Oscar Piastri (Zweiter von links) sah sich im Vorjahr den Red-Bull-Ring in Spielberg mit einigen McLaren-Teamkollegen an.
AFP/VLADIMIR SIMICEK

Spielberg – Während für Fans der Formel 1 ein Rennwochenende erst am Freitag mit dem ersten Training richtig losgeht, sind die Fahrer bereits am Donnerstag im Einsatz. Vor den Medienterminen findet da auch der sogenannte Track Walk statt. Dabei wird den Akteuren ermöglicht, die Rennstrecke zu Fuß besichtigen zu können. In Spielberg war dies etwa am Donnerstag von 9:00 bis 11.15 Uhr möglich.

Die Vorgehensweise ist dabei von Team zu Team unterschiedlich, meist sind kleinere Grüppchen unterwegs. Manche Fahrer ziehen nur mit ihrem Renningenieur los, andere nehmen auch Chefingenieur und Pressesprecherin mit, erklärt Red Bull Racing in einem Blogeintrag. Die Rennställe posten regelmäßig Fotos von der gemeinsamen Streckenerkundung.

Moderne Streckensimulatoren sind zwar äußerst realistisch, doch kann ein Track Walk interessante Aufschlüsse bringen, etwa bei äußeren Begebenheiten. So findet man leicht heraus, welche Streckenabschnitte besser oder schlecht vom Wind geschützt sind, wenn man diesen mal mehr, mal weniger im Gesicht spürt. Der Rundkurs in Sotschi, wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine aktuell nicht im Rennkalender, ist dafür ein Beispiel. Die Strecke ist mitten in den Olympiapark gebaut. Stadien rundherum fungieren als Windschutz, dazwischen wehte jedoch mitunter rauer Wind, der die Fahrzeuge destabilisieren konnte.

Bremspunkte und Kerbs

Es ist nicht so, dass die Beteiligten beim Track Walk die gesamte Zeit auf den Asphalt starren. Geraden sind zum Beispiel meist weniger relevant. Spannend wird es in den Kurven. Hier können die Fahrer etwa schon Bremspunkte durchgehen oder die Kerbs beäugen. Wie hoch sind sie? Wie stark soll man sie im Rennen wirklich ausreizen? Auch Streckenänderungen im Vergleich zum Vorjahr sind interessant. Womit wir wieder beim Red-Bull-Ring in Spielberg wären.

Denn der Grand Prix von Österreich geriet im Vorjahr zur Farce. Etliche Fahrer erhielten für das Überfahren der Streckenbegrenzungen lange nach Rennende noch Zeitstrafen. Als Konsequenz daraus wurde ein temporäres Kiesbett installiert. Dieses soll heuer verhindern, dass sich die Piloten in den letzten beiden Kurven der Strecke einen Vorteil verschaffen und deshalb zahlreiche Strafen ausgesprochen werden. Es ist davon auszugehen, dass die Fahrer diese Passage im Vorfeld genau studieren werden.

Ein anderes Beispiel ist, wenn auf Rennstrecken neuer Asphalt verlegt wurde. Frischer Asphalt hat einen anderen Grip als der alte rundherum. Rio Haryanto fuhr 2015 für Manor. Er achtete beim Track Walk am meisten auf die Kurvenneigung. "In Videos sieht diese manchmal nicht so dramatisch aus. Aber wenn man durch die Kurve geht, merkt man es", sagte er dem Bleacherreport.

Bodenwellen und Bouncing

Auch Bodenwellen kann man beim Drübergehen mitunter erkennen. Für Teams eine wichtige Info, wenn die eigenen Autos mit Bouncing zu kämpfen haben. Dabei werden Autos bei hoher Geschwindigkeit auf den Boden gepresst, bis sie kurz den Asphalt berühren und so wieder hochgedrückt werden. Wenn sich das mehrfach wiederholt, hoppeln die Boliden oftmals regelrecht dahin. Vor allem 2022 wurden die Fahrer dabei teilweise heftig durchgerüttelt. Als Folge wurden damals unter anderem die Außenkanten der Wagen-Unterböden um 15 Millimeter erhöht.

Mehrere Männer gehen nebeneinander.
Zhou Guanyu (Mitte) und seine Sauber-Teamkollegen auf der Strecke in Australien.
IMAGO/Simon Galloway

4,3 Kilometer ist eine Runde am Red-Bull-Ring lang. Weil über die Jahre immer mehr Akteure den Track Walk mit Rollern oder Fahrrädern absolviert haben und der Verkehr auf der Strecke betriebsamer wurde, wurden Fortbewegungsmittel im Frühjahr 2023 nach dem Grand Prix von Bahrain kurzerhand verbannt.

Wertvolle Zeit

Track Walks sind nicht verpflichtend. Die Erfahrung spielt eine Rolle. Rookies werden die Möglichkeit eher nützen als Routiniers. Lewis Hamilton (342 Grand-Prix-Starts) hielt Streckenbegehungen 2018 für eine "völlig veraltete Methode". Manchmal macht er dann aber doch mit, etwa in Katar 2023, weil Randsteine verändert wurden. Max Verstappen sagte einmal, dass er lieber noch ein paar Minuten länger im Bett bleiben würde. "Wenn ich etwas über die Strecke wissen will, dann fahre ich meine Outlap langsamer und sehe mich um."

Für andere Fahrer ist der Track Walk ein Ritual. Jean-Eric Vergne, von 2012 bis 2014 für Toro Rosso unterwegs, sagte: "Wir machen die Zonen aus, in denen man auf Angriff fahren kann, und jene, in denen Vorsicht geboten ist. Das Gehirn nimmt all diese Informationen auf, und es ist erstaunlich, wie viel einem davon sofort wieder einfällt, wenn man zum ersten Mal auf der Rennstrecke unterwegs ist."

Wegen des dicht getakteten Programms bietet ein Track Walk noch einen anderen Vorteil: "Es ist gut, Zeit mit den Ingenieuren verbringen zu können, ohne unterbrochen zu werden", sagte Pascal Wehrlein (39 GP-Starts 2016–2017) einmal: "Sonst haben wir nie eine Stunde ohne Ablenkung zusammen." (Andreas Gstaltmeyr, 27.6.2024)

Das Programm in Spielberg

DONNERSTAG (27. Juni):
15.20: Pitlane Walk

FREITAG (28. Juni):
08.55: Training Formel 3
10.05: Training Formel 2
12.30: Training Formel 1
14.00: Qualifikation Formel 3
14.55: Qualifikation Formel 2
16.30: Sprint-Qualifikation Formel 1
18.00: Training Porsche Supercup

SAMSTAG (29 Juni):
09.30: Sprintrennen Formel 3
12.00: Sprint Formel 1
13.30: Sprintrennen Formel 2
14.50: Qualifikation Porsche Supercup
16.00: Qualifikation Formel 1
#17.50: Legenden-Parade Warm-up

SONNTAG (30. Juni):
08.30: Feature Race Formel 3
10.00: Feature Race Formel 2
11.45: Rennen Porsche Supercup
12.30: Legenden-Parade
13.00: Fahrerparade Formel 1
14.46: Bundeshymne
15.00: Formel 1 Grand Prix von Österreich (71 Runden oder 120 Min.)

Streckendaten Red Bull Ring:
Länge: 4,318 km
Kurvenanzahl: 10
Seehöhe: 677 m
Höhenunterschied: 65 m
Maximale Steigung: 12 Prozent
Maximales Gefälle: 9,3 Prozent
Breite der Strecke: 12-13 m
Rundenrekord: 1:05,619 Min. (236,890 km/h Schnitt) Carlos Sainz (ESP) 2020