IT-Fachleute aus dem Ausland haben es in Österreich nach wie vor schwer. Vor allem die Bürokratie und die Unfreundlichkeit sind ein Problem.
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Der junge Mann aus Serbien wirkt verzweifelt. Er will ins nördliche Niederösterreich ziehen, in die Nähe seiner Schwiegereltern. Die Tochter ist erst ein Jahr alt und braucht natürlich permanente Betreuung. Oma und Opa wären bereit mitzuhelfen und würden sich auch freuen, wenn er, Darko, mit seiner Partnerin und der kleinen Tochter in ihre Nähe zieht. Darko ist Softwareentwickler und hat unter anderem schon für Microsoft gearbeitet. Von wo aus er seinen Beruf ausübt, ist eigentlich egal.

Doch er findet keine Unterkunft, egal ob zur Miete oder zum Kauf. Denn: Darko spricht neben Serbisch perfektes Englisch, aber kaum Deutsch. Deshalb will ihm niemand eine Unterkunft geben, selbst wenn seine Frau, eine gebürtige Niederösterreicherin, bei den Besichtigungsterminen dabei ist. Willkommen fühlt sich Darko mit seiner Familie in Österreich nicht. Wenn das mit der Herbergssuche nicht bald etwas wird, dann muss er ins nahe Tschechien ausweichen.

Jetzt liegt es natürlich nahe zu sagen: Geh doch nach Wien oder Graz, wo man angeblich aufgeschlossener ist und wo es etablierte Communitys gibt. Aber für Darko ist die Nähe zu den Schwiegereltern zu wichtig. Es muss das nördliche Niederösterreich sein. Im schlimmsten Fall verliert Österreich eine IT-Fachkraft, auf die man "händeringend" angewiesen ist, wie es immer so schön heißt.

Darko ist nicht allein

Diese zufällige Begegnung mit dem STANDARD wirft die Frage auf, ob Darko vielleicht einfach nur Pech hatte und alle anderen ausländischen Fachkräfte in der IT-Branche deutlich bessere Erfahrungen machen. Ein Blick in den Expat Insider 2023, eine Umfrage unter 12.000 ausländischen Fachkräften in 172 Ländern, verrät: Nein, Darko ist definitiv nicht allein.

Österreich landet hier im Ranking nur auf Platz 42 von 53 Ländern. Dabei schätzen die ausländischen Fachkräfte die Lebensqualität in Österreich und vergeben Höchstnoten. Österreich belegt Spitzenpositionen in den Bereichen Reisen und Pendeln, Umwelt und Klima sowie Gesundheitsversorgung. Ebenfalls im oberen Bereich werden das Freizeitangebot und die Sicherheitslage bewertet.

Österreicher zu unfreundlich

Die insgesamt schlechte Bewertung kommt von sozialen Faktoren. So belegt Österreich den vorletzten Platz im Ranking, wenn es darum geht, sich vor Ort einzugewöhnen. Willkommen fühlen sich die Menschen in Österreich nicht, wieder ein vorletzter Platz, nur noch vor Kuwait. Auf dem allerletzten Platz landet Österreich bei der Freundlichkeit. Österreich sei ein einsamer Ort für Fachkräfte aus dem Ausland, heißt es da. Durchgeführt wird die Umfrage übrigens von Internations, einem Netzwerk, zu dessen erklärtem Ziel es gehört, Expats miteinander zu vernetzen.

Fast die Hälfte der Befragten gibt an, dass die Österreicherinnen und Österreicher insbesondere gegen ausländische Mitbürger besonders unfreundlich sind. Dazu kommt, dass man in Österreich ohne Bargeld noch immer nicht allzu weit kommt. Das wird von vielen Fachkräften als besonders irritierend eingestuft.

Spurensuche in der heimischen IT-Szene: Ist die Lage wirklich so schlimm, wie es die selbst erlebte Anekdote und die Untersuchung vermuten lassen? Und was sollte sich in Österreich ändern, damit das Land für die dringend benötigten Fachleute attraktiver wird?

Ein Gefühl der Isolation

Arlinda Doci ist eine dieser Fachkräfte. Sie ist Software Development Engineer und für ihren Job bei Cloudflight von Albanien nach Wien gezogen. Anfangs hatte auch sie Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden, und beschreibt ein Gefühl der Isolation. Gleichzeitig kommen noch die Nuancen der Geschäftskultur in Österreich dazu, die man auch erst einmal verstehen muss. Die sprachliche Hürde war ein weiteres Hindernis: Trotz ernsthafter Bemühungen, die Sprache zu lernen, dauert es eben seine Zeit, bis eine effektive Kommunikation möglich ist.

Arlinda Doci kam als Expat nach Österreich zu Cloudflight.
Cloudflight

"Die Bewältigung bürokratischer Prozesse, wie Visum- und Genehmigungsanträge, macht die Sache noch komplizierter und unterstreicht die Bedeutung einer kontinuierlichen Unterstützung", so Doci. Sie spricht sich für eine Vereinfachung der Verfahren aus und würde sich mehr Unterstützung in Bezug auf Arbeitsgenehmigungen, Aufenthaltsgenehmigungen und Visumsanträge wünschen. Ohne die Unterstützung des Arbeitgebers wäre der ganze Prozess noch schwieriger gewesen, meint Doci. Ein verbesserter Zugang zu Sprachkursen wäre ebenfalls dringend nötig.

