Der Tausendsassa Hans-Jörg "Fatsy" Ratzenböck (1943–2016) gründete das Cowboymuseum 1991 mit seiner Frau Ilse.

Wo Linz in die Prärie ausfranst, hat sich ein Stück amerikanischer Wilder Westen erhalten. Der Weg zum Cowboymuseum ist trocken, und man hört aus der Weite Pferde wiehern, wenn man die letzten Meter von der Eisenbahn zu Fuß hingeht. Dann taucht das alte Bauernhaus auf. An einem Fahnenmast davor weht der amerikanische Star-Spangled Banner, eine vergilbte Coca-Cola-Reklame ziert die bröckelnde Hauswand. Sein Pferd solle man lieben, steht daneben. Willkommen in der Westernwelt von Fatsy!

Mit einem schwungvollen "Howdy" im oberösterreichischsten Amerikanisch begrüßt Ilse Ratzenböck ihre Gäste. Eine flotte Frau ist das, knapp über 70, Westernhut auf dem Kopf, Cowboy-Boots an den Füßen. Jeden Samstag und Sonntag von Mai bis August führt sie hier durch 5000 Exponate, erzählt umgeben von breitkrempigen Hüten, glänzenden Sporen, alten Schießeisen und originaler Indianerbekleidung die wahre Geschichte abseits von Hollywood und dem Marlboro-Mann. Das interessiert mehr als 3000 Besucherinnen und Besucher im Jahr, die sich nach Freiheit und einem Leben im Einklang mit der Natur sehnen.

Im Saloon läuft Country-Musik, statt Whisky gibt es Cola und Fanta. Die Wände sind zugekleistert mit allem, was amerikanisch ist: Coca-Cola, Bud Light, Route 66. "Mein Mann liebte Amerika", erzählt Ilse. 2016 starb ihr Hans-Jörg "Fatsy" Ratzenböck, "der letzte Cowboy Österreichs" genannt, mit dem sie das Museum 1991 gemeinsam eröffnete. Sein Kindheitstraum sei das gewesen. "Aber ich bin total reingewachsen, nachdem ich drüben in Amerika war", sagt Ilse. Mit sieben Heads-Up-Awards der amerikanischen Organisation Westerners International hat man das Museum für seine Authentizität insgesamt ausgezeichnet. Außerdem: Kulturmedaille der Stadt Linz und Landesverdienstmedaille Oberösterreich.

Wanted: Dead or Alive

Im ersten Stock hängen ausgewaschene Levi’s Jeans von der Decke, die "Arbeitshose der Cowboys und Goldgräber", klärt Ilse auf. Man sieht echtes, mit Muscheln verziertes Zaumzeug aus Texas, eine Bullenpeitsche aus Nebraska, Gürtelschnallen und Pistolen. "Musik war die andere Leidenschaft von meinem Mann", erzählt Ilse weiter. 1959 habe er im legendären Rosenstüberl in Linz mit Fats-Domino-Liedern einen Gesangswettbewerb gewonnen. So kam er zu seinem Spitznamen. Zeit seines Lebens war er dann auch als Conférencier tätig, als Discjockey und Rock-'n'-Roll-Musiker, gründete den ersten österreichischen Westernklub, organisierte Harley-Davidson-Treffen. Sogar den Dokumentarfilm Fatsy über sein Leben gibt es.

An der Bar serviert Ilse Ratzenböck Getränke. Manchmal gibt es auch Bohneneintopf, wie ihn die Cowboys gegessen haben.
Cowboymuseum Fatsy

In einem Schaukasten liegt ein etwas in die Jahre gekommenes Zahnarztwerkzeug, daneben ein paar Backenzähne. "Das hat dem echten Doc Holliday gehört", sagt Ilse. Ein berühmter Revolverheld, aber eben auch Kartenspieler und ausgebildeter Zahnarzt. Sein Spezialgebiet war eher das Zähneziehen. Zwischen drei und sieben Menschen soll er getötet haben. Überall hängen Schilder mit bekannten Namen: Billy the Kid, Pancho Villa, die Daltons. Auf die Schurken sind Belohnungen ausgesetzt. "Wanted: Dead or Alive".

Zwischen Spielzimmer und Sheriffbüro

Wir gehen weiter. Vorbei am Raucherbaron-Zimmer, dem Spielzimmer und dem Sheriffbüro, massenweise indianischer Federschmuck hängt dort an den Wänden. Ilse und Fatsy haben ihn drüben in Amerika den Comanche, Cheyenne, Sioux, Kiowa und wie sie alle heißen abgekauft. "Die Daltons aus Lucky Luke", sagt Ilse dann, "hat es wirklich gegeben." Mit ihrem Mann sei sie drüben gewesen in Oklahoma, ein Privatmuseum wäre dort jetzt im Kindheitshaus der Verbrecherbande. "Ich wollte unbedingt etwas für unser Museum mitnehmen", sagt sie und zeigt auf eine rote, schon etwas verbeulte Dose: das Backpulver der Dalton-Mutter.

Draußen vor dem Haus steht ein authentischer Chuck Wagon, so nannte man den Küchenwagen der Cowboys. Dort kann man noch Hufeisenwerfen und ein bisserl mit dem Pferdelasso sein Glück versuchen. Es habe eigentlich kaum weiße Cowboys gegeben, erzählt Ilse, ungefähr ein Drittel von ihnen waren Afroamerikaner. Auch viele Cowboys mexikanischer oder indianischer Herkunft gab es. In Wirklichkeit waren das keine gesetzlosen Draufgänger, sondern hart arbeitende Viehtreiber.

Auch der Begriff "Indianer" wird kontrovers diskutiert und geht darauf zurück, dass sich Christoph Kolumbus verfahren hat.

Durch Hollywood sei da der weiße, schweigsame Einzelgänger glorifiziert worden. Aber vor Karl May hat sie Respekt. "In den Büchern stimmt ja fast gar nichts, so eine Fantasie muss man erstmal haben", sagt Ilse. Auch dass die Westernmode jetzt durch Beyoncé wiederkommt, findet sie super. Nur mit dem Schuh des Manitu könne sie nichts anfangen. Sie empfindet das als respektlos gegenüber der Kultur.

Ihr Mann Fatsy duldete das in seinem Westernklub schon nicht, wenn sich Menschen zu Fasching als Cowboy und Indianer verkleideten. Die Leute sollten erst einmal die wahre Geschichte der damaligen Zeit lernen. Dafür muss man auch gar nicht nach Amerika, sondern nur nach Pichling. Dorthin, wo Linz in die Prärie ausfranst. (Jakob Thaller, 30.6.2024)