Der Wiener Rechtsextremist Martin Sellner hat es in den deutschen Verfassungsschutz-Bericht geschafft, der am 18. Juni von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vorgestellt wurde. Er wird darin als "Leitfigur der deutschsprachigen Identitären Bewegung" bezeichnet, und es wird erwähnt, dass Sellner das "von ihm maßgeblich entwickelte Konzept" der "Remigration" auch in Deutschland propagierte. Dahinter steckt nicht nur der Plan, das Leben von Millionen von Menschen mit Migrationshintergrund zu verschlechtern, sondern sie auch aus Deutschland zu vertreiben. Und zwar nicht nur Asylwerbende, auch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger mit Migrationshintergrund. In Österreich fordern das Teile der FPÖ-Parteijugend und andere Freiheitliche.

Passend dazu hat die Freiheitliche Jugend Oberösterreich am 26. Mai dieses Jahres ein Foto auf Telegram veröffentlicht, das Generalsekretär Michael Schnedlitz und Parteichef Herbert Kickl im Kreis jüngerer Männer zeigt. Die Männer trugen T-Shirts mit der Aufschrift "Remigration jetzt". Unter dem Foto ist zu lesen: "Der Volkskanzler und sein Remigrationstrupp!"

Die ausschließlich männliche FPÖ-Jugend pflegt einen
Kickl und sein "Remigrationstrupp".
Screenshot: Der STANDARD

Wie der von den Nationalsozialisten für Adolf Hitler genutzte Begriff "Volkskanzler", gehört auch "Remigration" mittlerweile zum Standardrepertoire der FPÖ. Kurz nach der EU-Wahl stellte sie (ohne jede Chance) den Anspruch auf den Posten einer EU-Kommissarin. Die Nationalratsabgeordnete Susanne Fürst sollte "Remigrationskommissarin" werden. Das klingt harmloser als "Deportationskommissarin", meint aber wohl das Gleiche.

FPÖ verzückt Sellner

Mit der FPÖ ist Sellner höchst zufrieden. In einem aktuellen Beitrag auf der deutschen Onlineplattform Sezession schreibt er, dass "die Partei in der besten Verfassung aller Zeiten" sei. Auch sei die "Parteijugend weltanschaulich fundiert und bewandert in metapolitischer Strategie. Remigration, Souveränität und Kritik an Globohomo sind Markenkern der Freiheitlichen geworden." Auch gibt es keine Distanzierungen mehr. Tatsächlich wirkt es so, als würde die FPÖ-Führungsspitze Verschwörungserzählungen und Begrifflichkeiten von Sellner und anderen "neurechten" Akteuren aufnehmen und wiedergeben. Ein großer Erfolg für Sellner, der das erfolgreiche "Metapolitik" nennt. Damit ist gemeint, dass er und sein ideologisches Umfeld bestimmen, wie und worüber geredet wird.

Laut den Recherchen der Investigativplattform Correctiv trat der deutsche völkische Verleger Götz Kubitschek als Vordenker der "Remigrationspläne" in Erscheinung. Im Sommer 2023 schreibt Kubitschek, ebenfalls in der Sezession, dass bis Ende des Jahres der Begriff "Remigration" in der Gesellschaft platziert werden soll. Diesen Auftrag übernehmen Sellner und der AfD-Politiker Maximilian Krah, der nach der Europawahl aus der AfD-Delegation ausgeschlossen wurde, nachdem er zuvor in einem Interview mit der italienischen Zeitung La Repubblica erklärt hatte, dass nicht alle Mitglieder der SS Verbrecher gewesen seien.

November 2023, Universität Wien: Die Polizei schützt Sellner und Kubitschek vor antifaschistischem Gegenprotest. An diesem Tag gastierte Kubitschek im Parlament – auf Einladung der FPÖ.
Foto: Markus Sulzbacher
Protest gegen Sellner und Kubitschek.
Foto: Markus Sulzbacher

Zusätzlich veröffentlichen Krah sowie Sellner Bücher, die in Kubitscheks Verlag erschienen sind. Krah wurde in seinem Buch sehr deutlich, was genau er und seine Gleichgesinnten mit "Remigration" meinen: "Aber selbst, wenn sich eine restriktive und differenzierende Einwanderungspolitik in zehn Jahren politisch durchsetzen ließe, (…) bleibt die Frage, was mit den dann im Land befindlichen Menschen mit Migrationshintergrund geschehen soll. Das werden in Deutschland prognostisch über 25 Millionen Menschen sein, davon deutlich 15 Millionen deutsche Staatsangehörige."

Identitäre wollen in Wien demonstrieren

Sellner postete Videos in sozialen Netzwerken, um das gemeinsame Anliegen zu verbreiten. In Wien organisierte er im vergangenen Juni eine "Remigrationsdemo" mit, bei der neben Identitären Neonazis, FPÖ-Mitglieder oder auch Funktionäre der Freiheitlichen Jugend und der AfD-Jugend durch Wien marschierten.

Sellner (Mitte) bei dem Umzug der Identitären im Juli 2023 in Wien. Er trägt ein "Remigrations"-Shirt.
Foto: Markus Sulzbacher
Der Umzug der Identitären wurde 2023 blockiert.
Foto: Markus Sulzbacher

Auch dieses Jahr planen Sellner und die Idenititären wieder einen Umzug. Der soll am 20. Juli in der Wiener Innenstadt stattfinden. Dagegen haben antifaschistische Gruppen Protest angekündigt. (Markus Sulzbacher, 30.6.2024)