Eine Mutter sitzt auf dem Boden im Kinderzimmer und hält sich die Hände vors Gesicht, während drei Kinder um sie herumlaufen und toben
Viele Eltern fühlen sich im Alltag mit den Kindern gestresst oder überlastet. Das kann psychische und gesundheitliche Folgen haben.
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Carina Kainrath (Name geändert) ist erschöpft. Sie hatte gehofft, dass alles bald wieder einfacher wird. Doch diese Phase dauert nun schon viele Jahre. Seit der Geburt ihres ersten Sohnes ist ihr Leben stressig geworden. "Aufstehen, Frühstück machen, die Kinder in den Kindergarten bringen, ins Büro, Kinder abholen, auf den Spielplatz, Abendessen richten, baden, kuscheln, vorlesen, Gefühlsausbrüche abfangen, aufräumen, Wäsche. So sieht ein normaler Tag bei uns aus", sagt die 35-Jährige. "Da bleibt keine Zeit für Selfcare."

Wenn die Kinder krank sind, erzählt die zweifache Mutter, komme es zum Kollaps. Großeltern, die die Kinder abnehmen, sind nicht verfügbar. Wer nimmt die Kinder, wenn beide Eltern arbeiten müssen? Zudem seien sie selbst und auch ihr Mann immer öfter krank. "Manchmal fühlt sich unser Leben wie ein einziger Überlebenskampf an."

So wie Kainrath geht es vielen Eltern in Österreich. Kinder und Job unter einen Hut zu bringen ist schwer und führt zu Dauerstress in der Familie. Aber auch andere Themen wie Erziehung, Schulprobleme oder Paarbeziehung belasten Eltern sehr. "Ich kann nicht mehr", "Mir wird alles zu viel" sind Sätze, die das Team von elternseite.at, dem Beratungsangebot für Eltern und Bezugspersonen von Rat auf Draht, aktuell sehr oft zu hören bekommt.

Tatsächlich ist die Zahl der entsprechenden Beratungen im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um etwa 87 Prozent gewachsen. Aber auch die Zahl der Anrufe bei 147, wo sich vermehrt besorgte Eltern melden, etwa weil ihr Kind sich weigert, in die Schule zu gehen. 93 Mütter und Väter von Schulverweigerern haben im aktuellen Schuljahr um Hilfe gebeten. Das sind viermal so viele wie im letzten Jahr.

Selfcare für Eltern wichtig

"Überforderung wirkt sich stark auf das Befinden aus. Eltern geben an, gestresster, gehetzter, emotionaler, erschöpfter, überlasteter, unzufriedener, gereizter oder unausgeglichener zu sein. Das ist in den Beratungen oft spürbar", sagt Lena Kaiser, Psychologin und Beraterin bei elternseite.at. Die Gründe für die Überlastung sind vielfältig: herausfordernde Phasen der Kinder, Auffälligkeiten, Konflikte und Erziehungsthemen zählen ebenso dazu wie zu volle Terminkalender, ungleiche Aufgabenverteilung, eine zu hohe Anspruchshaltung oder Perfektionismus. Auch Paarkonflikte, Umbrüche im Leben (etwa Krisen, Trennungen), Wutanfälle der Kinder, Lernschwierigkeiten oder die Herausforderung, den Kindern Grenzen zu setzen, werden immer wieder genannt.

"Je nach Themengebiet oder Ursachen beraten wir individuell. Generell bieten wir erste Entlastung und schauen gemeinsam auf die Ressourcen. Wir regen an, Unterstützung von außen anzunehmen und die eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu erkennen. Neben Tipps, Ideen oder Anregungen für Erziehung bieten wir Psychoedukation und versuchen den Eltern neue Perspektiven zu eröffnen", sagt Kaiser. Oft brauche es aber zusätzlich professionelle Unterstützung für das Kind oder die Eltern. Vielfach sei es so, dass Eltern die eigene Selbstfürsorge hintanstellen. Diese sei aber nötig und wichtig, um auch den Alltag gut zu meistern.

Meist suchen Mütter nach Hilfe

Das Angebot von elternseite.at hat sich in den drei Jahren des Bestehens gut etabliert, die Zahlen zeigen allerdings, dass der Bedarf an niederschwelliger Beratung für Eltern enorm hoch ist. Zu 80 Prozent sind es Mütter, die Beratungen in Anspruch nehmen. Damit noch mehr Eltern, insbesondere Väter, vom kostenlosen Angebot erfahren, wurde nun ein Spot gedreht. Er soll zeigen, dass die meisten Eltern ähnliche Sorgen haben.

Elternseite Spot 25sec
Rat auf Draht Elternseite

Gerade in der kommenden Ferienzeit, in der Kinder und Jugendliche mehr Zeit zu Hause verbringen werden, steht zu befürchten, dass die Belastungen für Eltern nicht weniger werden. "Ein Gespräch kann bereits entlastend wirken und ist der erste Schritt hin zur Lösung", sagt Kaiser.

Auch Carina Kainrath hat sich ein 50-minütiges Beratungsgespräch gebucht. "Zuerst habe ich zehn Minuten nur geweint", sagt sie. "Danach habe ich gemeinsam mit der Beraterin überlegt, wer uns als Familie entlasten könnte." Die Kainraths haben jetzt eine Babysitterin, die zweimal pro Woche die Kinder vom Kindergarten abholt, einmal pro Monat fährt die Oma vom Burgenland nach Wien, um die Kinder zu hüten. "Aktiv um Hilfe zu fragen ist mir immer schwergefallen. Es ist aber nötig, sonst landet man im Eltern-Burnout", sagt Kainrath. (Nadja Kupsa, 27.6.2024)