Ralf Rangnick, David Alaba
Ihr könnt das schaffen, sagt ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick den Teamkickern, ihr schafft das! Und der derzeit verletzte David Alaba assistiert ihm dabei. Ergebnis: der sensationelle Gruppensieg vor Frankreich, den Niederlanden und Polen.
EPA/HANNIBAL HANSCHKE

Teamchef Ralf Rangnick ist ein mutiger Mann, auch deshalb steht Österreich im Achtelfinale der Fußball-EM. Nach dem sensationellen Gruppensieg vor Frankreich, den Niederlanden und Polen ist Euphorie angesagt. Sie wird zumindest eine Woche lang anhalten, Österreich spielt erst am Dienstag ums Viertelfinale. "Ist Österreich ein ernstzunehmender Titelkandidat?", fragt sich schon der Guardian. So weit muss und will man nicht gehen, doch auch Rangnick hält fest: "Jetzt geht es erst richtig los, so sehen wir das."

Mutig, wie gesagt. Es beeindruckt, wie sehr Rangnick von der Qualität des Teams überzeugt ist und wie er auch die Spieler von seiner Überzeugung überzeugt. Alle zusammen, jeden Einzelnen. Ihr könnt das schaffen, sagt er ihnen, ihr schafft das! Schlüsselszene: Christoph Baumgartner schüttelt nach seinem Tor gegen Polen alle Mitspieler ab, rennt zur Trainerbank und fällt Rangnick um den Hals. Später sagt er, dass er dem Teamchef danken wollte, der sich ihm in der Halbzeitpause persönlich gewidmet und ihm gut zugeredet hatte.

Arnautovic und Außenwelt

Oder Marko Arnautovic. Wie viele Experten hatten den 35-Jährigen vor der EM nicht fast auf dem Abstellgleis oder maximal als Edeljoker gesehen! Und dann spielt Arnautovic gegen Polen, und dann verhilft er Baumgartner zum 2:1, und dann assistiert er Marcel Sabitzer, der einen Elfmeter herausholt, und dann verwandelt Arnautovic diesen Elfer in der 78. Minute. Nach dem Spiel sagt er: "Natürlich hört man von der Außenwelt. 'Der ist zu alt, der kann das Spiel vom Ralf Rangnick nicht mehr.' Ich denke, es ist nicht so. Ich kann noch immer." Dass er kann und dass er das zeigen kann, ist Rangnicks Verdienst.

Oder Florian Grillitsch! Der zieht im Mittelfeld die Fäden und einem mit Ballverlusten manchmal den letzten Nerv. Ein Ballverlust verhalf den Niederlanden zum zwischenzeitlichen 1:1, doch Rangnick hielt an Grillitsch fest, und der bedankte sich mit dem grandiosen Assist zum 2:1.

Oder die Außenläufer! Oder die Innenverteidiger! Rangnick bringt einen nach dem anderen, und einer nach dem anderen macht seinen Job, auch gegen Kapazunder wie Mbappé, Lewandowski oder Gakpo. Und sie rennen und rennen, sie machen ihr Spiel.

Was es alles braucht

Österreich ist kein großes Fußballland, kein großes Sportland. Ganz im Gegenteil. In Österreich hat Sport keinen hohen Stellenwert. Fußball, Formel 1 und im Erfolgsfall noch Tennis und Skifahren sind von breiterem Interesse. Ansonsten werden selbst Siege nur kurz registriert, siehe Eishockey, siehe Handball, Radsport, Leichtathletik, Schwimmen et cetera.

Fast überall fehlt es an nötiger Infrastruktur. Schwimmhallen sperren zu. In Wien gibt es keine moderne Sporthalle, keine Leichtathletikanlage, kein Radstadion mehr. Von einem adäquaten Fußball-Nationalstadion ganz zu schweigen. Und da geht es gar nicht darum, dass Österreich noch größere Sporterfolge feiert. Da geht es darum, Menschen und vor allem Kinder in Bewegung zu bringen und für Sport zu begeistern, auf dass sie länger gesund leben.

Das wär's, wenn der Erfolg des Fußballteams nicht nur kurzfristig euphorisieren, sondern sich langfristig niederschlagen würde. Mit dem Bau eines neuen Nationalstadions und, und, und, und, und. Fast wünscht man sich Ralf Rangnick und seinen Zuruf herbei: Ihr könnt das schaffen, ihr schafft das! (Fritz Neumann, 26.6.2024)