Eruption von Lava, die aus einem Kegel schwarzen Gesteins herausbricht
Im Südwesten Islands brechen immer wieder Vulkane aus.
L. Krmíček

Die Blaue Lagune ist für viele Island-Reisende ein Höhepunkt: In dem Freiluftthermalbad im Südwesten der Insel kann man sich in heißem Wasser aus den Tiefen eines Vulkansystems entspannen. In den vergangenen Monaten wurde die Anlage jedoch immer wieder evakuiert und gesperrt, aus Sicherheitsgründen. Die Vulkanregion der Reykjanes-Halbinsel, die 800 Jahre lang ruhig blieb, ist wieder aktiv geworden – dort, wo 70 Prozent der isländischen Bevölkerung leben.

Seit 2021 gab es hier acht Eruptionen, der Notstand wurde offiziell ausgerufen. Die letzte Schließung der Blauen Lagune kam am 8. Juni dieses Jahres (mittlerweile ist sie wieder offen), zum dritten Mal binnen zwei Monaten. Von November 2023 bis Jänner 2024 war das Bad längerfristig zu. Damals durfte auch niemand im nahegelegenen evakuierten Küstendorf Grindavík bleiben, der Riss, aus dem das Magma nunmehr als Lava spritzte, war zu nah, giftige Gase und Lavafluss nicht zu kontrollieren. Der orangefarbene Himmel war bis in die etwa 50 Kilometer entfernte Hauptstadt zu sehen, die je nach Windstand auch von den Gasen betroffen sein kann.

Von der Blauen Lagune aus war die Eruption der Lava am 2. Juni zu sehen. Wenige Tage später wurde das Thermalbad geschlossen.
AP/Marco di Marco

Letzte Ära vor 800 Jahren

Nun dürfte dort also wieder eine aktive Phase und damit eine neue vulkanische Ära begonnen haben. Die letzte sorgte in den Jahren 800 bis 1240 immer wieder für Brände, dauerte also mehrere Jahrhunderte an. Wie ein Forschungsteam nun im Fachjournal Terra Nova schreibt, dürften die aktuellen Ausbrüche der Beginn einer neuen Phase sein, die länger anhalten wird: Die Region müsse sich auf Vulkanausbrüche einstellen, die in den kommenden Jahren und Jahrzehnten immer wieder auftreten.

Bei der Sundhnúkur-Eruption im Jänner 2024 war der Fluss der Lava in die Ortschaft Grindavík zu sehen.
Valentin Troll

Für ihre Untersuchung haben die Forschenden der Universität Island, der schwedischen Universität Uppsala, der tschechischen Akademie der Wissenschaften sowie der US-amerikanischen Universitäten in Kalifornien / San Diego und Oregon Erdbebendaten der vergangenen drei Jahre ausgewertet und Lavaproben von mehreren Orten genommen. Bei den bisherigen Ausbrüchen strömte Lava aus länglichen Rissen in der Erde hervor, weshalb man diese Art von Ausbrüchen auch als Spalteneruption bezeichnet. Einige Häuser wurden dabei von Lava erfasst. In der betroffenen Region lebt nicht nur ein Großteil der Bevölkerung der Nordatlantikinsel – dort liegen auch der einzige internationale Flughafen und mehrere geothermische Kraftwerke, die Warmwasser und Strom für das Land liefern.

Muster der Lava

Das Team verglich das flüssige Gestein in Bezug auf die chemischen und physikalischen Eigenschaften. So wollte es herausfinden, ob es von der gleichen Magmakammer im Untergrund stammt oder von verschiedenen Kammern. Tatsächlich handelt es sich den Untersuchungen zufolge um Magma mit ähnlichen petrografischen Eigenschaften. Das lasse auf ein zusammenhängendes unterirdisches Magmasystem schließen, schreiben die Forschenden.

So sah ein Vulkanausbruch in der Nähe von Grindavík am 10. Juni aus.
AP/Marco Di Marco

Zusammen mit den seismischen Daten kommen sie zu dem Schluss, dass es sich um eine moderat große Magmaansammlung in einer Tiefe von etwa neun bis elf Kilometern handelt, die sich über eine Breite von zehn Kilometern erstreckt. Herausgebildet habe sie sich zwischen den Jahren 2002 und 2020.

Wie lange die neue Ausbruchserie wirklich dauere, können die Fachleute nicht vorhersagen. "Die Natur ist nie regelmäßig", wird Co-Autor Ilya Bindeman, Vulkanologe und Professor für Geowissenschaften an der Universität von Oregon, in einer Aussendung zitiert. Wie lange und wie häufig Ausbrüche in der Region in den nächsten zehn oder gar hundert Jahren stattfinden würden, wisse man nicht, weitere Beobachtungen könnten allerdings auf Muster hinweisen. Das sich wiederholende Muster von Ausbrüchen und Ruhezeiten wird sich den Forschenden zufolge wohl noch über Jahrhunderte erstrecken, die derzeitige Ausbruchsserie eher über Jahre oder Jahrzehnte.

Kürzere Eruptionen

Island liegt auf dem Mittelatlantischen Rücken, also der tektonischen Plattengrenze, an der sich die Nordamerikanische und die Eurasische Platte auseinanderschieben. Dort kommt es deswegen häufig zu Vulkanausbrüchen, doch dauern die Ausbrüche der zentraler gelegenen Vulkane meist nur wenige Tage oder Wochen, so wie im Jahr 2010 der Ausbruch des Vulkangletschers Eyjafjallajökull. Die Spalteneruptionen hingegen können viel länger dauern.

Vulkanologen entnehmen im Juli 2023 Proben bei Fagradalsfjall.
Valentin Troll

Allerdings sind sie auch weniger explosiv als Vulkanausbrüche in anderen Ländern. Daher seien sie für Forschende leichter zu untersuchen: Expertinnen und Experten können sich den Spalten vorsichtig nähern. Bindeman bringt dieses "Naturlabor" zum Staunen, gleichzeitig empfindet er es als beängstigend. Vulkanausbrüche seien "aus geologischer Sicht gewöhnlich, aber aus menschlicher Sicht können sie verheerend sein". (sic, APA, 26.6.2024)