ORF-Korrespondentin Carola Schneider wurde in Moskau die Akkreditierung entzogen.
ORF-Korrespondentin Carola Schneider wurde in Moskau die Akkreditierung entzogen.
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Wien/Moskau – Das russische Außenministerium hat am Mittwoch der Leiterin des ORF-Korrespondentenbüros in Moskau, Carola Schneider, die Akkreditierung entzogen. Schneider muss zeitnah das Land verlassen. Damit sind nach der Ausweisung von Maria Knips-Witting vor etwas mehr als zwei Wochen keine ORF-Journalisten mehr in dem kriegsführenden Land vertreten.

Der ORF sieht in einer Aussendung einen "Willkürakt gegenüber unabhängiger Berichterstattung" gegeben. "Der ORF nimmt die Entscheidung Russlands zur Kenntnis, kann diese jedoch überhaupt nicht nachvollziehen", heißt es vonseiten des öffentlich-rechtlichen Medienhauses. Schneider habe seit vielen Jahren "höchstkompetent" aus Moskau berichtet und stets alle Gesetze eingehalten. Sie werde nun – wie auch Knips-Witting – vorerst aus der Auslandsredaktion in Wien "in gewohnter Qualität" über Russland berichten. Einstweilen bemüht sich der ORF um neue Akkreditierungen. Die ORF-Redaktionsvertretung protestierte scharf. "Mit der Ausweisung der beiden untadeligen und kompetenten ORF-Journalistinnen als Folge diplomatischer Vergeltungsmaßnahmen von russischer Seite wird unabhängige Berichterstattung aus Russland erschwert", betonte der ORF-Redaktionsrat in einer Aussendung.

Das Außenministerium bezeichnet den Entzug der Akkreditierung von Schneider als "präzedenzlos" und verurteilt "diesen ungerechtfertigten und inakzeptablen Schritt. Dieser stellt einen weiteren willkürlichen Angriff auf die freie Presse in Russland dar, der jeglicher Grundlage entbehrt. Der Geschäftsträger der Botschaft der Russischen Föderation wurde für heute bereits ins Außenministerium zitiert, wo ihm der Protest über diesen Schritt unmissverständlich kommuniziert werden wird." Das Außenministerium sei mit dem ORF im engen Austausch.

Empörte Reaktionen

Die ORF-Redaktionsvertretung protestierte ebenfalls scharf. "Mit der Ausweisung der beiden untadeligen und kompetenten ORF-Journalistinnen als Folge diplomatischer Vergeltungsmaßnahmen von russischer Seite wird unabhängige Berichterstattung aus Russland erschwert", betonte der ORF-Redaktionsrat in einer Aussendung. "Der Schritt des russischen Außenministeriums ist daher keinesfalls nachvollziehbar und vielmehr als weiterer Angriff auf die Medienfreiheit zu sehen, gegen den wir Protest einlegen."

Kritik kam außerdem von der SPÖ und den Grünen. SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar nannte die Entscheidung einen "schweren Angriff auf die unabhängige Auslandsberichterstattung". Die Ausweisung sei "ein neuer Beleg, dass das Putin-Regime einen Kampf gegen Pressefreiheit und unabhängige Berichterstattung führt." Duzdar appellierte an die Regierung, diplomatische Möglichkeiten zu nutzen, um sicherstellen, dass der ORF wieder direkt aus Russland über den Ukraine-Krieg berichten könne. Eva Blimlinger, Mediensprecherin der Grünen, sprach von einem "schweren Schlag gegen den unabhängigen Journalismus". "Es wäre geboten, dass hier das österreichische Außenministerium tätig wird, und den ORF dabei unterstützt, neue Akkreditierungen zu ermöglichen", so Blimlinger.

Moskau revanchiert sich

Die Nichtverlängerung beziehungsweise Entziehung der Akkreditierung für ausländische Korrespondenten durch das russische Außenministerium zählt seit Jahren zunehmend zum journalistischen Alltag in Moskau. Anders als in der sowjetischen Vergangenheit wurde den betroffenen Korrespondentinnen und Korrespondenten dabei zumeist konkret gar nichts vorgeworfen und die Maßnahme mit Entscheidungen ihrer Herkunftsländer begründet.

Im Fall der ORF-Journalistin Knips-Witting hatte das Moskauer Außenministerium eine Begründung abgegeben: Es handle sich um eine Reaktion auf den Entzug der Akkreditierungen von zwei russischen Korrespondenten der Staatsagentur Tass in Österreich. Demnach hatten die österreichischen Behörden am 30. April dem Tass-Korrespondenten Iwan Popow sowie seiner Kollegin Arina Dawidjan die unbefristete Akkreditierung und den Aufenthaltstitel entzogen sowie die Aufforderung erteilt, das Land innerhalb von zwei Wochen zu verlassen. Im Gegenzug musste eine österreichische Korrespondentin das Land nun verlassen. Mit dem Entzug der Akkreditierung von Schneider dürfte sich Moskau revanchieren. "Sollte Wien seine Entscheidung in Bezug auf A. Dawidjan revidieren, könnte auch Schneider wieder akkreditiert werden", verlautbarte das Ministerium in Moskau.

Schwarze Liste

Maria Knips-Witting hatte seit Jänner 2024 aus Moskau berichtet. Schneider führte das ORF-Büro in Moskau von 2011 bis 2021. Mit 1. Oktober 2023 übernahm sie nach einer Bildungskarenz wieder die Leitung des ORF-Korrespondentenbüros in Moskau. Ihre Vorgänger Paul Krisai und Miriam Beller kehrten nach Wien zurück.

Am Dienstag wurde bekannt, dass Russland zudem die Ausstrahlung der Programme und den Zugriff auf die Internetseiten des ORF blockiert hat. Das erfolgte als Reaktion auf das Ausstrahlungsverbot mehrerer russischer Medien in der Europäischen Union. Insgesamt 81 europäische Medienunternehmen wurden auf eine schwarze Liste gesetzt – darunter auch die Mediengruppe Österreich ("Oe24").

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) wies die Blockade der 81 europäischen Medienunternehmen durch Moskau am Mittwoch "aufs Schärfste" zurück. Den russischen Bürgern den Zugang zu pluralistischer Medienvielfalt einzuschränken stehe "völlig im Widerspruch zu jedem Ansatz, freie und faire Informationen zu haben". Die Maßnahme beweise, welchen Weg der russische Präsident Wladimir Putin eingeschlagen habe, "dass hier Medienvielfalt unterdrückt wird". Die EU-Außenminister würden dazu noch "sehr klar Position beziehen", kündigte Schallenberg an. Der russische Botschafter sei aus Protest ins Außenamt zitiert worden, teilte der Außenminister mit. (red, APA, 26.6.2024)

*Wird laufend ergänzt