Es bedürfte wohl einer Figur vom Format eines politischen Ralf Rangnick, um dem Regierungsteam dieser Koalition statt eines Endes mit Schrecken doch noch wenigstens ein Sterben in Würde zu ermöglichen. Die Einigung auf das weltbewegende Projekt einer Reform der vorwissenschaftlichen Arbeit bei der AHS-Matura ragt aus den Trümmern des Besten aus zwei Welten gewiss strahlend hervor, es gäbe da allerdings noch einige anderen Themen, die zur Erledigung anstünden, um denen, die nach dieser Koalition kommen, Besseres zu hinterlassen als ein Milliardendefizit.

Justizministerin Alma Zadić geht vor ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler zu einer gemeinsamen Pressekonferenz.
Will zum Ärger von ÖVP-Ministerin Karoline Edtstadler Änderungen bei einem gemeinsamen Regierungsvorhaben: Justizministerin Alma Zadić (Grüne, vorne).
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Auf den Vollspaltböden türkis-grüner Regierungskunst mühen sich die Klubobleute August Wöginger (ÖVP) und Sigrid Maurer (Grüne), einen Abendschein koalitionärer Harmonie abzustrahlen, während gleichzeitig die Ministerinnen Karoline Edtstadler (ÖVP) und Leonore Gewessler (Grüne) einander nicht weniger als der Unterwanderung des Rechtsstaates beziehungsweise der klimapolitischen Verantwortungslosigkeit zeihen. Kein Wunder, dass die Herren dieser koalitionären Schöpfung Zuflucht und Trost im Schoße des Teams der europaweiten Verwunderung suchen. Ob sie dort auch Rat gefunden haben, bleibt bis auf weiteres offen.

Beide Materien, über denen sich die Koalitionspartner zuletzt bis zur Erstattung von Anzeigen zerspragelten, tauchten nicht überraschend auf. Irgendwann würde über ein Renaturierungsgesetz zu entscheiden sein, und irgendwann musste dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, die Sicherung von Handydaten betreffend, Rechnung getragen werden. Dafür, dass Zeit genug war, sich ein geordnetes gemeinsames Vorgehen zu überlegen, wurde die Glaubwürdigkeit der Koalition maximal beschädigt. Der sachlich unbegründete, interessengesteuerte Trotz der ÖVP gegen die Renaturierung konnte nicht reichen, um Gewessler von ihrer ruchlosen Tat abzuhalten, vor Wahlen schon gar nicht. Da hilft auch kein juristisches Nachtreten mehr.

Keine gute Idee

Und nun soll sich auch die Erlösung der ÖVP von ihren Chatqualen womöglich in Luft auflösen. Dabei schien für Edtstadler schon alles, wie man so sagt, in trockenen Tüchern gewesen zu sein, nachdem Alma Zadićs Entwurf "der größten Justizreform der letzten zwanzig Jahre" im Justizausschuss beschlossen worden war, und das mit den Stimmen der Grünen. Man versteht, dass die Verfassungsministerin sauer ist. Weniger verständlich, wieso eine Justizministerin, und eine grüne noch dazu, erst einen Aufstand von, wie man so sagt, Stakeholdern benötigt, um sich zu erinnern, dass es keine gute Idee ist, die Aufbereitung von Handydaten den Staatsanwälten aus der Hand zu nehmen, um sie in die Hand einer Kriminalpolizei zu legen, die in einem politisch geführten Innenministerium amtiert. Und schon gar nicht ist es eine gute Idee, einem Vorhaben, bei dem es um viele grundsätzliche Erwägungen geht, eine provokante Begutachtungsfrist von zwei Wochen einzuräumen, nur weil die ÖVP ein Problem, das vor allem ihres ist, noch vor der Wahl ausgeräumt sehen wollte.

Dass Zadić bei ihrer Amtserfahrung von dem Proteststurm aus den Kreisen der Justiz nun völlig überrascht worden wäre, entbehrt einer der politischen Lebenserfahrung entsprechenden Glaubwürdigkeit. Immerhin hilft der Druck aus der Justiz in diesem Fall, den Druck des Koalitionspartners zu neutralisieren. (Günter Traxler, 28.6.2024)