Im ausgehenden 17. Jahrhundert vor Christus geht im Alten Ägypten das Mittlere Reich zu Ende, die Hyksos stehen fast schon vor der Tür. Im Zweistromland erleben die Babylonier dagegen ihre erste Blütezeit, auf Kreta werden die großen minoischen Paläste nach einem Erdbeben gerade wieder aufgebaut. Und im Norden Sibiriens sterben die letzten Wollhaarmammuts der Erde.

Das Bild von einem Mammut neben den ägyptischen Pyramiden erscheint zwar wie eine irreale Szenerie, aber es ist keineswegs anachronistisch. Während das Mammuthus primigenius, das Wollhaarmammut, vor 11.000 Jahren am Ende des letzten eiszeitlichen Kälteeinbruchs aus Europa verschwand, konnten sich in anderen Teilen der Welt für eine Weile noch Restbestände erhalten.

Illustration eines Mammuts auf Wrangelisland
Das Verschwinden der Mammuts von der Wrangelinsel ist immer noch weitgehend rätselhaft. Folgen genetischer Inzucht könnten eine Rolle gespielt haben. Laut einer aktuellen Studie dürften diese aber nicht den Ausschlag für das Ende der Population gegeben haben.
Illustr.: REUTERS/Beth Zaiken

Eiserne Inselbewohner

In Nordamerika existierte bis vor 5700 Jahren eine Population auf einer der Pribilof-Inseln, wahrscheinlich ein Überbleibsel der Mammuts von der einstigen Beringia-Landbrüche zwischen Asien und Amerika. Etwa in diesem Zeitraum, vielleicht auch schon früher, starben wohl auch die Wollhaarmammuts des nordsibirischen Festlands aus – mit Ausnahme einiger unbeirrbarer Tiere auf der Wrangelinsel.

Die Insel liegt im Arktischen Ozean im äußersten Nordosten Sibiriens. Vor rund 9000 Jahren wurde eine Landverbindung durch den steigenden Meeresspiegel dauerhaft überflutet, und die Wrangelinsel mit ihren wollhaarigen Riesen war plötzlich isoliert. Wie groß die Zahl der Tiere in ihrem finalen Refugium zu ihren besten Zeiten war, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Wahrscheinlich aber konnte die Insel selbst unter günstigsten Umständen kaum mehr als 300 bis 500 Individuen ernähren.

Inzucht mit Folgen

Das ist möglicherweise zu wenig für eine gesunde dauerhafte Population. Zumindest fanden Fachleute bei DNA-Untersuchungen von Proben aus Mammutknochen der Wrangelinsel zahlreiche funktionsverändernde Mutationen – Hinweise auf eine fortgeschrittene Inzucht.

Das Fundament für diesen genetischen Verfall wurde wahrscheinlich schon in der Isolationsphase gelegt: Wie eine aktuelle Studie nun nachgewiesen hat, gingen die Wollhaarmammuts der Wrangelinsel aus nur höchstens acht Individuen hervor. Man möchte meinen, das würde als Erklärung für den endgültigen Untergang der Eiszeitriesen reichen, doch das Forschungsteam um Love Dalén vom Schwedischen Museum für Naturkunde und von der Universität Stockholm kam zu anderen, überraschenden Schlüssen.

Nicht nur dass die Population auf der Wrangelinsel innerhalb von 20 Generationen auf mindestens 200 bis 300 Exemplare anwuchs, das Ausmaß des genetischen Niedergangs war offenbar keineswegs so schlimm wie ursprünglich gedacht. Laut der neuen Studie reicht Inzucht zumindest als alleinige Erklärung für das Aussterben der Population nicht aus.

Wrangelinsel mit Mammutstoßzahn
Die Wrangelinsel im Arktischen Ozean nördlich der sibirischen Küste sieht heute immer noch so aus, wie man sich typisches Mammutland vorstellen würde. Hier fanden die pelzigen Rüsseltiere tatsächlich noch bis vor 3600 Jahren ein Refugium.
Foto: REUTERS/Love Dalen

Genetisch gesünder als gedacht

"Wir können die Idee, dass die Population einfach zu klein und aus genetischen Gründen zum Aussterben verurteilt war, mit gutem Gewissen zurückweisen", sagte Dalén. "Das bedeutet, dass es vielleicht nur ein zufälliges Ereignis war, das den Wrangel-Mammuts den Untergang brachte. Hätte dieses Ereignis nicht stattgefunden, gäbe es womöglich heute noch Mammuts."

