Der Planet Jupiter zählt zu den hellsten Objekten am Nachthimmel, in klaren Nächten ist er praktisch nicht zu verfehlen, wenn man weiß, wo man hinsehen soll. Dennoch sind selbst den besten erdgebundenen Teleskopen Grenzen gesetzt, wenn es um die Beobachtung des Gasriesen geht. Während die hellen Polarlichter des Jupiters noch einigermaßen gut beobachtet werden können, sind subtilere Vorgänge in den äußersten Atmosphärenschichten des Planeten nur unter Schwierigkeiten auszumachen.

Aussagekräftiger sind da schon Beobachtungen mit Weltraumteleskopen, allen voran mit dem James-Webb-Teleskop, das 2022 ins All geschickt wurde. Mithilfe seiner empfindlichen Infrarotkameras ist es Forschenden nun gelungen, hohe Atmosphärenschichten des Jupiters über dem berühmten Großen Roten Fleck mit bisher unerreichter Auflösung zu untersuchen. Dabei fiel den Astronomen merkwürdige, bisher unbekannte Strukturen auf.

Jupiter in Infrarot
Die Aufnahme des James-Webb-Teleskops zeigt Jupiter im Infrarotlicht.
Foto: ESA/Webb, NASA & CSA, Jupiter ERS Team, J. Schmidt, H. Melin, M. Zamani

Fern der Sonne

Die höchste atmosphärische Schicht des Jupiter, die sogenannte Ionosphäre, bildet gleichsam eine Schnittstelle zwischen dem Magnetfeld des Planeten und den darunter liegenden Atmosphärenschichten. Hier entstehen die teilweise sehr hell leuchtenden Nord- und Südlichter, die ihren Ursprung in Atomen haben, die vom vulkanisch aktiven Jupitermond Io ausgestoßen werden. Nähert man sich dem Äquator, spielt der Einfluss des Sonnenlichts für die obere Atmosphäre eine immer größere Rolle. Da Jupiter nur rund vier Prozent des Sonnenlichts abbekommt, das auf die Erde fällt, gingen Fachleute bisher davon aus, dass diese Region der Jupiter-Gashülle weitgehend homogen ist.

Jüngste Beobachtungen haben ein Forschungsteam um Henrik Melin von der University of Leicester in Großbritannien eines Besseren belehrt. Die Gruppe hatte im Juni 2022 den Großen Roten Fleck des Jupiter mit dem Nah-Infrarot-Spektrografen (NIRSpec) des James-Webb-Teleskops ins Visier genommen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand vor allem die Frage, ob die Ionosphäre in niedrigeren Breitengraden tatsächlich so eintönig ist, wie man annimmt.

Jupiter in Infrarot
Der Ausschnitt rund um den Großen Roten Fleck offenbarte dem Forschungsteam Strukturen, die man in der Ionosphäre nicht vermutet hatte.
Foto: ESA/Webb, NASA & CSA, Jupiter ERS Team, J. Schmidt, H. Melin, M. Zamani

Gar nicht langweilig

Dabei erlebte das Team eine Überraschung: Daten, die unter anderem die Integral Field Unit des NIRSpec-Instruments lieferten, sprachen für das Vorhandensein einer Vielzahl komplexer atmosphärischer Strukturen. Man entdeckte Hinweise auf dunkle Bögen, Leuchterscheinungen und helle Flecken, die sich über das gesamte Sichtfeld erstrecken. "Wir dachten vielleicht naiverweise, dass diese Region tatsächlich eher langweilig sein würde", sagte Melin. "Tatsächlich aber ist sie mindestens genauso interessant wie die Auroren des Jupiters, wenn nicht sogar noch faszinierender."

Obwohl Strahlung in dieser Region hauptsächlich von Sonnenlicht verursacht wird, vermutet das Team, dass es noch einen anderen Mechanismus geben muss, der sich auf Eigenschaften und Struktur der Ionosphäre auswirkt. "Eine Möglichkeit sind Schwerkraftwellen – ähnlich wie Wellen, die gegen einen Strand schlagen und gerippelte Strukturen im Sand hinterlassen", erklärte Melin. "Diese Wellen entstehen tief in der turbulenten unteren Atmosphäre, rund um den Großen Roten Fleck, und sie können nach oben steigen und dort für Turbulenzen sorgen."

Parallelen zur Erde

Ein ähnliches Phänomen, allerdings in deutlich schwächerem Ausmaß, kann man auch auf der Erde beobachten, schreibt das Team im Fachjournal Nature Astronomy. "Obwohl der Jupiter ganz anders aussieht als die Erde, können wir durch das Studium des Jupiters viel über unseren eigenen Planeten lernen", sagte Tom Stallard von der Northumbria University, Koautor der Studie.

Jupiter, von Hubble aufgenommen
Erneut der Jupiter, diesmal im sichtbaren Licht und aufgenommen mit dem Hubble-Weltraumteleskop.
Foto: NASA, ESA, Amy Simon (NASA-GSFC), Michael H. Wong (UC Berkeley)

Dass sich dort so viel tut, motiviert die Forschenden dazu, noch tiefer zu bohren: "In Zukunft wäre es interessant zu beobachten, wie sich die Muster, die wir über dem Großen Roten Fleck sehen, verändern und wie sich diese Wellen durch die obere Atmosphäre des Jupiters bewegen", so Stallard. Dies würde auch Hinweise auf den Energiehaushalt dieser Region liefern, der bisher kaum erforscht ist.

Die Erkenntnisse dürften auch einer Mission zum Jupitersystem zugutekommen, die zu den aktuellen Beobachtungen wertvolle Daten beitragen kann: Der Jupiter Icy Moons Explorer (Juice) der Esa ist seit dem 14. April 2023 unterwegs. 2031 soll er dort ankommen und den Gasriesen sowie seine drei großen Monde Ganymed, Callisto und Europa mit seinen elf Instrumenten näher unter die Lupe nehmen. (tberg, 29.6.2024)