Julian Assange beim Verlassen des Gerichts in Saipan
Julian Assange beim Verlassen des Gerichts in Saipan.
EPA/SAMANTHA SALAMON

London/Saipan – Ein US-Gericht hat den Deal zwischen Wikileaks-Gründer Julian Assange und der amerikanischen Justiz im Zusammenhang mit Spionagevorwürfen abgesegnet und seine Freilassung besiegelt. Das berichteten die BBC und der Guardian am Mittwoch aus dem Gerichtssaal auf der Marianen-Insel Saipan, einem US-Außengebiet im Pazifik. Demnach kommt der 52-Jährige im Gegenzug für ein Schuldbekenntnis nach seiner in Großbritannien verbüßten Haft auf freien Fuß.

Richterin Ramona Manglona sagte nach Angaben der anwesenden Reporter, Assange könne "den Gerichtssaal als freier Mann verlassen". Assange ist der Protagonist eines großen Spionageskandals. 2006 hatte der Australier die Plattform Wikileaks gegründet mit der Mission, Whistleblower zu unterstützen und verborgene Informationen ans Licht zu bringen. Von 2010 an veröffentlichte Wikileaks geheimes Material der Whistleblowerin Chelsea Manning über US-Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan. Die USA warfen Assange in der Folge vor, geheimes Material gestohlen, veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht zu haben.

Haftstrafe abgegolten

Die US-Justiz wollte Assange lange Zeit wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen. Bis zu 175 Jahre Haft hätten ihm in den USA gedroht. Stattdessen handelte er mit der US-Justiz zuletzt einen Deal aus und bekannte sich nun der Verschwörung zur unrechtmäßigen Beschaffung und Verbreitung von geheimen Unterlagen schuldig. Richterin Manglona legte laut BBC und Guardian fest, dass als Strafmaß jene Zeit gelte, die der Internetaktivist bereits in London in einem Hochsicherheitsgefängnis verbüßt hat.

Durch den Justizdeal bleiben Assange ein Prozess und potenziell weitere Haft in den USA erspart. Die USA hatten bisher seine Auslieferung aus Großbritannien verlangt. Stattdessen konnte der 52-Jährige nun in seine Heimat zurückkehren.

In Australien gelandet

Die Chartermaschine vom Typ Bombardier mit Assange an Bord landete am Mittwochabend (Ortszeit) in der Hauptstadt Canberra, wie Daten der Plattform "Flightradar24" zeigten. Assange ist mit einem Businessjet von Großbritannien über die Marianen-Insel Saipan in seine Heimat Australien zurückgekehrt. Der Flug kostete nach Angaben seiner Frau Stella 520.000 US-Dollar (etwa 486.000 Euro). Einen Linienflug durfte der 52-Jährige demnach nicht nehmen.

Das Geld für den Flug muss Assange der australischen Regierung zurückzahlen. Dabei dürfte sich der Wikileaks-Gründer auf seine Unterstützer verlassen können. Auf einer Crowdfundingwebsite waren nach einem Spendenaufruf zum Zeitpunkt der Landung Assanges in Australiens Hauptstadt bereits 344.000 britische Pfund (etwa 436.000 Dollar) zusammengekommen.

Video: Julian Assange ist frei.
AFP

Assanges Anwälte sprachen von einem "historischen Tag". "Ich hoffe, dass die Tatsache, dass es uns heute gelungen ist, Julian Assange trotz aller Widrigkeiten und gegen eine der mächtigsten Regierungen der Welt freizubekommen, allen weltweit inhaftierten Journalisten und Verlegern Hoffnung gibt", sagte die Menschenrechtsanwältin Jennifer Robinson. "Es ist angemessen, dass die Richterin, wie sie es heute getan hat, feststellt, dass eine weitere Inhaftierung von Herrn Assange weder fair noch angemessen wäre und es Zeit für ihn ist, wieder mit seiner Familie vereint zu werden", erklärte sein Anwalt Barry Pollack.