Zu viele Vorurteile gegenüber "Ausländern"

Julian Mautner, Spieleentwickler und Gründer von Stillalive Studios, beschreibt ganz ähnliche Situationen. In Mautners Unternehmen in Innsbruck arbeiten Menschen aus Deutschland, Italien, England, Polen, Tschechien, Bulgarien und Rumänien an Spielen wie Kindred Vale oder dem Bus Simulator. "Das größte Problem ist die sprachliche Seite. Das Vorurteilsbehaftete und Ausländerfeindliche ist schon zu spüren. In Städten ist es besser, auf dem Land ist es schwieriger. Kaum jemand akzeptiert etwa einen nicht deutschsprachigen Mieter", so Mautner. Dementsprechend sei die Wohnungssuche eine der größten Herausforderungen.

Aber auch die Bürokratie macht es Spieleentwicklern nicht leicht, in Österreich Fuß zu fassen. "Es hängt sehr davon ab, ob der Beamte Englisch spricht oder sprechen will." Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Spielestudios müssen dann einspringen, indem man etwa gemeinsam aufs Meldeamt geht. "Wenn das Gegenüber Englisch spricht, dann passt's meistens eh. Es ist aber schon ein Akt, an die Rot-Weiß-Rot-Karte zu kommen." Da Softwareentwickler als Mangelberufe gelten, habe es bislang noch nie das Problem gegeben, dass eine Rot-Weiß-Rot-Karte nicht ausgestellt wurde. "Die Frage ist immer nur, wann", so Mautner, der sich für mandatorische Englischkenntnisse bei Beamten ausspricht. Und: "Formulare sollten auch auf Englisch angeboten werden."

Vielleicht eher ein Tiroler Spezifikum, aber Mautner plädiert außerdem für Sprachkurse, in denen auch der Dialekt behandelt wird, dieser sei nämlich oft eine zusätzliche Barriere. Aber: "Ein paar nehmen's lustig und lernen absichtlich Dialekt, das kommt durchwegs positiv an."

Kreative haben es besonders schwer

Blick nach Wien: Tanja Gönye ist Chief Operating Officer beim Spieleentwickler Purple Lamp. Dort hat man schon ähnliche Erfahrungen gemacht. Vor allem wenn die Profession der zukünftigen Arbeitskräfte nicht auf der Liste der Mangelberufe steht. "Sobald es etwas Kreatives ist, wird es schwierig", so Gönye. Für Programmierer ist es etwa kein so großes Problem, an eine Arbeitserlaubnis zu kommen, wie für Game-Designer oder Concept-Artists. Verständnis gibt es dennoch: "Wenn man nicht in der Branche arbeitet, ist es natürlich schwierig zu wissen, was ein Game-Designer ist."

Gönye würde sich von den Behörden mehr Servicecharakter wünschen: "Wenn ich zum Amt gehe, erhoffe ich mir Unterstützung und sollte nicht grundsätzlich das Gefühl haben, dass man nur Arbeit für die Beamten ist. Dieser Servicegedanke ist bei einigen durchaus da, bei anderen leider noch nicht." Und: "Nur weil der Beruf für den Sachbearbeiter keinen Sinn macht, heißt das nicht, dass wir ihn nicht brauchen."

"Die Abschaffung der Idiotie"

Martin Filipp ist aktuell Managing Director bei Mi'pu'mi Games in Wien und Vorsitzender des Branchenverbandes Pioneers of Game Development Austria, betont, dass Österreich bei aller Kritik digitaler geworden ist, und da hinken andere Länder hinterher. "Führungszeugnisse gibt es bei uns digital. In anderen Ländern dauert das vier Wochen. Ein Problem ist, dass es mit vielen Ländern keine bilateralen Abkommen gibt. Will etwa eine Person aus Kanada bei einem Unternehmen aus Wien anheuern, müssen Dokumente erst bei der Botschaft beglaubigt und anschließend übersetzt werden." Vieles davon habe mit Österreich an sich gar nichts zu tun, so Filipp.

Dennoch ist Filipp für die "Abschaffung der Idiotie" in Österreich, wie er es nennt. "Damit meine ich das Akademikerdenken, damit können wir in unserer Branche nichts anfangen. Die Kaiserzeit ist lang vorbei, das mit dem Titel könnten wir langsam abschaffen. Bei uns zählt Leistung. Eine gläserne Decke durch fehlende Ausbildung gibt es bei uns nicht."

"Limitierung wäre fatal"

Die Folgen einer restriktiveren Zuwanderungspolitik bei Fachpersonal wären für die IT-Branche fatal, warnt Marlies Steiner, Global Head of People & Culture bei Cloudflight. "Es wäre fatal, die Zuwanderung, insbesondere für Mangelberufe, zu limitieren. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, die zuwandernden Fachkräfte zu unterstützen, erfolgreich in Österreich Fuß zu fassen, und proaktiv die Integration in der Gesellschaft zu fördern. Eine maßgebliche finanzielle und organisatorische Unterstützung bei Sprachkursen wäre hier unserer Einschätzung nach an oberster Stelle." (Peter Zellinger, 28.6.2024)