Kinder brauchen eine Auszeit von der Schule, zum Ausruhen und um Spaß zu haben. Eltern haben mitunter ihre liebe Not mit der langen Auszeit des Nachwuchses.
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Zwei Monate, neun Wochen, 63 Tage oder 1512 Stunden: Wie man es dreht und wendet, Österreichs Schülerinnen und Schüler haben im Sommer eine ganze Menge Freizeit. Das stresst die Eltern, freut die Kinder. Was für und gegen so lange Ferien spricht.

Für

In jeden Tag hineinleben, den Kopf komplett frei von Verpflichtungen haben: Das ist ein Zustand, den man nach der Schulzeit kaum mehr erlebt. Außer man wird Lehrerin oder Lehrer, sagen böse Zungen. Allein dieser weitverbreitete Neid auf die neun Wochen Sommerferien zeigt: In der Gesellschaft existiert eindeutig ein Bedürfnis nach einem Ausscheren aus den Belastungen des Alltags und Stress. Und zwar nicht nur so ein bisschen, sondern richtig. Damit man nicht mehr weiß, ob Dienstag, Donnerstag oder Sonntag ist, braucht es mehr als nur eine Handvoll freie Tage oder Wochen. Daher seien Kindern und Jugendlichen die langen Sommerferien vergönnt, sagen deren Befürworterinnen und Unterstützer. Der Lebensabschnitt der streng rationierten Urlaubstage bricht noch früh genug an.

Ausreichend Pausen sind wichtig, um Energie zu tanken, Abstand zu gewinnen und sich zu regenerieren. Mehr noch: Um leistungsfähig zu sein, braucht das Gehirn Ruhephasen sogar dringend, weiß die Wissenschaft. In diesen Episoden wird Gelerntes verfestigt und sortiert. Genau das ist in den langen Ferien umfassend möglich. Bestimmte Fähigkeiten wie Kopfrechnen oder Buchstabieren können in dieser Zeit zwar nachlassen. Aber: Im Herbst ist das ursprüngliche Level rasch wieder erreicht, sagen Fachleute. Und um den Wiedereinstieg zu erleichtern, gibt es Angebote wie die Sommerschule – die auch helfen, Betreuungslücken zu schließen. Dass diese existieren, wird von der Politik immer mehr erkannt: Gemeinden, Städte und der Bund haben leistbare oder gar kostenlose Angebote im Programm.

Lange Ferien machen die Möglichkeit auf, sich mit Dingen zu beschäftigen, die im Schulrhythmus zu kurz kommen. Die Tage vieler Schülerinnen und Schüler sind durchgetaktet: Auf mitunter langen Unterricht folgen Hausaufgaben und Prüfungsvorbereitung. Eigene Interessen und Hobbys können in diesem Hamsterrad oft nicht ausreichend verfolgt werden. Und wann bleibt im Alltag schon genug Zeit für außergewöhnliche Erlebnisse, die zur persönlichen und sozialen Weiterentwicklung beitragen?

Zu dieser Entfaltung gehört auch: mit Langeweile umgehen können. Die entsteht – sofern sie Eltern nicht durch Dauerbespaßung verunmöglichen – in neun schulfreien Wochen ziemlich sicher. Fadesse ein wenig auszuhalten oder eben kreativ zu werden, um sie zu vertreiben, ist eine wichtige Erfahrung für Kinder und Jugendliche. Das fördert die Selbstständigkeit.

Übertrieben wird mit einer Feriendauer von neun Wochen im internationalen Vergleich übrigens nicht. Etwa in Lettland, Griechenland oder Island dauert die Pause noch länger. Und auch Italien setzt auf eine ausgiebige Sommerpause: Satte drei Monate sind es dort. Das Dolcefarniente will eben früh geübt sein.

Wider

Neun Wochen am Stück sind besonders für Eltern ein sehr langer Zeitraum, um Kinderbetreuung zu organisieren. Ist man nicht gerade selbst an einer Schule tätig, tun sich durch die Schulschließungen schnell Probleme bei der Feriengestaltung auf. Schließlich haben Eltern selbst zumeist nur rund fünf Wochen Urlaubsanspruch – und zwar im gesamten Jahr. Im Gegensatz dazu klommen die Schülerinnen und Schüler hingegen auf 14 Wochen Ferien. Gerade im Sommer müssen also Lösungen her, besonders bei den kleineren Schulkindern braucht es Betreuungsalternativen. Aber auch Teenager benötigen ein Programm. Da kommt schnell einmal die Verwandtschaft zum Zug. Doch was, wenn Oma und Opa nicht im selben Bundesland leben oder einfach andere Pläne für ihren Sommer haben?

Eine Alternative sind Sommercamps – allerdings: Sie sind oft kostspielig und nicht für alle leistbar. Rund 415 Euro geben Eltern im Schnitt pro Kind für Ferienlager aus, das zeigt eine aktuelle Befragung der Arbeiterkammer. Was die Umfrage unter Eltern auch deutlich macht: Rund die Hälfte der Eltern sieht die Ausgaben für die Ferienbetreuung als Belastung – besonders Alleinerziehende und Familien mit niedrigeren Haushaltseinkommen.

Laut der Befragung ergibt sich für Familien während der Sommerferien eine Betreuungslücke von rund zwei Wochen. Anders auf das Jahr verteilte Schulferien könnten dabei Abhilfe schaffen. Österreich liegt mit neun Wochen Ferien in Europa zwar im Mittelfeld. Doch nicht überall dauert diese so lange: In den Niederlanden oder in Deutschland dauert sie beispielsweise in etwa sechs Wochen. Insgesamt fallen Kinder und Jugendlichen in Deutschland im Vergleich zu jenen in Österreich um eine Ferienwoche um.

In Österreich gleichen viele Eltern die Betreuungslücken mit vermehrtem Homeoffice aus. Stressfrei ist diese Situation für Eltern nicht. Dabei kämpfen viele von ihnen schon jetzt mit Überforderung, wie es von der Beratungsstelle für Eltern und Bezugspersonen von Rat auf Draht heißt. Laut dem Team von Elternseite.at sind die Beratungen im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um rund 87 Prozent gestiegen. Gerade in der Ferienzeit, in der Kinder und Jugendliche mehr Zeit zu Hause verbringen als während der Schulzeit, befürchtet man dort, dass "die Belastungen nicht weniger werden".

Aber nicht nur für die Eltern würden kürzere Ferien Vorteile bringen. Für die Kinder und Jugendlichen würde eine andere Verteilung der Ferien mehr Pausen und Regenerationsmöglichkeiten während des Schuljahres bedeuten. Dadurch würde auch die Gefahr des Vergessenes etwas kleiner. Denn wer sich über einen so langen Zeitraum nicht mit dem Stoff beschäftigt, wer Gelerntes nicht wiederholt, vergisst. (Oona Kroisleitner, Stefanie Rachbauer, 28.6.2024)