Bill (li.) und Tom Kaulitz während eines gemeinsamen Roadtrips.
Netflix

Sie sind ziemlich unterschiedlich, diese beiden Brüder. Das ist bereits nach wenigen Minuten Kaulitz & Kaulitz klar. Da ist Tom Kaulitz, eine Art Hausmann im Mehrfamilienhaushalt Klum. Und dann ist da Bill Kaulitz, Single und rastlos nach der Liebe suchend. Während Tom die Türen zum Imperium Klum-Kaulitz weitestgehend geschlossen hält, folgt die Kamera Bill bis in den Kühlschrank seines Häuschens in den Hollywood Hills.

Berühmt wurden die Zwillinge mit einem Song, das war 2005. Die beiden gebürtigen Magdeburger waren zusammen mit zwei weiteren Bandmitgliedern Tokio Hotel. "Durch den Monsun", brüllten die Teenager von damals und dann: "Hinter die Welt, ans Ende der Zeit, bis kein Regen mehr fällt, gegen den Sturm, am Abgrund entlang, und wenn ich nicht mehr kann, denk ich daran". Bill trug Lidschatten und schwarz gefärbte Haare, Tom Baggy-Hosen und Dreads. Es folgten Tourneen, Bravo-Cover, Horden an aufgewühlten Fans. Konzerte, Plattenverkäufe und Merchandise haben Bill und Tom in den Nullerjahren zu Millionären gemacht, 2010 die Flucht nach Los Angeles.

Die Marke Kaulitz

Heute sind die beiden eine Marke und so was wie der moderne Aufguss des deutschen Unterhaltungszampanos Thomas Gottschalk. So wie er das lange tat, leben die ungleichen Zwillinge in Los Angeles, verdienen ihr Geld aber hauptsächlich auf dem deutschsprachigen Markt. Und ja, mittlerweile vor allem auch mit Unterhaltungsformaten: Als Juroren bei The Voice of Germany, mit der Show That's my Jam und nicht zuletzt als Podcaster für Kaulitz-Hills – Senf aus Hollywood.

Annäherung beim gemeinsamen Roadtrip: Bill und Tom Kaulitz.
Netflix

Wer die beiden ungleichen Brüder aus diesen Formaten kennt, ahnt schon, wie die Netflix-Serie funktioniert. Sie lebt von den gegensätzlichen Charakteren der beiden, dem exaltierten Bill Kaulitz und seinem zurückhaltenden Pendant. Eine blöde Realityshow ist das Format dennoch nicht. Das ist dem bodenständigen Glamour zu verdanken, den die Magdeburger zwischen Waffelbacken, Arztbesuchen, Führerscheinprüfung, Botox-Terminen und einem gemeinsamen Roadtrip ausstrahlen.

Die Pendelei zwischen Hollywood Hills und Mama Charlottes Heim mit Sektflöten und Kuchen aus dem Supermarkt wirkt authentisch, ist unterhaltsam und zeitweise auch berührend. So wie Bills Erzählungen über Tokio-Hotel-Zeiten, in denen sich der queere Popstar als heterosexueller Mädchenschwarm inszenieren musste. Und später mit homophoben Anfeindungen konfrontiert war. Ein Happy End mit Oktoberfest-Flirt Marc Eggers geht sich für ihn in der ersten Staffel zwar nicht aus. Doch irgendwie lässt das offene Ende der achten Folge auf neue Liebesgeschichten hoffen. Denn eines ist sicher: Die Geschichten der Brüder Kaulitz sind noch nicht auserzählt. (Anne Feldkamp, 28.6.2024)