Die Internationale Raumstation (ISS) ist das größte Bauwerk der Menschheit im All und gilt in vieler Hinsicht als Erfolgsprojekt. Im diplomatischen Tauwetter nach dem Zerfall der Sowjetunion brachte das Großvorhaben die US-Raumfahrtbehörde Nasa und ihre Partner in Europa, Kanada und Japan mit den russischen Kollegen von Roskosmos zusammen. Die außerirdische Kooperation klappt selbst in irdischen Krisenzeiten wie seit dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 weitgehend reibungslos, das wissenschaftliche Weltraumlabor im Erdorbit ist seit bald 24 Jahren permanent bewohnt. Doch das Ende der Ära ISS naht – und wird immer konkreter.

Einige Jahre soll die Raumstation noch im Betrieb bleiben, das Ende des Megaprojekts im Erdorbit zeichnet sich aber immer konkreter ab.
imago/StockTrek Images

Wie die Nasa am Mittwoch bekanntgab, wurde die Weltraumfirma Space X mit der Entwicklung eines sogenannten Deorbit Vehicle beauftragt, das die Raumstation nach dem Ende ihrer Betriebszeit 2030 kontrolliert zum Absturz bringen soll. Space X hatte sich bei einer Ausschreibung durchgesetzt und soll ein Raumschiff entwickeln, das die ISS aus ihrem Orbit holen soll, um sie in der Erdatmosphäre größtenteils und gefahrlos verglühen zu lassen. Auch das Deorbit Vehicle soll beim Wiedereintritt verglühen, kleinere Teile sollen über dem offenen Meer niedergehen.

Nasa übernimmt für 790 Millionen Euro

Die Nasa veranschlagt für Entwicklung und Kauf des Deorbit Vehicle umgerechnet rund 790 Millionen Euro und wird das Manöver selbst übernehmen, betonte der administrative Leiter des astronautischen Raumfahrtprogramms der Nasa, Ken Bowersox, der selbst vor mehr als 20 Jahren auf der ISS war. "Die Entscheidung für ein US-amerikanisches Deorbit Vehicle für die Internationale Raumstation wird der Nasa und ihren internationalen Partnern helfen, einen sicheren und verantwortungsvollen Übergang in die niedrige Erdumlaufbahn am Ende des Stationsbetriebs zu gewährleisten. Diese Entscheidung unterstützt auch die Pläne der Nasa für künftige kommerzielle Ziele und ermöglicht die weitere Nutzung des erdnahen Weltraums."

Seit 1998 wird die ISS von Nasa, Roskosmos, der Europäische Weltraumorganisation (Esa) sowie den Raumfahrtagenturen Kanadas (CSA) und Japans (Jaxa) betrieben. Im Oktober 2000 startete die Mission der ersten Langzeitcrew. Seither haben hunderte Astronautinnen und Astronauten mehr als 3300 wissenschaftliche Experimente auf der Raumstation durchgeführt, die Missionen brachten zudem unzählige medizinische Studien zu den Auswirkungen der Raumfahrt auf den menschlichen Körper hervor. Die Station ist so konzipiert, dass die Kooperationspartner für ihre jeweils eigenen Komponenten verantwortlich sind, ein Vollbetrieb der Station aber nur durch Zusammenarbeit möglich ist.

Technische Gebrechen

In jüngster Zeit ließ die ISS allerdings nicht nur mit wissenschaftlichen Erkenntnissen aufhorchen, sondern auch mit technischen Gebrechen. Erst in diesem Monat mussten nach Problemen mit Raumanzügen zwei Außeneinsätze abgesagt werden, das russische Modul verliert immer mehr Luft, und durch Lecks tritt immer wieder Kühlflüssigkeit aus. Dass mechanisch oder thermisch beanspruchte Bauteile defekt werden und die Infrastruktur auf der ISS permanent gewartet werden muss, ist keine Überraschung und auch kein Grund zur Sorge um die Crew. Doch nicht nur das Material ermüdet zusehends, sondern auch die internationale Zusammenarbeit.

Die Nasa-Astronautin Tracy Dyson startete im März 2024 mit einer russischen Sojus zur ISS. Amerikanisch-russische Crewflüge dürften in wenigen Jahren Geschichte sein.
REUTERS/Pavel Mikheyev

Irdische Spannungen

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatten Nasa und Esa mit Ausnahme der ISS sämtliche Weltraumkooperationen mit Russland gestoppt. Roskosmos drohte daraufhin mit einem Ausstieg aus der ISS 2024 und kündigte den Bau einer eigenen Raumstation an. Inzwischen hat sich Russland aber zu einem Weiterbetrieb seiner ISS-Komponenten bis 2028 verpflichtet. Nasa, Esa, Jaxa und CSA wollen die Station noch bis mindestens 2030 weiterbetreiben. Damit ist auch der ursprünglich Plan obsolet, die ISS mithilfe russischer Triebwerke zum Absturz zu bringen.

Für die Zukunft stehen die Zeichen wieder auf eine zunehmende Lagerbildung im Weltraum. Die Nasa nimmt erneut den Mond in den Blick und plant mit ihren Partnern den Bau einer Raumstation im Mondorbit, die wichtigsten Komponenten dafür sollen noch in diesem Jahrzehnt auf den Weg gebracht werden. Russland kooperiert hingegen verstärkt mit China, das ebenfalls ein ambitioniertes Mondprogramm verfolgt und gemeinsam mit Russland und anderen Partnern eine eigene Mondstation bauen will. (David Rennert, 27.6.2024)