Die Unterschiede zwischen dem Gasplaneten Jupiter und der Erde könnten kaum größer sein. Unser Heimatplanet würde rund 1300-mal in den Jupiter passen, den größten Planeten im Sonnensystem. Der Riesenplanet besitzt keine feste Oberfläche, Jupiter besteht zum Großteil aus Gasen, die seinen vergleichsweise kleinen Kern umhüllen. Und die dynamischen Bedingungen in Jupiters Atmosphäre sind extremer als alles, was die Erde kennt: Gewaltige Winde, jahrhundertelang tobende Sturmphänomene, enorme Drücke und seine schnelle Rotation prägen den Jupiter und verleihen ihm sein gestreiftes Aussehen.

Jupiters großer roter Fleck ist der größte Wirbelsturm im Sonnensystem. Neuesten Forschungsergebnissen zufolge tobt er seit rund 200 Jahren.
NASA/JPL-Caltech/SwRI/MSSS/Gerald Eichstadt/Sean Doran

Was kann man von einem solchen Planeten schon für die Erde lernen? Eine ganze Menge, sagt Eli Galanti. Der israelische Geophysiker vom Weizmann Institute of Science in Rehovot sieht in der Erforschung der komplexen Prozesse in Jupiters Atmosphäre enormes Potenzial dafür, Klimamodelle für die Erde zu verbessern, wie er vor kurzem auf Einladung der Österreichischen Gesellschaft der Freunde des Weizmann Institute of Science in Wien erzählte.

STANDARD: Herr Galanti, Sie haben sich ursprünglich vor allem mit dem irdischen Klima beschäftigt. Wie kamen Sie auf den Jupiter?

Galanti: Mein Hintergrund ist Ozeanografie, ich habe mich in meinem PhD mit dem Klimaphänomen El Niño beschäftigt und dann an der Verbesserung von Prognosen für Klimaentwicklung und Extremwetterereignisse gearbeitet. Am Weizmann-Institut kam ich mit Yohai Kaspi zusammen, der vor allem zu Atmosphären anderer Planeten forscht. In unserer Forschungsgruppe verbinden wir diese Aspekte miteinander: Wir untersuchen die Klimasysteme anderer Planeten, um mehr über unser eigenes herauszufinden.

STANDARD: Wie kann man sich das vorstellen?

Galanti: Jeder Planet hat eine andere Atmosphäre mit anderen Eigenschaften. Die Venus ist ein Gesteinsplanet wie die Erde, hat aber eine viel dichtere Atmosphäre, die hauptsächlich aus CO2 besteht. Jupiter und Saturn sind hingegen riesige Gasplaneten, die sehr schnell rotieren und völlig andere Dynamiken zeigen. Durch die Erforschung dieser unterschiedlichen Systeme können wir besser verstehen, wie die grundlegenden Prozesse funktionieren, die diese Dynamiken erzeugen. Mit diesem Wissen können wir die Modelle verbessern, die das Klima auf der Erde simulieren.

STANDARD: Modelle für das Erdklima werden also bei anderen Planeten getestet?

Galanti: Genau. Jupiter ist ein großartiges Labor für die Klimaforschung, weil wir bestimmte Elemente der Atmosphärendynamik testen können. Die Physik ist ja überall dieselbe. Wir nehmen unsere Klimamodelle und ändern die Parameter wie Größe, Rotationsgeschwindigkeit, Sonneneinstrahlung und so weiter. Wir behalten das Modell bei, stellen es aber sozusagen auf den Jupiter ein. Und wenn es korrekt ist, müsste es auch für den Gasplaneten funktionieren. Wenn das aber nicht der Fall ist, stimmt etwas nicht. Dann müssen wir herausfinden, ob das am Modell liegt oder an unseren Messdaten vom Jupiter. Auf diese Weise können wir Klimasimulationen laufend verbessern.

