Harry Kane (links) und Gareth Southgate erleben verkrampfte Zeiten. Ihr Fußball ist erfolgreich, aber zum Davonlaufen.
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Köln – Der Guardian sah Englands Nationalmannschaft Fußballspielen und bekam es mit der Angst zu tun. Wenn es wirklich so weit wäre und "Football’s coming home" am 14. Juli einträfe: "Wie können wir ihn fernhalten? Vorhänge vorziehen, hinter der Couch verstecken." Dieser Fußball, den Teamchef Gareth Southgate seine Three Lions da auf den Platz zaubern lässt, den will man wirklich nicht im Wohnzimmer haben. Nach dem 1:0 gegen Serbien und dem 1:1 gegen Dänemark war das 0:0 gegen Slowenien ein weiterer Tiefpunkt der an solchen so reichen englischen Teamgeschichte.

Gemäß Expected Goals, die die Wertigkeit sämtlicher Chancen quantifiziert, waren Englands letzte zwei Spiele toter als sämtliche 760 Matches der vergangenen Premier-League-Saison. Diese Statistik belegt, was die Augen ohnehin sehen, sofern man sie sich noch nicht aus Selbstschutz rausgelöffelt hat. Der Guardian verglich das Verfolgen der englischen EM mit der Qual, mit "einem Müllsack voll Fleisch sehr langsam und methodisch zu Tode geprügelt zu werden".

Auch die mitgereisten Fans teilen diese Einschätzung. Sie buhten Southgate nach Abpfiff aus, warfen sogar Bierbecher. Wie wacker sie in Halbzeit zwei gesungen haben, hatte angesichts des Gezeigten schon etwas Widerständiges. Auf inhaltliche Kritik an seinem uninspirierten Sicherheitskick ging der Teamchef nach dem Match kaum ein, dafür gefiel er sich als Blitzableiter. "Ich verstehe das Narrativ. Es ist besser für das Team, wenn ich das abkriege, als wenn es gegen sie geht. Es sorgt aber für ungewöhnliche Umstände, die kein anderer Achtelfinalist hat."

Sicherheitskick

Dem könnte man entgegenhalten: Kein anderes Team spielt derart uninspirierten Fußball, geschweige denn ein Team mit einer so beneidenswerten Heerschar an Brieskickern. Ja, die Three Lions lassen verdammt wenig zu, in drei Spielen nämlich genau ein Gegentor. Nicht einmal das EM-Gespenst Eigentor konnte Jordan Pickford bezwingen, nur ein Tausendguldenschuss des Ex-Admiraners Morten Hjulmand fand seinen Weg in ein englisches Netz.

Aber vorne? Wo Phil Foden, Jude Bellingham und Bukayo Saka umrühren und Harry Kane Tore am Fließband auflegen könnten? Flaute. Foden, in den ersten zwei Spielen auf dem ungeliebten linken Flügel noch gestrandet wie Robinson Crusoe, hatte ein paar gute Momente; Kane war fleißig, Saka motiviert, Bellingham anwesend.

Mittelfeldraser Conor Gallagher wurde zur falschen Zeit in das falsche kalte Wasser geworfen, nach 45 wirren Minuten durfte er draußen bleiben. Sein Ersatzmann Kobbie Mainoo machte Englands Spiel etwas zusammenhängender, flüssiger und mutiger, trotzdem blieb Weltklassegoalie Jan Oblak völlig unterfordert. So bescherten die Three Lions Slowenien das erste Bewerbsspiel ohne Gegentor seit Oktober.

"Die Tore werden kommen", sagte Southgate. "Wir hatten intern tolle Gespräche", beteuerte Declan Rice. "Es ist toll, wie offen und ehrlich wir miteinander sind. Wenn auf dem Platz etwas nicht passt, reden wir darüber, arbeiten daran und machen es besser."

Der einfachere Weg

Da Englands Sieg gegen Serbien das einzige Nichtremis der ganzen Gruppe blieb, darf der einstige Turnierfavorit als Gruppensieger auf die papiergemäß entspanntere Seite des Turnierbaums. Während das zweitplatzierte Dänemark am Samstag in Dortmund gegen Deutschland antreten muss und dann im Viertelfinale wohl auf Spanien träfe, bekommt England einen Gruppendritten. Im Viertelfinale würde ein Duell mit der Schweiz oder Italien folgen. (Martin Schauhuber, 26.6.2024)