Primoz Roglic ist der Kapitän von Red Bull Bora Hansgrohe bei der Tour de France.
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Salzburg/Fuschl – Mit der am Samstag beginnenden Tour de France tritt Red Bull erstmals großflächig auch im Straßenradsport als Teamsponsor in Erscheinung. Der Salzburger Konzern und Besitzer mehrerer Fußball- und Eishockeyclubs ist beim deutsch-österreichischen World-Tour-Rennstall von Ralph Denk heuer als Mehrheitseigentümer eingestiegen. Bei der Frankreich-Rundfahrt tritt dieser erstmals in dunkelblauen Trikots und weißen Rädern als Red Bull Bora Hansgrohe an und will mit Primoz Roglic den Sieg holen.

"Der Einstieg von Red Bull ist ein Gamechanger für den ganzen Radsport. Es ist verrückt, ein Teil davon zu sein", sagte Roglic und bekräftigte seine Siegesambitionen für die Tour. "Das Gelbe Trikot ist definitiv das Ziel und die Challenge, wir alle arbeiten dafür, wir müssen es versuchen", sagte der seit dieser Saison für den Rennstall fahrende Giro-Gewinner 2023 und Zeitfahr-Olympiasieger von Tokio.

Mit Marco Haller gehört auch ein Österreicher dem achtköpfigen Tour-Aufgebot an. Der Routinier soll Roglic im flachen und hügeligen Terrain unterstützen und den Slowenen in hektischen Phasen beschützen. Für den 33-Jährigen ist es bereits die neunte Teilnahme. "Die Tour ist jedes Jahr das große Ziel und eine Riesenherausforderung. Mit Red Bull dabei zu sein, ist ein einzigartiger Moment für mich als Österreicher – mit diesen Superstars neben mir, das ist wirklich aufregend", sagte Haller.

"Enormes Potenzial" dank Sponsors Red Bull

In den Bergen wird Roglic unter anderem von Alexander Wlasow und Jai Hindley unterstützt. Letzterer hatte 2022 beim Giro d'Italia für den ersten und bisher einzigen Grand-Tour-Sieg des Rennstalls gesorgt, der weiter mit deutscher Lizenz unterwegs ist. Teamchef Denk sprach bezüglich des Einstiegs des neuen Haupteigentümers von einem großen Moment in seiner bereits langen Laufbahn. "Die Ankunft von Red Bull im Radsport ist wirklich etwas Großes und hat enormes Potenzial für die Zukunft. Wir haben einen klaren Plan, wir wollen die attraktivste Marke im Radsport zu werden", sagte der Bayer.

Ab sofort sind Roglic und Co auch auf neuen Specialized-Rädern mit dem Bullen-Logo am Steuerrohr unterwegs. In neuen Outfits – jenes der roten Bullen wurde schon vor zwei Monaten geleakt – und auf adaptierten Rennmaschinen werden freilich auch mehrere andere Teams wie Visma von Titelverteidiger Jonas Vingegaard zu sehen sein.

Der erträumte Tour-Sieg von Roglic wird aber eine harte Nuss. Vor allem sein heuer überragender Landsmann Tadej Pogacar aus dem UAE-Rennstall wird nur schwer zu knacken sein. Dort, wo das dominante und hochkarätig besetzte Pogacar-Team nicht zuletzt dank vieler Millionen aus den Emiraten bereits ist, will das RB-Team mittelfristig auch hin.

Bei der Teampräsentation waren auch Geschäftsführer Oliver Mintzlaff und Eigentümer Mark Mateschitz zugegen.
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Neuverpflichtungen werden erwartet

Zumindest das auf kolportierte 45 Millionen deutlich erhöhte Jahresbudget sollte beim Erreichen der hohen Ziele hilfreich sein. Einen Teil des Geldes – die langjährigen Hauptsponsoren Bora und Hansgrohe bleiben an Bord – wird man bestimmt in neue Fahrer stecken. Die großen Stars wie Pogacar, Jonas Vingegaard und Remco Evenepoel sind aber großteils langfristig vertraglich an ihre derzeitigen Teams gebunden. Auch die bei Eintagesrennen stets besonders glänzenden Mathieu van der Poel und Wout van Aert werden kurzfristig nicht zu haben sein.

Über mögliche Transfers für die kommende Saison war bei der Präsentation nichts Konkretes zu erfahren, denn Neuzugänge dürfen erst ab 1. August offiziell bekanntgegeben werden. Unbestätigten Medienberichten zufolge dürften der junge italienische Kletterer Giulio Pellizzari und der Spanier Oier Lazkano 2025 zum Team stoßen. Auch der slowenische Routinier Jan Tratnik sowie die niederländischen Zwillinge Mick und Tim van Dijke sollen bereits unterschrieben haben. Ob Haller und der Tiroler Patrick Gamper nächstes Jahr noch an Bord sein werden, ist fraglich, ihre Verträge laufen aus. Noch bis Ende 2026 läuft hingegen jener von Neo-Staatsmeister Alexander Hajek.

