Jordan Bardella steht in einem TV-Studio, hinter ihm sitzt Publikum.
RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella verteidigte in einem TV-Duell Pläne seiner Partei, Berufsverbote für Doppelstaatsbürger auszusprechen.
AFP/POOL/DIMITAR DILKOFF

Paris – Der französische Rechtspopulist Jordan Bardella hat mit seinem Vorschlag von Berufsverboten für Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit heftige Kritik ausgelöst. "Es gibt 3,5 Millionen Franzosen, die sich durch Ihr Vorhaben stigmatisiert fühlen", sagte der liberale Premierminister Gabriel Attal in einer TV-Debatte vier Tage vor der ersten Wahlrunde zur Nationalversammlung am Dienstag. Die Zahl französischer Doppelstaatsbürger wird auf drei bis fünf Millionen geschätzt.

"Ihre Botschaft lautet, dass Franzosen mit doppelter Staatsangehörigkeit keine echten Franzosen und deswegen nicht vertrauenswürdig seien", fügte Attal hinzu. Bardella verteidigte sich mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit, sensible Posten gegen "mögliche Einmischung aus dem Ausland" zu schützen. "Wollen Sie vielleicht einen Franko-Russen als Chef eines Atomkraftwerks?", fragte der Parteichef des Rassemblement National (RN) rhetorisch.

Die Spitzenkandidaten Bardella, Attal und Bompard auf einem TV-Bildschirm im Zuge ihres Fernsehduells.
Frankreichs Premierminister Gabriel Attal (Mitte) von Macrons Partei Renaissance kritisierte die Pläne der RN in einem TV-Duell scharf.
AFP/STEFANO RELLANDINI

Der Premierminister hielt ihm entgegen, dass Bardellas Fraktion im EU-Parlament eine Sicherheitsberaterin mit französischer und russischer Staatsangehörigkeit habe, die Zugang zu vertraulichen Informationen zum Ukrainekrieg habe. "Es geht Ihnen gar nicht um Franko-Russen auf sensiblen Posten. Sie wollen lediglich eine Botschaft verbreiten, um Stimmen zu gewinnen – nämlich dass Franzosen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit nicht vertrauenswürdig seien", sagte Attal. Er verwies darauf, dass die RN-Fraktionschefin Marine Le Pen vor einigen Monaten erst einen Gesetzesentwurf eingebracht habe, der den Weg dazu freigemacht hätte, Franzosen mit einer weiteren Staatsangehörigkeit den Zugang zu manchen Posten zu verwehren. Der Plan von Le Pen, die selbst 2027 für das Präsidentenamt kandidieren möchte, sieht eine Liste an "einigen wenigen Jobs" vor, die regelmäßig aufgrund von "geopolitischen Problemen" aktualisiert werden soll.

Linke und Liberale wollen RN-Regierung verhindern

Attal, Bardella und der Manuel Bompard von der Linkspartei Unbeugsames Frankreich debattierten am Dienstagabend rund zwei Stunden über die Wahlprogramme ihrer Parteien. Bompard vertrat dabei das links-grüne Wahlbündnis Neue Volksfront, das sich für den Fall eines Wahlsiegs noch immer nicht auf einen Kandidaten für das Amt des Premierministers geeinigt hat. Etwa 220 Politiker und Vertreter der Zivilgesellschaft hatten zuvor in einem Beitrag in der Zeitung Le Monde dazu aufgerufen, drittplatzierte Kandidaten in der Stichwahl zurückzuziehen, um einen Wahlsieg der Rechtspopulisten zu verhindern. Nach französischem Wahlrecht entscheiden sich die Wähler in der ersten Runde zwischen Vertretern mehrerer Parteien. In den meisten Fällen kommt es anschließend zu einer Stichwahl.

Bompard redet vor einem Banner der Neuen Linksfront, umringt wird er von anderen Politikern des Wahlbündnisses.
Manuel Bompards (Mitte) Neue Volksfront, ein Zusammenschluss linker, sozialistischer und kommunistischer Parteien, kommt in Umfragen auf Platz zwei hinter dem RN.
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Laut aktuellen Umfragen liegt der RN bei etwa 36 Prozent, gefolgt von der Neuen Volksfront mit knapp unter 30 Prozent. Das liberale Lager von Präsident Emmanuel Macron liegt abgeschlagen bei gut 20 Prozent. Die Wahl betrifft nicht das Präsidentenamt, das erst 2027 neu gewählt wird. Macron hat einen Rücktritt mehrfach ausgeschlossen. Falls sich nach der Parlamentswahl keine klaren Mehrheitsverhältnisse ergeben, könnte Macron auch einen Technokraten ohne Parteibuch zum Regierungschef ernennen.

Macron hatte nach der Niederlage seiner Partei bei der Europawahl überraschend vorgezogene Parlamentsneuwahlen am 30. Juni und 7. Juli ausgerufen. Damit löste er auch im eigenen Lager heftige Kritik aus. Viele seiner bisherigen Weggefährten werfen ihm vor, den Rechtspopulisten ohne Not den Weg an die Macht zu ebnen. (APA, red, 26.6.2024)