Eli Galanti ist mit seinen Kolleginnen und Kollegen am Weizmann Institute an der Nasa-Mission Juno und an der Esa-Mission Juice beteiligt.
Matthias Silveri

STANDARD: Zum Erdklima gibt es umfangreiche Daten, Klimasatelliten und Stationen rund um den Globus liefern Messungen in Echtzeit. Wie lässt sich Jupiters Atmosphäre erforschen?

Galanti: Das ist natürlich eine ganz andere Geschichte. Aktuell sind wir an der Nasa-Mission Juno beteiligt, die Raumsonde ist seit 2016 in einer Jupiter-Umlaufbahn und hat schon großartige Ergebnisse für unsere Forschung gebracht. Man muss aber geduldig sein: Juno befindet sich in einer elliptischen polaren Umlaufbahn, die weit vom Jupiter wegführt. Alle eineinhalb Monate gibt es zwei Stunden, in denen die Sonde dem Planeten nahe kommt und Messungen durchführt. Aus Gravitationsmessungen können wir etwa auf Details in der Atmosphäre schließen und auch die Signatur der Winde sehen. Wir konnten auf diese Weise zeigen, dass sich die starken Jupiterwinde in eine Tiefe von 3000 Kilometern unter der Wolkendecke erstrecken. Zum Vergleich: Das Wetter auf der Erde passiert in einer Zone von zehn Kilometern.

STANDARD: Geduld braucht es auch für die nächste Jupitermission, an der Ihre Forschungsgruppe beteiligt ist. Die europäische Sonde Juice, die im Vorjahr gestartet ist, soll 2031 beim Jupiter ankommen. Was versprechen Sie sich davon für Ihre Forschung?

Galanti: Juice wird Jupiter rund hundertmal umkreisen und währenddessen Signale zur Erde senden. Dabei tut sich jedes Mal ein kurzes Zeitfenster auf, in dem das Signal auf seinem Weg zu uns Teile der Planetenatmosphäre durchquert. Das liefert uns wichtige Daten, die Signalunterschiede erlauben Rückschlüsse über die Eigenschaften des jeweiligen Atmosphärenbereichs. Wir sind an der Mission mit einem Instrument beteiligt, das dabei helfen wird, eine dynamische Karte der Jupiteratmosphäre zu entwickeln.

STANDARD: Wenn wir zurück zur Erde schauen, wie gut sind die Modelle zur Vorhersage des Klimas heute?

Galanti: Die brennendste Frage ist, wie sich der Klimawandel entwickelt. Numerische Modelle sind die einzige Möglichkeit, eine Vorstellung davon zu bekommen, was in den nächsten Jahrzehnten passieren wird. Wir müssen uns auf diese Vorhersagen verlassen, es gibt aber Unsicherheiten, die Lösungen der Modelle weichen voneinander ab. Darum ist es so wichtig, diese Modelle laufend zu verbessern. Wir sehen heute, dass Klimawandelprognosen in der Vergangenheit oft zu konservativ waren.

STANDARD: Woran liegt das?

Galanti: Ich beschäftige mich seit 25 Jahren mit dem Klimawandel. Um die Jahrtausendwende gab es viel Diskussion und Kritik an den Modellen, die eine fortschreitende globale Erwärmung prognostizierten. Auch wenn Messdaten die Erwärmung schon anzeigten, war es schwierig, den Klimawandel von natürlicher Variabilität zu trennen und den menschlichen Einfluss genau zu bestimmen. Heute sehen wir, dass die Prognosen grundsätzlich gestimmt haben, den Klimawandel aber eher unterschätzt haben. Es ist schwer zu sagen, was der Grund dafür ist, aber ich denke, es lag vor allem an der frühen Kritik, dass die Prognosen sehr vorsichtig ausfielen. Zum Beispiel, wenn man sich das Eis ansieht: Die Gletscherschmelze im Gebirge und insbesondere der Meereisschwund um den Nordpol wurden in den Modellen völlig unterschätzt. (David Rennert, 7.7.2024)