FFP2-Masken hängen an einem Gitter.
Sic transit gloria mundi: Während vor drei Jahren noch alle wussten, dass dieser Gegenstand eine FFP2-Maske ist, fiel bei einer Verhandlung gegen zwei Angeklagte, die sich damit tarnten, den Beteiligten nur der Begriff "Corona-Maske" ein.
Rolf Poss via www.imago-images.de

Wien – "Die Dame von der Bank hat mich noch gefragt, wofür ich das Geld brauche. Und ich Trottel habe gesagt: 'Es ist eine familiäre Angelegenheit.' Dann hat sie mir die 30.000 Euro gegeben", schildert eine resolute 83-Jährige als Zeugin vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Andreas Hautz. Die Pensionistin wurde zum Opfer des sogenannten Kautionstricks. Das Bargeld sowie Goldmünzen und Schmuck übergab sie den beiden Frauen, die rechts von ihr mit den Vorwürfen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs und der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung auf der Anklagebank sitzen: eine 42-Jährige und ihre 19 Jahre alte Tochter.

Von November bis Jänner waren die beiden in ganz Österreich als "Abholerinnen" unterwegs, zwölf Fälle wirft ihnen die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft vor. 210.200 Euro an Geld und Wertsachen haben sie tatsächlich erbeutet, bei weiteren rund 130.000 Euro ist es beim Versuch geblieben. Bis zu zehn Jahre Haft drohen der Vorbestraften und einem ihrer drei Kinder nun.

Das Opfer sowie Revierinspektor W. von der "Ermittlungsgruppe Falsche Polizisten" beim Landeskriminalamt Niederösterreich schildern, wie perfide, aber gleichzeitig hochprofessionell der Betrug abläuft. Zwei Männer und eine Frau agieren dabei als "Telefonistinnen". Sie sitzen in Callcentern in Polen, Tschechien oder Deutschland, sprechen aber perfekt bundesdeutsches Deutsch. Angerufen werden Personen mit "älter klingenden Namen", wie der Ermittler erzählt: "Sieglinde oder Josefine (einen herzlichen Gruß an Ex-Kollegin Z. an dieser Stelle, Anm.) beispielsweise."

Kaution nach Autounfall

Heben die Opfer ab, wird ihnen suggeriert, ihr Kind habe einen schweren Autounfall mit Personenschaden verursacht, sitze nun in Haft, könne aber gegen eine Kaution auf freien Fuß gesetzt werden. Die Anrufer geben sich dabei als Polizisten, Rechts- und Staatsanwalt aus. "In diesem Fall hieß der angebliche Staatsanwalt Doktor König, einen solchen gibt es im Bundesministerium für Justiz tatsächlich, er ist dort für den Strafvollzug zuständig. Wenn man ihn googelt, könnte das glaubwürdig wirken", beschreibt der Ankläger.

Die psychologisch und rhetorisch geschulten Täter setzen die Opfer unter immensen Druck und hindern sie daran, nachzudenken oder die Verwandten anzurufen, bis die "Abholerinnen" erscheinen und mit der Beute verschwinden. Das Geld wird dann an einen "Logistiker" übergeben, der es außer Landes bringt. Insgesamt 3000 Euro will die 42-jährige Angeklagte als Provision erhalten haben, Ermittler W. spricht dagegen davon, dass erfahrungsgemäß zehn bis 15 Prozent der Schadenssumme üblich sind. Die Hauptprofiteure sind die Hintermänner: zu einer mobilen ethnischen Minderheit gehörende Familienclans.

Geldbedarf für Operation

"Wie ist es dazu gekommen?", will Vorsitzender Hautz von der Erstangeklagten wissen. Sie habe 800 Euro verdient und Geld für eine Operation ihres elfjährigen Sohnes benötigt, erzählt sie. Ein Mann habe sie im heimatlichen Krakau angesprochen, ob sie Sachen aus Österreich abholen könne. "Und warum ist Ihre Tochter dabei?", fragt Hautz. "Ich wollte nicht allein hinfahren, deshalb habe ich sie mitgenommen", lautet die Antwort unter Tränen. "Bei allem Respekt, aber Sie setzen Ihre Tochter dem Risiko einer Gefängnisstrafe aus, da Sie nicht allein fahren wollen?" – "Ja."

Ein weiterer Gefängnisaufenthalt bleibt dem von Philipp Winkler verteidigten Duo nicht erspart: Die Mutter wird zu drei Jahren Haft verurteilt, die Tochter erhält 24 Monate, acht davon unbedingt. Beide Urteile sind rechtskräftig. (Michael Möseneder, 26.6.2024)