Das wichtigste Zahlungsmittel im Informationskapitalismus steht auf keinem Geldschein oder Kontoauszug: Daten. Man zahlt mit seinen Daten im Supermarkt, Onlineshop oder beim Streamingdienst. Aus Verbrauchersicht ist das ein schlechter Deal, weil man für ein paar Rabattgutscheine seine Privatsphäre verkauft. Daten sind das neue Öl, heißt es, aber diejenigen, die diesen wertvollen Rohstoff produzieren, sehen keinen Cent dafür, dass Tech-Konzerne das Internet mit Webcrawlern fracken und mit den tonnenweise geförderten Texten und Bildern ihre hochleistungsfähigen KI-Maschinen trainieren.

Die Tech-Vordenker im Silicon Valley trommeln daher schon seit einiger Zeit für ein bedingungsloses Grundeinkommen, was aber gar nicht so antikapitalistisch ist, wie es den Anschein hat. Denn für den Fall, dass Maschinen unsere Arbeit übernehmen, muss der Konsum von digitalen Diensten ja irgendwie finanziert werden. Für OpenAI-Gründer Sam Altman, einen der Befürworter des Konzepts, geht das aber nicht weit genug: Kürzlich brachte er in einem Podcast die Idee eines "universal basic compute" ins Spiel, eines bedingungslosen Zugangs zu Rechnerressourcen.

In einer zunehmend virtuellen Welt könnten Rechenleistung und Algorithmen bald die Rolle des Geldes übernehmen.
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Altmans Vision: Rechenleistung statt Geld

"Jeder bekommt ein Stück der GPT-7-Rechenleistung", sagte Altman. Die Bürger könnten diesen Computercredit einlösen, verkaufen oder spenden. Statt Bargeld zu erhalten, würde man am Produktivitätsfortschritt teilhaben. Ist Altman jetzt zum Kommunisten geworden, der einer Vergemeinschaftung der Produktionsmittel das Wort redet? Wird OpenAI bald zur Genossenschaft?

Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. Während das Magazin Politico Altmans Vision als "Fantasie einer GPT-zentrierten Welt" zurückwies, wurde sie in der libertären Krypto-Community gefeiert. Das Argument: Geld verliert an Wert, Computerpower nicht.

Experimente mit digitalen Währungen

Altman ist bekannt dafür, immer wieder Testballons aufsteigen zu lassen. Im vergangenen Jahr lancierte er die Kryptowährung Worldcoin, bei der sich Menschen ihre Augen scannen lassen konnten, um im Gegenzug Coins im Wert von 30 US-Dollar zu erhalten. In Kenia und Indien standen die Menschen Schlange, um das digitale "Willkommensgeld" für die schöne neue Welt zu erhalten. Biometrie gegen Bares. Auch Mark Zuckerberg wollte eine eigene Digitalwährung namens Libra ("Zuck Bucks") einführen – die Pläne scheiterten jedoch am Widerstand der amerikanischen Zentralbank. Die Radikalität von Altmans neuem Vorschlag besteht nun darin, dass er nicht das Bargeld abschaffen will, sondern Geld an sich.

OpenAI-Chef Sam Altman ließ sich für seinen Vorschlag von der libertären Krypto-Community feiern.
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Die Utopie einer Welt ohne Geld wurde bereits in Thomas Morus' Utopia (1516) ausbuchstabiert, wo die Inselbewohner in materiellem Überfluss von Gold, Silber und Getreide leben, sodass Schuldscheine von Privatleuten nichts mehr gelten. Auch im zeitgenössischen Science-Fiction-Genre wurde die Idee einer geldlosen Gesellschaft aufgegriffen: In einer Szene in Star Trek: First Contact erklärt Captain Picard einer Besucherin des Raumschiffs USS Enterprise mit bedeutungsvollem Ton: "Die Ökonomie der Zukunft ist etwas anders: Sie sehen, Geld existiert im 24. Jahrhundert nicht mehr." "Kein Geld?", fragt die erstaunte Besucherin. "Sie meinen, man wird nicht bezahlt?" Daraufhin antwortet der Kommandant: "Der Erwerb von Wohlstand ist nicht mehr der Treiber in unserem Leben. Wir arbeiten, um uns zu bessern – und den Rest der Menschheit."

Realistische Zukunft oder Milliardärsfantasie?

