Apples Umgang mit dem Digital Markets Act (DMA) der EU hat dem Unternehmen bereits viel Kritik eingebracht. Das Ganze habe etwas von einem kleinen, trotzigen Kind, war etwa an dieser Stelle vor einigen Monaten zu lesen. Anstatt sich der neuen Realität zu stellen, scheint das Unternehmen darauf zu hoffen, die eigenen Nutzerinnen und Nutzer gegen die EU aufbringen zu können. Ein Paradebeispiel für eine geradezu "bösartige Erfüllung" der Vorschriften wurde Apple für seine neuen App-Store-Regeln denn auch von vielen Beobachtern attestiert.

Eine sehr seltsame Mitteilung

Doch wer gedacht hat, damit sei schon der Höhepunkt der Angelegenheit erreicht, der sah sich vor wenigen Tagen eines Besseren belehrt. Am Freitagnachmittag, also zu jenem Zeitpunkt, an dem Firmen gerne schlechte Nachrichten vergraben, informierte Apple die Öffentlichkeit darüber, dass eine Fülle von bereits angekündigten Features vorerst nicht in der EU erhältlich sein wird. Schuld daran laut Apple: der DMA. Die "regulatorischen Unsicherheiten" würden nicht zuletzt die Veröffentlichung all der unter dem Begriff "Apple Intelligence" zusammengefassten KI-Funktionen in der EU verhindern.

Apples Vorgehen, bildlich kurz zusammengefasst.
IMAGO/Anastasiya Amraeva

Was Apple dabei nicht verriet: welche Teile des DMA es eigentlich sein sollen, die der Veröffentlichung von Apple Intelligence im Weg stehen. Immerhin bietet selbst das zuletzt gerade bei diesem Themen notorisch vorsichtig agierende Google eine Fülle von zu Apple Intelligence sehr ähnlichen KI-Features auf seinen Smartphones an – und zwar eben auch in der EU. Dass das ein Problem in Hinblick auf den DMA sein könnte, auf die Idee ist bisher sonst noch niemand gekommen.

Dazu passt dann auch, dass die große Ankündigung zumindest in Bezug auf Apple Intelligence bei näherer Betrachtung eigentlich gar keine ist. Dessen Veröffentlichung noch im laufenden Jahr stand nämlich für die EU ohnehin nie im Raum. Apple Intelligence soll zwar im Herbst erstmals verfügbar sein, das aber nur in einer frühen Testversion und ausschließlich in den USA und auf Englisch, hieß es Anfang Juni offiziell.

Stimmung machen

Insofern liegt der Verdacht nahe, dass es Apple um etwas ganz anderes geht: Stimmung gegen die EU-Regulierung zu machen. Offenbar hofft man, dass sich die iPhone-Massen erheben und mit dem goldenen Käfig in der Hand nach Brüssel ziehen, um die ohnehin nur sehr begrenzte und von Apple doch verhasste Öffnung des iPhones wieder rückgängig zu machen.

Eine Öffnung, die – nur zur Erinnerung – dermaßen zweifelhaft umgesetzt wurde, dass Apple vor kurzem die zweifelhafte Ehre zuteilwurde, als erstes Unternehmen ganz offiziell eine Strafe in zweistelliger Milliardenhöhe wegen Verstoßes gegen den DMA in Aussicht gestellt zu bekommen. Dass die oben erwähnte Apple-Ankündigung nur wenige Tage nach den ersten Gerüchten zur nahenden DMA-Strafe erfolgte, ist dabei wohl kaum ein Zufall.

iPhone Mirroring

Aber natürlich braucht so ein Druckmittel auch eine Spur von echtem Druck. Also hat Apple in die Liste der angeblich wegen des DMA nicht für die EU umsetzbaren Features auch eines gesetzt, auf das viele iPhone-User mit Sehnsucht gewartet haben: das Teilen des Bildschirms mit einem macOS-Rechner. In der Kombination aus den kommenden iOS 18 und macOS 15 wird es also möglich, das Smartphone vom Rechner aus fernzusteuern. Wer will, kann damit dann etwa Benachrichtigungen für das Smartphone direkt am großen Display mitverfolgen und sogar mit ihnen interagieren.

Mit der am Montag veröffentlichten zweiten Beta von iOS 18 geht das "iPhone Mirroring" nun auch tatsächlich – aber eben nicht in der EU. Technisch irgendwie nachvollziehbare Gründe für diese Entscheidung kann Apple nicht liefern beziehungsweise versucht es gar nicht. Es ist einfach so, und schuld daran ist halt "irgendwas mit DMA".

Ein trotziges Kind

Was bleibt, ist einmal der Eindruck, dass Apple in dieser Causa alles andere als professionell agiert. Wie ein Unternehmen, das glaubt, dass die Spielregeln nur für die Konkurrenz, aber nicht für einen selbst gelten. Man könnte auch erneut sagen: ziemlich kindisch.

Nur um das klarzustellen: Es geht nicht darum, dass Apple jeder Form von Regulierung begeistert zustimmen muss. Natürlich versuchen auch andere Unternehmen, eine für sie möglichst günstige Interpretation der Rechtslage zu finden. Das ist das eine, und das ist auch so weit in Ordnung. Der Versuch, die eigenen User über nicht nachvollziehbare Beschränkungen gegen die EU-Regeln aufzubringen, geht aber weit darüber hinaus. Zumal dieser Plan dermaßen offensichtlich ist, dass er an eine Beleidigung der Intelligenz aller Beteiligten grenzt – egal ob mit oder ohne Apple davor. (Andreas Proschofsky, 26.6.2024)