Australiens Premier erfreut

Der australische Premier Anthony Albanese freute sich über die Freilassung Assanges. "Ich habe wiederholt gesagt, dass seine anhaltende Inhaftierung keinen Gewinn bringt", sagte der sozialdemokratische Politiker am Mittwoch im Parlament in Canberra. Australien hätte sich immer wieder für die Freilassung des Investigativjournalists eingesetzt.

Kritik kam von der oppositionellen Liberal Party: Assange sei weder "Held" noch "Märtyrer", so der konservative Oppositionsanführer Simon Birmingham, der aber dessen Freilassung grundsätzlich begrüßte. Birmingham warnte auch davor, dass Premier Albanese die Beziehungen zur USA strapaziere: "Ich vermute, dass es im US-Kongress und anderswo ein paar Leute gibt, die eine Augenbraue hochziehen und es für unangemessen halten, dass Anthony Albanese Julian Assange so öffentlich und persönlich in Australien willkommen heißt."

"Mein Glaube ist nie und nimmer erloschen", sagte indessen Assanges Vater John Shipton am Mittwoch im Gespräch mit der Agentur Reuters. Über den Deal, bei dem sich Assange der Spionage schuldig bekannte, sei er "zwiegespalten", so Shipton: "Ich denke, dass es für Journalisten überall auf der Welt ein Problem sein wird, Kritik an der Regierung der Vereinigten Staaten zu veröffentlichen." Er bedankte sich bei der Regierung Australiens für deren Einsatz.

Ehefrau besorgt über Assanges Gesundheit

Nach der Freilassung und Heimkehr von WikiLeaks-Gründer Julian Assange sind die gesundheitlichen Folgen der langen Haft nach Angaben seiner Frau noch unklar. "Wir sind besorgt", sagte Stella Assange Donnerstagfrüh im Frühstücksfernsehen des Senders 7News. Durch die lange Haft "musst er Strapazen sowohl geistig als auch körperlich ertragen", betonte die 40-jährige Anwältin. Assange habe sich in 12 Jahren lang ständig innerhalb von vier Wänden befunden. "Das hat also offensichtlich schwerwiegende Auswirkungen auf seine Gesundheit, und wir werden auf jeden Fall versuchen, alle notwendigen Untersuchungen durchführen zu lassen, um zu sehen, wie es wirklich um ihn steht", erklärte Stella Assange weiter.

Assange hatte seine Frau bis zur Ankunft in Canberra noch nie in Freiheit getroffen: Die Beziehung der beiden begann erst während seiner Zeit in der ecuadorianischen Botschaft. 2022 hatte das Paar, das zwei Kinder hat, im Belmarsh-Gefängnis geheiratet.

Jahrelange Odyssee

Assange war am Montag unbemerkt von der Öffentlichkeit aus der Haft in London freigekommen und hatte mit einem gecharterten Flugzeug Großbritannien verlassen, um an dem Gerichtstermin auf der Pazifikinsel teilzunehmen. Nach einem Zwischenstopp in der thailändischen Hauptstadt Bangkok flog er weiter nach Saipan zu der Anhörung. Es ist das abenteuerliche Ende einer jahrelangen Odyssee mit vielen juristischen Kämpfen.

Assange hatte vor etwa fünf Jahren seine Haft im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in London angetreten. Vor seiner Festnahme im April 2019 hatte er sich sieben Jahre in der ecuadorianischen Botschaft in London dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entzogen. Diese hatten ihn zunächst wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden ins Visier genommen. Diese Anschuldigungen wurden später jedoch aus Mangel an Beweisen fallengelassen. Während die USA über Jahre hinweg die Auslieferung Assanges verlangten, forderten Menschenrechtsorganisationen, Journalistenverbände, Künstler und Politiker dessen sofortige Freilassung. Auch die australische Regierung setzte sich für die Freilassung ihres Staatsbürgers ein. (APA, Reuters, red, rsb, 26.6.2024)