Der japanische Milliardär Yusaku Maezawa, der 2021 als Weltraumtourist die Internationale Raumstation ISS besuchte, prophezeite bei einer Pressekonferenz aus dem All: "Eines Tages wird Geld aus dieser Welt verschwinden. (...) Das Bankkonto von jedem wird auf null sein. Und alles in den Geschäften wird kostenlos sein." Eine Welt ohne Geld? Ist das eine realistische Vorstellung? Oder bloß die spinnerte Idee von ein paar Superreichen?

Bargeld wurde einst eingeführt, um Transaktionskosten zu senken und die Dysfunktionalitäten einer Tauschwirtschaft zu überwinden. Der Metzger bekommt beim Brauer kein Bier, wenn dieser kein Fleisch mag – und umgekehrt. In der Frühgeschichte vor ca. 4000 Jahren zahlten die Menschen mit Naturgeld wie Muscheln, Schnecken oder Getreide, das dann später durch Münz- und Papiergeld ersetzt wurde. Vom Kaurigeld, mit dem Seefahrer bis ins 16. Jahrhundert in Afrika Getreide oder Textilien kauften, bis hin zum Kryptogeld hat sich die Funktion des Geldes als Wertspeicher und Zahlungsmittel kaum verändert – nur, dass das Medium heute ein anderes ist. In einer Überflussgesellschaft, in der Maschinen unseren Wohlstand erwirtschaften, bräuchte es aber womöglich kein (Bar-)Geld mehr als Tauschmittel, wenn es Güter im Überfluss gäbe: Energie, Lebensmittel, Mobilität etc.

Sharing Economy 2.0 und Allmende

Warum Geld verdienen, wenn fast alles kostenlos ist? Eigentum könnte in der Welt von morgen obsolet sein. So wie man heute Radwege, WG-Küchen und Daten teilt, könnte man in der Sharing Economy 2.0 KI-Werkzeuge und virtuelle Räume wie Cloudspace in einer Allmende teilen. Wenn Sonnen-, Wind- und vielleicht irgendwann auch Fusionsenergie zum Nulltarif verfügbar wären, wäre auch der Nutzen einer Kryptowährung fraglich, deren Prinzip darin besteht, Energie in Geld umzuwandeln. Wenn jeder "mint" und mit Rechnern kryptografische Rätsel löst, würde die Belohnung entsprechend gering ausfallen.

Schon Karl Marx schrieb im zweiten Band seines Werks Das Kapital (1885), dass bei einer Vergesellschaftung der Produktionsmittel das Geld(kapital) entfiele. "Die Produzenten mögen meinetwegen papierne Anweisungen erhalten, wofür sie den gesellschaftlichen Konsumtionsvorräten ein ihrer Arbeitszeit entsprechendes Quantum entziehen. Diese Anweisungen sind kein Geld." In der marxistischen Theorie ist Geld ein Vorschuss dafür, dass der Gesellschaft Arbeitskraft und Produktionsmittel entzogen werden. Wenn diese aber durch Maschinen im Überfluss vorhanden ist, braucht es theoretisch keine Geldspritzen mehr.

Herausforderungen des Computercredits

Ganz ähnlich denkt Sam Altman, der den Computercredit als eine Art Vorschuss auf die erwarteten Produktivitätsgewinne seiner KI-Modelle auszahlen will. Gleichwohl ist Altman kein Marxist, und wenn er davon spricht, den "Kapitalismus zu brechen", meint der Libertäre eher das Zentralbankmonopol der Staaten. Aber könnte man den Computercredit auch beim Bäcker einlösen? Oder wäre es bloß die Währung einer Mikronation namens OpenAI?

Wie das "universal basic compute" technisch implementiert und in der Praxis umgesetzt werden soll, ist unklar. Womöglich müsste der Computercredit als ein NFT-ähnliches Besitzrecht "tokenisiert" und auf einer Blockchain hinterlegt werden. Das würde OpenAI faktisch in den Status einer Bank heben – und durch die Hintertür eine Digitalwährung einführen.

Fraglich ist zudem, ob die steigende Prozessorleistung, die sich gemäß dem Mooreschen Gesetz alle 18 bis 24 Monate verdoppelt, inflationär wirkt, denn im Gegensatz zu Bitcoin, wo die maximale Anzahl an im Umlauf befindlichen Coins auf 21 Millionen begrenzt ist, scheint es bei einem "universal basic compute" keine Geldmengensteuerung zu geben. Die Rechenleistung müsste an die Wertschöpfung gekoppelt werden, sonst würde selbst das größer werdende Stück am GPT-7-Kuchen immer weniger wert. Von einem Anteilsschein an einem noch nicht entwickelten Sprachmodell kann man sich einstweilen noch nichts kaufen. (Adrian Lobe, 30.6.2024)