Talentierte Youngsters wie Hajek zu verpflichten und nach oben zu bringen, bleibt auch mit dem neuen Haupteigentümer eine Strategie des langjährigen World-Tour-Rennstalls, der im Nachwuchsbereich schon länger mit Red Bull kooperiert. "Wir wollen mit ikonischen Fahrern zusammenarbeiten und ikonische Fahrer finden", betonte Denk. Zur Talentförderung wird ein neues U23-Team, das in Teilen aus dem bisherigen Nachwuchsrennstall und einem bereits laufenden Scoutingprogramm formiert werden soll, ins Leben gerufen.

Felix Gall greift für das Team Decathlon an.
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Gall will bei Tour Topform erreichen

Indessen startet Felix Gall am Samstag in Florenz als Kapitän im Team Decathlon in seine zweite Tour. Mit großen Ambitionen, auch wenn die Saison von den Ergebnissen her noch nicht ganz so stark war.

Bei der Tour de Suisse belegte der Aufsteiger des vergangenen Jahres Platz zehn. Dies ist auf eine langfristige Vorbereitung auf die Tour, mit vielen Wochen Höhentrainingslager, zurückzuführen. "Dass ich noch nicht in der gleichen Form bin wie letztes Jahr haben wir alle gewusst. Ich habe dann auch einige Tage gebraucht, bis ich in den Rennrhythmus reingekommen bin. Ich habe mich jeden Tag wohler gefühlt mit der Intensität. Mit der Vorbereitung war das jetzt nicht wirklich eine Überraschung", sagte Gall.

Er fährt aber trotzdem mit einem guten Gefühl zu seiner dritten Grand Tour. "Weil ich gemerkt habe, es ist jeden Tag besser gegangen. Auch die letzten Tage, ich war jetzt noch einmal eine Woche in der Höhe. Jetzt merke ich, dass ich mich so fühle, wie ich mich fühlen soll. Wie man sich fühlt, wenn man nahe an der Topform ist. Aus meiner Sicht läuft alles nach Plan", versicherte der 26-jährige Ost-Tiroler.

Abfahrten mit Mountainbikeprofi analysiert

Inzwischen hat sich Österreichs Radstar auch das Streckenprofil der 111. Tour über knapp 3500 km noch genauer zu Gemüte geführt. Auch wenn knapp 3000 Höhenmeter weniger als im Vorjahr bewältigt werden müssen, so ist die diesmal in Florenz startende und ausnahmsweise nicht in Paris endende Tour mit Schwierigkeiten gespickt. Und das von Anfang an.

"Die ersten Etappen sind schon ganz ordentlich, vor allem wird es auch richtig heiß werden. Es war heuer noch kein Hitzetag, das wird, glaube ich, auch ein bisserl spannend werden", weiß Gall und prophezeit: "Man wird die Tour nicht in den ersten Tagen gewinnen, aber man kann sie sehr wohl verlieren." Es gehe darum, dass man ohne große Zeitverluste durchkommt. "Wenn das gelingt, dann ist man im Spiel."

Er selbst hat sich zuletzt besonders dem Gebiet in Isola in der dritten Etappenwoche gewidmet. "Wir haben uns vor allem den Col de la Bonette angeschaut. Ich bin den sogar zwei Tage hintereinander raufgefahren, weil an einem Tag war extremes Unwetter da oben. Wir haben dann die Abfahrt trotzdem zum Teil im Regen gemacht und am nächsten Tag im Trockenen. Also von dem her bin ich topvorbereitet, es kann regnen, und es kann die Sonne scheinen", meinte Gall.

Decathlon stellte ihm einen Mountainbiker zur Seite, der mit ihm die Abfahrten analysiert hat. "Er hat sich auch die Linien mit mir angeschaut. Es geht einfach darum, dass man da dann das Selbstvertrauen auch hat", erklärte der Kletterspezialist.

Rutschiger Belag

Denn genau die dritte Woche werde "extrem schwer". Zu Ende geht die Tour mit einem Einzelzeitfahren von Monaco nach Nizza. Auch dieses ist er am Dienstag im Regen noch einmal gefahren. "Da war es extremst rutschig. Das ist in der Gegend ganz speziell. Auch wenn es trocken ist, wird es ein sehr schweres und anspruchsvolles Zeitfahren."

Sein Tipp auf den Gesamtsieg, wenn er zwischen Giro-Sieger Tadej Pogacar, der das seltene Double Giro-Tour in einem Jahr anstrebt, oder Jonas Vingegaard (hat die Chance auf den Tour-Hattrick) wählen muss: "Dann entscheide ich mich wohl für Pogacar." (APA, red, 27.6.2024)