume im Innenhof. Das alles machte sie für mich zur Traumwohnung – auch wenn bei meinem Einzug noch die Raufasertapeten an den Wänden klebten und alles vollgestellt war.

Zuvor hatte ich in Wien bereits in unterschiedlichen Wohngemeinschaften gelebt. Eigentlich komme ich ja aus Vorarlberg, aber ich wusste schon früh, dass ich wegwill. Das Land ist schön – aber die Möglichkeiten schienen mir damals eng. Später hat es mich darum erst nach Berlin und dann nach Wien verschlagen.

Das große Bücherregal habe ich seit 15 Jahren. Es ist der Traum eines jeden Buchhändlers, eine Auswahl seiner Lieblingsbücher an einem Ort versammelt zu haben. Ich hatte in der Pandemie wahnsinnig viel zu tun, weil die Leute viele Bücher gekauft haben. Aber wenn ich mal Zeit hatte, bin ich in meinem Lesesessel am Fenster gesessen und hab auf das Regal geschaut. Das ist Meditation. Die Bücher sind alle Herzensbücher. Sie haben alle eine Bedeutung.

Aber das Leben verändert sich, und daher auch die Ordnung der Bücher. Denn irgendwann ist das Interesse an diesem oder jenem Thema vielleicht wieder vorbei. Andere Bücher begleiten mich dafür ein Leben lang. Und manchmal finde ich ein Buch sogar auf einen Griff.

Detailaufnahmen vom Wohngespräch mit Erwin Riedesser. Zu sehen ist sein Schreibtisch.
An seinem Schreibtisch lässt Erwin Riedesser sich von seiner Wohnung inspirieren.
Lisi Specht

Auch im Rest der Wohnung kommen immer wieder Dinge dazu. Die Bilder an den Wänden verändern sich öfter. Derzeit hängt zum Beispiel ein Satellitenbild der Kanarischen Inseln im Wohnzimmer, weil ich gemeinsam mit Rotraut Schöberl Krimis über die Kanaren schreibe.

Ich würde sagen: Die gesamte Einrichtung ist mein persönlicher Stil. Ich hab dafür aber kein Abo von Schöner Wohnen abgeschlossen. Das hat sich alles mit den Jahren zusammengeläppert. Die Trommel beim Lesesessel hab ich aber erst vor kurzem bekommen, weil ich einen besonderen Beistelltisch wollte. Beistelltisch, so ein hässliches Wort! Der stand jedenfalls beim Wyhnalek draußen in Wiener Neudorf. Aber im Großen und Ganzen ist es jetzt hier so, wie es gehört.

Detailaufnahmen vom Wohngespräch mit Erwin Riedesser. Zu sehen ist sein Beistelltisch, der eine Trommel ist.
Die Trommel beim Lesesessel hat der Autor sich erst vor kurzem als Beistelltisch gekauft.
Lisi Specht

Vor 20 Jahren war ich vorübergehend Single und hatte ein bisschen Geld, was nicht immer der Fall ist. Damals habe ich die Wohnung renovieren lassen. So verschwand also die Textiltapete. Die Küche wurde neu gemacht. Aus der Dusche in der Küche wurde damals eine Badewanne, von der aus ich heute die Bäume im Innenhof im Blick habe. Und die Styropordecken in diesen wunderbar hohen Räumen wurden damals auch entfernt.

Ich habe hier nur selten Gäste, weil ich kein perfekter Gastgeber bin – das jetzt ist eine Ausnahme. Aber am Wochenende ist meine Tochter bei mir, die ihre Katze mitbringt. Dieses Haustier auf Zeit ist sehr unkompliziert. Es ist eine Britisch Kurzhaar, die schläft also quasi beim Gehen ein, da muss man nichts in Sicherheit bringen – höchstens sich selbst, wenn sie hungrig ist.

Detailaufnahmen des Wohngesprächs mit Erwin Riedesser. Zu sehen sind sein Bücherregal und sein Bett.
Vor 20 Jahren wurde die Wohnung umfassend renoviert.
Lisi Specht

Ich bin nicht nur viel auf den Kanarischen Inseln, ich bin auch jedes Jahr in Griechenland. Dort, im Südwesten Kretas, ein Haus zu haben, das wäre wunderbar anregend zum Bücherschreiben. Wobei mich auch diese Wohnung in Wien beim Schreiben sehr inspiriert – vielleicht wird in einem meiner Bücher ja einmal ein Serienmörder in so einer schönen, atmosphärischen Wiener Altbauwohnung leben.

Es sind jedenfalls schon viele Beziehungsromane in dieser Wohnung vom Leben geschrieben worden. So ist das eben, wenn man älter wird. Aber die Wohnung war immer die Konstante in meinem Leben." (PROTOKOLL: Franziska Zoidl, 1.7.2024)