Lieferkettenrisiken – wie zuletzt in der Pharmabranche – rechtzeitig zu erkennen kann Betriebe vor Turbulenzen bewahren. Doch oft fehlt es an Kapazitäten und Know-how.
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Nach zwei Jahren der Verhandlungen war es im Mai so weit: Das umstrittene EU-Lieferkettengesetz, mit dem Kinder- und Zwangsarbeit verhindert werden soll, trat in Kraft. Die Furcht vieler Unternehmen vor kaum erfüllbaren Dokumentationspflichten war bis zuletzt groß – vor allem in Österreich wehrte man sich vehement.

Doch ausgerechnet dort sitzt nun auch einer der Profiteure des EU-Regelwerks: das Wiener Start-up Prewave, 2017 aus einem Forschungsprojekt der Technischen Universität (TU) Wien entstanden. Mittels Künstlicher Intelligenz (KI) werden Medienberichte und verfügbare Zolldaten aus aller Welt analysiert und Risiken in den Lieferketten identifiziert. In einem Feed werden die Ergebnisse den Unternehmen angezeigt – sie können dann rechtzeitig darüber entscheiden, wie sie mit den Risiken umgehen.

Das Kundenportfolio von Prewave hat sich innerhalb eines halben Jahres von rund 130 auf 200 Unternehmen ausgeweitet, darunter prominente Milliardenkonzerne wie Ferrari und Reinigungsgerätehersteller Kärcher. Das Umsatzwachstum ist eigenen Angaben zufolge rasant, verdreifachte sich im vergangenen Jahr. Konkrete Zahlen blieb man bislang allerdings schuldig.

Spotify-Investor mit an Bord

Das Wachstum blieb aber jedenfalls auch bei Investoren nicht unbemerkt. Nachdem das Lieferketten-Start-up vor zwei Jahren bereits elf und im Mai vergangenen Jahres weitere 18 Millionen Euro an Investorengeldern hatte einsammeln können, erreichte die jüngste Finanzierungsrunde neue Sphären. 63 Millionen Euro flossen an das Tech-Unternehmen von Lisa Smith und Harald Nitschinger.

Angeführt wurde die Finanzierungsrunde vom Londoner Technologie-Investor Hedosophia, der Rest wurde von fünf Bestandsinvestoren beigesteuert, darunter auch Klarna- und Spotify-Investor Creandum. "Wir glauben daran, dass Prewave die führende globale Plattform für das Risikomanagement in der Lieferkette wird", zeigte sich Fonds-Investorin Sabina Wizander im Handelsblatt überzeugt.

Eine Vision, die auch Prewave-Mitgründer Harald Nitschinger teilt. "Heute sind wir eine europäische Firma, in zwei bis drei Jahren wollen wir aber eine globale Firma sein." Dazu beitragen soll das nunmehrige Großinvestment. Damit soll die KI verbessert, die geografische Expansion vorangetrieben werden. Das Zeitfenster dafür könnte nicht besser sein.

Denn zwei Jahre haben die EU-Mitgliedsstaaten Zeit, das Lieferkettengesetz umzusetzen. Das bedeutet auch: zwei Jahre, in denen Anbieter wie Prewave weitere der rund 6000 betroffenen Unternehmen an Land ziehen können. (Nicolas Dworak, 26.6.2024)