Wussten Sie, dass der Bundespräsident bis vor einem Jahr ein Schrottauto fuhr? Aber Alexander Van der Bellen hat in Kryptotrading investiert und konnte sich neben einem neuen Auto jetzt sogar eine Eigentumswohnung leisten. Das geht aus einem Interview hervor, das Willkommen Österreich-Moderator Christoph Grissemann geführt hat. Selbstverständlich ist das haarsträubender Unsinn, aber derartige Fake-Interviews fluten aktuell die Feeds auf Facebook und Instagram.

Derlei Fakes finden sich in nahezu beliebigen Abstufungen der Geschmacklosigkeit: Armin Wolf in Handschellen, ein abgemagerter Bundeskanzler im Gefängnis. Dabei dürften die Betrüger mittlerweile dahintergekommen sein, wie sie gängige KI-Tools für ihre Zwecke nutzen können, so werden etwa die Stimmen der unfreiwilligen Testimonials geklont und in Werbeclips eingesetzt, um sie authentischer wirken zu lassen, wie die auf die Bekämpfung von Onlinedesinformation spezialisierte Website Mimikama berichtet. Dort hat man mittlerweile 32 Beispiele solcher Betrugsversuche gesammelt. Diese dürften aber lediglich die Spitze des Eisbergs darstellen.

Newsseiten werden nachgebaut

Klickt man auf die Fakes, wird man zu Seiten weitergeleitet, die den Onlineauftritten bekannter österreichischer Medien wie des ORF, der Kronen Zeitung oder oe24.at täuschend ähnlich sehen. Hier empfiehlt es sich, einen Blick auf die URL zu werfen, denn diese hat mit jener der echten Medien nichts zu tun.

Die Seiten haben alle gemeinsam, dass sie früher oder später mit hohen Gewinnen in der Kryptobranche locken. Hat man erst einmal eingezahlt, steigen die vermeintlichen Renditen auch tatsächlich an. "Das Konto wächst, und der Kundendienst ist freundlich – aber nur, um zu weiteren Investitionen zu drängen. Versuchen Sie dann, Ihr Geld abzuheben, tauchen unerklärliche Gebühren auf oder der Kontakt bricht ab. Die Gewinne waren nie echt, Ihr Geld ist verloren", heißt es bei Mimikama. Damit ist der Betrugsversuch aber noch lange nicht abgeschlossen: Manche Opfer berichten, dass sie beim Versuch, das Geld zurückzubekommen, von falschen Behörden kontaktiert wurden, die gegen Gebühr Hilfe versprachen. Ein weiterer Betrug versteht sich.

Reich und schuldenfrei? Tatsächlich handelt es sich um eine Fake-Werbung für einen Kryptobetrug. Österreichische Prominente und Politiker werden unfreiwillig zu Testimonials.
Screenshot Facebook

Meist findet man dort Interviews, die nie stattgefunden haben. Neben dem Bundespräsidenten und Christoph Grissemann sind ähnliche Fakes mit Herbert Kickl, Gerald Grosz, Sebastian Kurz, Christa Kummer, Alexandra Wachter, Christina Stürmer, Gabi Hiller und Armin Assinger im Umlauf. Weiter verwunderlich ist das nicht: Von all diesen Personen gibt es genug Bild- und Tonmaterial, um Deepfakes erstellen zu können. Vor allem das Klonen einer Stimme dauert nur wenige Minuten und stellt auch keine großen Anforderungen an das Trainingsmaterial. Einige Sekunden Audioschnipsel reichen schon für ein einigermaßen brauchbares Ergebnis.

Werbung über gekaperte Konten

Etwas mehr Aufwand betreiben die Betrüger beim Erstellen der Postings selbst. Diese werden nämlich nicht über eigens erstellte Wegwerfkonten auf Instagram oder Facebook gespült. Die Kriminellen nutzen für diese Werbungen gehackte Accounts, sei es von einzelnen Nutzerinnen und Nutzern oder den Seiten von Organisationen. Im Namen dieser Accounts schalten sie dann Werbung mit ihren Scam-Inhalten. Das hat aus Sicht der Betrüger gleich drei Vorteile: Erstens kann man auf die Reichweite bestehender Accounts zurückgreifen, statt selbst Follower aufbauen zu müssen. Zweitens wirken die Werbungen dadurch glaubhafter, schließlich kommen sie ja von den Konten langjähriger Mitglieder. Und drittens dürften sich so auch die Sicherheitsmaßnahmen des Meta-Werbeprogramms bis zu einem gewissen Grad austricksen lassen.

Zumindest ist das die freundliche Auslegung, denn Meta scheint mindestens auf einem Auge blind zu sein, wenn es um derartigen Kryptobetrug geht. Das hat nun auch rechtliche Konsequenzen: In den USA wurde Meta von dem australischen Bergbauunternehmer Andrew Forrest geklagt. Sein Bild tauchte in ähnlichen betrügerischen Werbungen auf. Der Australier fuhr einen ersten Erfolg ein: Ein US-Bezirksgericht ließ die Klage zu, obwohl Meta versucht hatte, diese abweisen zu lassen. Der Richter entschied, dass Forrest ausreichende Beweise vorgelegt hatte, die belegen, dass Meta seinen Namen und sein Bild missbraucht hat.

Forrests Anwälte argumentieren, dass Meta die betrügerische Werbung ausspiele und de facto Komplize der Betrüger sei. Forrest behauptet, dass zwischen April und November 2020 mehr als 1000 betrügerische Anzeigen geschaltet wurden, die bei vielen Opfern zu erheblichen finanziellen Verlusten führten, wie Techopedia berichtet. In Europa hat die EU-Kommission ein Verfahren gegen Meta eingeleitet. Auch hier lautet der Vorwurf, nicht genug gegen irreführende Werbung zu tun. (pez, 27.6.2024)

Nachlese

Brüssel: Meta lässt sich für russische Desinformation bezahlen

Instagram spült weiterhin sexuelle Inhalte in die Accounts von 13-Jährigen