Hans Krankl Córdoba Österreich gewinnt mit 3:2 gegen Deutschland
21. Juni 1978, Córdoba. Der doppelte Torschütze Hans Krankl jubelt. Österreich schlägt Deutschland 3:2. Beide Mannschaften scheiden aus und fliegen im selben Flugzeug zurück.
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Pro: Córdoba
war stets Folklore!

Sogar in der STANDARD-Sportredaktion sitzen mittlerweile Menschen, die 1978 noch nicht auf der Welt waren, seit geraumer Zeit sogar sitzen sie da. Wobei: sitzen? Ein solcher Mensch fährt gerade in Deutschland von Stadion zu Stadion und sieht sich ein EM-Spiel nach dem anderen an. Ein zweiter gibt sich dieser Tage den Formel-1-Zirkus in Spielberg. Und ein dritter macht sich bald auf zu den Olympischen Spielen nach Paris. Denen brauchst du erst gar nicht mit einer Fußball-WM 1978 in Argentinien oder mit Córdoba zu kommen. Die können Córdoba auch gar nicht vergessen, weil sie Córdoba nie intus hatten.

Es ist schon vielsagend, dass in den 46 seit damals vergangenen Jahren nichts passiert ist, was im kollektiven Gedächtnis der Älteren an das 3:2 Österreichs gegen Deutschland herangereicht hätte. An Hans Krankls Tore, an Edi Fingers Narrischwerden. Das, was jetzt in Deutschland passiert ist und passiert, ist für diese Älteren die ganz große Chance. Für uns.

Es ging um nichts

Ich nehme mich da gar nicht aus. Bitte, lasst uns Córdoba endlich vergessen, haken wir Córdoba ab. Hören wir endlich auf, wie der Opa vom Krieg von einem Spiel zu reden, in dem es für Österreich um genau gar nichts gegangen ist, weil das Ausscheiden bei der damaligen WM längst festgestanden war.

Wie bezeichnend ist das denn, dass ein Erfolg in einem völlig bedeutungslosen Match so lange als größter Triumph der heimischen Fußballgeschichte zu gelten hatte. Kein Wunder, dass die Jüngeren nur milde lächeln, wenn die Rede auf Córdoba kommt. Für sie kann Córdoba maximal Folklore sein. Ist es ja auch. Mir ist ein Rätsel, wieso die Älteren nicht den damaligen Gruppensieg in der Vorrunde viel lauter besingen, dieser Erfolg in einer Gruppe mit Brasilien, Spanien und Schweden hatte nämlich echt einen sportlichen Wert.

Einen immensen Wert hat nun auch der Gruppensieg bei der EM 2024 in einer Gruppe mit Frankreich, den Niederlanden und Polen. Das sollten wir unseren Kindern und deren Kindern dereinst erzählen. Und natürlich: hoffentlich noch einiges mehr. (Fritz Neumann, 27.6.2024)

Kontra: Córdoba
isch lei oans!

Gegen die Seligsprechung von Ralf Rangnick ist nach dem Einzug ins EM-Achtelfinale rein gar nichts mehr einzuwenden. Und auf seine Mannen soll es Groß-Sterne des Ehrenzeichens für Verdienste um die Republik Österreich, also Hüftdekorationen samt Bruststernen, herabregnen.

Aber das bisher in Deutschland Erreichte schon über Córdoba zu stellen – über Córdoba! –, das geht wirklich zu weit. Von Vergessenmachen ganz zu schweigen. Ja selbst eine Gleichsetzung des Einzuges unter die letzten 16 in Deutschland mit dem Triumph über Deutschland, wie sie Hans Krankl – Hans Krankl! – wagte, ist absurd. Aber Krankl ist eben bescheiden, überhaupt wenn es um eigene Verdienste geht, und er hat neben Musik- und Modegeschmack auch einen schrägen Humor.

Heimgeschickt

Jahrhundertfußballer Herbert Prohaska hat, zum Thema gefragt, dankenswerterweise mit feinem Lächeln daran erinnert, dass Österreich damals bei der WM in Argentinien auch seine Vorrundengruppe gewonnen hat. Und zwar nicht gegen krisengeschüttelte Franzosen, überalterte Polen oder niederländische Eigentorschützen, sondern gegen brillante Brasilianer, feurige Spanier und bärenstarke Schweden! Was unmittelbar darauf folgte, ist zu Recht etwas in Vergessenheit geraten, aber dann, liebe Millennials, lasst euch sagen, dann wurde an diesem 21. Juni 1978 in der wunderbaren Stadt Córdoba nationenbildend gesiegt gegen die Deutschen! Und sie wurden heimgeschickt, die Maier Seppen, die Rummenigge Karl-Heinzis und die Vogts Bertis, während wir Österreicher schon davor nur höchst ehrenhaft ausgeschieden waren.

Es ist eigentlich noch heute zum Narrischwerden! Und es hat uns über all die Jahre hinweg getröstet, in denen der österreichische Fußball Spielball war für böse Übermächte, über all das Pech, das Götter wie Toni Polster oder Andreas Herzog daran gehindert hat, Weltmeister zu werden. Und dem Kollegen Neumann sei noch nicht ganz vollständig mit Bruno Kreisky – Bruno Kreisky! – entgegengeschleudert: "Lernen S' ein bissl Geschichte, und dann werden Sie sehen, Herr Reporter, wie das in Österreich sich damals entwickelt hat!" (Sigi Lützow, 27.6.2024)