US-Journalist Evan Gershkovich ist in Russland wegen Spionage angeklagt. Der Prozess gegen ihn begann am Mittwoch und wurde vertagt.
US-Journalist Evan Gershkovich ist in Russland wegen Spionage angeklagt. Der Prozess gegen ihn begann am Mittwoch und wurde vertagt.
AFP/NATALIA KOLESNIKOVA

Jekaterinburg - In Russland hat der Spionageprozess gegen den seit fast 16 Monaten inhaftierten US-Reporter Evan Gershkovich begonnen. Zum Auftakt wurde der Korrespondent des "Wall Street Journal" im Gericht in Jekaterinburg kurz Medienvertretern präsentiert. Er stand kahlrasiert in einem Glaskasten im Gerichtssaal. Der Prozess selbst findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der erste Verhandlungstag endete nach mehreren Stunden. Die nächste Sitzung soll am 13. August stattfinden.

Die Vertagung auf August könnte ein Hinweis darauf sein, dass sich der Fall über Monate hinziehen könnte. Präsident Wladimir Putin hatte erklärt, dass Russland im Fall Gershkovich offen für einen Gefangenenaustausch mit den USA sei und es bereits Kontakte dazu gegeben habe.

Im März festgenommen

Der 32-jährige Gershkovich war am 29. März 2023 vom Inlandsgeheimdienst FSB in Jekaterinburg im Ural festgenommen worden. Ihm wird Spionage für den US-Geheimdienst CIA vorgeworfen. Den Ermittlungsbehörden zufolge sammelte er im Auftrag der CIA in der Region Swerdlowsk geheime Informationen über die Arbeit eines Rüstungsunternehmens zur Herstellung und Reparatur von Militärausrüstung. Im Falle einer Verurteilung droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu 20 Jahren.

Staatsanwalt Mikael Osdojew bekräftigte die Vorwürfe gegen Gershkovich. Es gebe Beweise dafür, dass Gershkovich geheime Informationen über ein russisches Rüstungsunternehmen für die CIA gesammelt habe, sagte er der Nachrichtenagentur Reuters. Gershkovich, seine Zeitung und die US-Regierung weisen alle Vorwürfe zurück. "In seinem Fall geht es nicht um Beweise, Verfahrensnormen oder Rechtsstaatlichkeit. Es geht darum, dass der Kreml amerikanische Bürger nutzt, um seine politischen Ziele zu erreichen", erklärte die US-Botschaft und forderte Gershkovichs sofortige Freilassung. Das "Wall Street Journal" erklärte, Gershkovich habe als akkreditierter Journalist lediglich seine Arbeit in Russland gemacht.

Anklage entbehrt jeglicher Grundlage

Das US-Präsidialamt nannte die Vorwürfe lächerlich. Auch die US-Regierung hatte mit deutlichen Worten auf die bisher nicht bewiesenen Vorwürfe reagiert. "Die Anklage entbehrt jeglicher Grundlage", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller, in Washington. "Journalismus ist kein Verbrechen. Die Vorwürfe gegen ihn sind falsch, und die russische Regierung weiß, dass sie falsch sind. Er sollte sofort freigelassen werden."

Vor dem Prozessauftakt durften Journalisten Film- und Fotoaufnahmen des 32-Jährigen machen. Der Journalist stand kahlrasiert, mit Jeans und braunem Hemd bekleidet und mit verschränkten Armen in einer separaten Glasbox im Gerichtssaal. Er nickte lächelnd Medienvertretern zu, die er wohl teilweise kannte. Weder Medien noch Freunde, Familienangehörige oder Mitarbeiter der US-Botschaft dürfen Gershkovich unterstützen. Der Ausschluss der Öffentlichkeit ist bei Spionage- oder Hochverratsprozessen in Russland üblich.

"Fake News"

Laut Kreml laufen Gespräche zu einem Gefangenenaustausch um Gershkovich. Die Inhaftierung von US-Bürgern in Russland zieht oft komplizierte Verhandlungen zwischen Moskau und Washington über eine Freilassung oder einen Austausch nach sich. Trotz der gespannten russisch-amerikanischen Beziehungen gab es in der Vergangenheit immer wieder Gefangenenaustausche.

Zahlreiche westliche Medien haben ihre Mitarbeiter aus Russland abgezogen, nachdem Putin im Zuge des Angriffskriegs gegen die Ukraine harte Gesetze für die "Diskreditierung" der Streitkräfte oder die Verbreitung von "Fake News" erließ. Gershkovich ist einer der wenigen verbliebenen Reporter aus dem Westen. Die russisch-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva wurde im vergangenen Jahr verhaftet wegen Verstoßes gegen das Gesetz über "ausländische Agenten" und die Verbreitung falscher Informationen über die Streitkräfte. Sie bestreitet ebenfalls die Vorwürfe und wartet noch auf ihren Prozess. (APA, 26.6.2024)