Zunächst waren es nur einzelne kritische Stimmen, die auf Justizministerin Alma Zadić (Grüne) einprasselten. Doch in den vergangenen Tage wuchs sich die Empörung über die geplante Reform der Handysicherstellungen zu einem regelrechten Sturm der Entrüstung aus. Jetzt macht die Ministerin einen Schritt zurück: In einer Stellungnahme spricht sie sich für eine Änderung des umstrittenen Gesetzesentwurfs aus, den Kritikerinnen und Kritiker als eine Entmachtung der Staatsanwaltschaften bezeichnen.

Die Begutachtungsfrist soll zudem von zwei auf sechs Wochen verlängert werden. Der für Anfang Juli geplante Beschluss der "größten Justizreform der vergangenen 20 Jahre", wie es Zadić selbst formulierte, geht sich damit nicht mehr aus. Möglich ist allerdings ein Beschluss im Herbst – Mitte September steht kurz vor den Nationalratswahlen noch eine Plenarsitzung auf dem Programm. Ob sich Grüne und Türkise bis dahin auf eine Änderung des bereits abgestimmten Entwurfs einigen können, bleibt völlig offen. Der anlaufende Wahlkampf und die zunehmenden Querelen innerhalb der Koalition dürften die Situation nicht einfacher machen.

Alma Zadic, Justizministerin.
Justizministerin Zadić betonte, die Bedenken von Expertinnen und Experten ernst zu nehmen.
APA/HANS KLAUS TECHT

VfGH-Entscheid

Hintergrund der Reform zu Handysicherstellungen ist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) von Ende 2023. Strafverteidigerinnen und Strafverteidiger hatten in den vergangenen Jahren immer wieder bemängelt, dass Smartphones unter ähnlich geringen Voraussetzungen beschlagnahmt werden können wie etwa Messer oder Notizblöcke. Das sei mit einer Realität, in der Menschen über Nachrichten, Fotos, Kalendereinträge und Standorte praktisch ihr gesamtes Leben am Handy mittragen, nicht mehr vereinbar. Der VfGH teilte diese Bedenken und gab der Koalition bis 1. Jänner 2025 Zeit, in der Strafprozessordnung höhere Hürden für die Sicherstellung von Datenträgern einzuziehen.

Mit einem Reformvorschlag, der Mitte Juni präsentiert wurde, will die Regierungskoalition diese Vorgaben erfüllen. Der Entwurf sieht vor, dass Richterinnen und Richter die Sicherstellungen künftig bewilligen müssen. Zudem müssen Staatsanwaltschaften ganz konkret benennen, welche Daten aus welchen Zeiträumen sie aus einem Handy auslesen wollen. Für enorme Kritik sorgte in den vergangenen Tagen allerdings die Art und Weise, wie die Daten in Zukunft ausgewertet werden sollen.

Laut dem Entwurf wird künftig zwischen der Aufbereitung und der Auswertung der Daten unterschieden. Demnach soll für die Aufbereitung ausschließlich eine spezielle Abteilung bei der Kriminalpolizei zuständig sein, was Kritiker bemängeln. Im Gesetzestext fehle zudem eine explizite Klarstellung, dass für die Auswertung neben der Kriminalpolizei auch die Staatsanwaltschaften zuständig sind. Aus Sicht einiger Fachleute läuft der Entwurf deshalb de facto auf eine Entmachtung der Staatsanwaltschaften und insbesondere der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hinaus, die die Datenaufbereitung und Datenauswertung bislang unter Einbindung eigener Expertinnen und Experten selbst vornimmt.

Massive Kritik

Am Montag äußerte die Vereinigung österreichischer Staatsanwältinnen und Staatsanwälte massive Bedenken gegenüber der Neuregelung. In einer Stellungnahme kritisiert die Standesvertretung explizit die organisatorische Trennung von Aufbereitung und Auswertung der sichergestellten Daten. Damit sei dieser Bereich des Ermittlungsverfahrens gänzlich der Kontrolle der Justiz entzogen, weil die Datensicherung an weisungsgebundene Beamte des Innenministeriums übertragen werde. Die Staatsanwälte haben sogar Zweifel, ob diese Neuregelung mit der Bundesverfassung vereinbar ist.

Am Dienstag meldeten sich dann auch noch die vier Präsidenten der Oberlandesgerichte in einer ihrer seltenen gemeinsamen Stellungnahmen zu Wort. Die Gerichtspräsidenten übten zwar keine inhaltliche Kritik am Gesetzesentwurf, bemängelten aber die kurze Begutachtungsfrist von zwei Wochen. Man fordere "die Bundesregierung auf, für die Begutachtung dieser und aller weiteren derart umfassenden Gesetzesänderungen eine in einem demokratischen Rechtsstaat angemessene Frist in der Dauer von mindestens sechs Wochen vorzusehen", heißt es in der Erklärung. Auch Greco, die Staatengruppe gegen Korruption, habe 2016 darauf hingewiesen, dass eine zu knappe Begutachtungsfrist das Risiko erhöhe, dass "bestimmte Interessen" das Gesetzgebungsverfahren beeinflussen.

Zadić zeigt sich überrascht

Zadić selbst dürfte mit dem enormen Gegenwind, der sich in den vergangenen Tagen schrittweise aufgebaut hat, nicht gerechnet zu haben. Im Laufe der bisherigen Begutachtung seien Einwände vorgebracht worden, die im Vorfeld von Stakeholdern so nicht geäußert worden seien, heißt es in ihrer aktuellen Stellungnahme. "Ich habe mich viereinhalb Jahre auch in nicht immer einfachen Zeiten dafür eingesetzt, dass der Rechtsstaat gestärkt und abgesichert wird", schrieb Zadić nach einem Treffen mit Vertretern von Gerichtsbarkeit, Staatsanwaltschaften und Wissenschaft. "Daher nehme ich die Bedenken der Expert:innen sehr ernst. Ich bin sicher, das tut auch die ÖVP."

Dort, bei der ÖVP, äußerte man sich am Dienstag auf Anfrage des STANDARD zurückhaltend. "Der Initiativantrag wurde vergangene Woche mit den Stimmen der Grünen im Justizausschuss beschlossen", heißt es aus dem Büro von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). "Dass der Zeitplan nun für viele zu ambitioniert ist, ist verständlich. Wir sind jedoch davon ausgegangen, dass der Entwurf des BMJ (Justizministerium, Anm.) im eigenen Ressort mit den eigenen Stakeholdern akkordiert war." (Jakob Pflügl, 25.6.2024)