Die Untersuchungen der Forschenden um die Evolutionsgenetikerin geben nicht nur Aufschluss über die Populationsdynamik des Wollhaarmammuts auf der Wrangelinsel. Nach Ansicht der Wissenschafter können die im Fachjournal Cell veröffentlichten Ergebnisse auch dazu beitragen, Schutzstrategien für heute bedrohte Tiere zu entwickeln. "Mammuts sind ein hervorragendes Beispiel, um die anhaltende Krise der biologischen Vielfalt zu verstehen und festzustellen, was in einem Genom passiert, wenn eine Art einen Populationsengpass durchläuft", sagte Marianne Dehasque von der Universität Stockholm.

Langsamer Variantenschwund

Für seine Studie analysierte das Team die Genome von 21 Wollhaarmammuts. 14 stammten von der Wrangelinsel, die übrigen sieben kamen von einer Festlandpopulation, die dem genetischen Flaschenhals auf der Wrangelinsel vorausging. Insgesamt umspannen die Proben die letzten 50.000 Jahre der Existenz des Wollhaarmammuts und zeichnen so die Veränderungen der genetischen Vielfalt im Laufe der Jahrtausende nach.

Der Vergleich lieferte viele Anzeichen für Inzucht und eine schrumpfende genetische Vielfalt während der 6000 Jahre, in denen die Mammuts auf der Wrangelinsel lebten. Allerdings vollzog sich diese genetische Verarmung nur sehr langsam, was darauf hindeutet, dass die Populationsgröße bis zum Ende weitgehend stabil blieb. Mehr noch: Obwohl die Mammutbestände auf der Insel im Lauf der Zeit tatsächlich mäßig problematische Mutationen anhäuften, wurden wirklich schädliche Mutationen langsam ausgemerzt.

Rätselhaftes, plötzliches Ende

"Wenn ein Individuum eine extrem schädliche Mutation hat, ist es im Grunde nicht lebensfähig, sodass diese Mutationen allmählich aus der Population verschwanden", sagte Dehasque. "Was am Ende geschah, ist also immer noch ein Rätsel. Wir wissen nicht, warum sie ausstarben, nachdem es ihnen 6000 Jahre lang mehr oder weniger gut gegangen war."

Das Forschungsteam vermutet allerdings aufgrund der Indizien, dass der Vorhang für Mammuthus primigenius sehr plötzlich gefallen sein muss. Möglicherweise hatte dabei auch der Mensch seine Finger im Spiel: Aus der Zeit um 1700 vor Christus, eben als die letzten Wrangel-Mammuts verschwanden, stammen auch die ältesten Hinterlassenschaften von Menschen auf dieser unwirtlichen arktischen Insel.

Wollhaarnashorn
Das ikonische Wollnashorn verschwand vor etwa 10.000 Jahren. Verantwortlich war offenbar die Bejagung durch den Menschen in Kombination mit klimatischen Veränderungen.
Illustr.: Benjamin Langlois

Am Wollnashorn-Ende war der Mensch beteiligt

Am Verschwinden eines anderen eiszeitlichen Riesen, des Wollhaarnashorns (Coelodonta antiquitatis), dürfte der Mensch in jedem Fall maßgeblich beteiligt gewesen sein, wie eine andere Studie nun darlegt. Wie die Forschenden um Hervé Bocherens von der Universität Tübingen im Fachblatt Pnas berichten, dürfte der pelzige Dickhäuter mit den Ausmaßen eines heutigen afrikanischen Breitmaulnashorns bereits vor etwa 30.000 Jahren durch konstante Bejagung und klimatische Veränderungen in Eurasien in eine Sackgasse geraten sein.

Gegen Ende der letzten Eiszeit waren die Nashörner weiter in isolierte, suboptimale Lebensräume abgedrängt worden. Unter fortdauerndem Druck durch den Menschen und ohne die Möglichkeit, in günstigere Lebensräume zu wandern, verschwanden die letzten geschwächten Populationen schließlich vor rund 10.000 Jahren von der Bildfläche. (Thomas Bergmayr, 30.6.2024)